Mini-Zinsen, Anleihekäufe Draghi hat die Prügel nicht verdient
13.04.2016, 15:02 Uhr
Muss einstecken: EZB-Chef Mario Draghi.
(Foto: REUTERS)
Mario Draghi versucht, uns den Allerwertesten zu retten. Währenddessen treten dem EZB-Chef vor allem deutsche Politiker in denselben. Das ist - gelinde gesagt - kein guter Stil.
Mario Draghi ist nicht nur Präsident der Europäischen Zentralbank, sondern zweifellos einer der unbeliebtesten Menschen in Deutschland. Der Tenor: Mit der ultralockeren Geldpolitik enteigne er deutsche Sparer, klaue mit seinem Kamikaze-Kurs unsere Altersvorsorge. Mit Mini-Zinsen, milliardenschweren Anleihekäufen und "Strafzinsen" ermuntere er fröhlich zum Schuldenmachen als gäbe es kein Morgen.
Gemach, möchte man einwenden. Gemach. Vorweg: Mario Draghi und seine Kollegen versuchen, das Mandat der EZB zu erfüllen. Und das lautet Preisstabilität, also eine Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent. Davon ist die Eurozone weit entfernt, im März fielen die Preise im Jahresvergleich um 0,1 Prozent.
Das Mandat mag man kritisieren. Das ändert allerdings nichts daran, dass es existiert. Diese Verpflichtung ist übrigens eine deutsche Idee, daran sollten sich Kritiker erinnern. Auch daran, dass vor allem in Deutschland auf die Unabhängigkeit der Zentralbank gepocht wird. Zudem ist die EZB die Notenbank eines Währungsraumes. Und der heißt nicht Deutschland.
Ja, die Risiken, die Draghi und die anderen Notenbanker eingehen, sind enorm. Mit jedem Schritt werden sie größer – und gleichzeitig wird die Wirkung immer geringer.
Leider bleibt der EZB nicht viel anderes übrig, als diesen riskanten Weg zu gehen. Denn sie wird von der Politik allein gelassen. Selbstverständlich kann die Zentralbank die Krise der Eurozone nicht durch Gelddrucken lösen. Sie kauft damit teuer Zeit, die Politik nicht nutzt. Die Politiker sind gefordert und versagen grandios. Strukturreformen? Eine wachstumsfördernde Fiskalpolitik? Fehlanzeige – auch in Deutschland.
Finanzminister Wolfgang Schäuble erreicht die schwarze Null nicht, weil er so sparsam ist. Er erreicht sie vor allem wegen der Niedrigzinsen der EZB. Damit kann sich Schäuble quasi zum Nulltarif verschulden. Diese Chance nutzt er unglücklicherweise nicht, um in Infrastruktur und Bildung zu investieren und so für Wachstumsimpulse zu sorgen, von denen ganz Europa profitieren würde. Stattdessen stellt sich Schäuble als Verkörperung finanzpolitischer Solidität dar - und kritisiert Draghi im Einklang mit zahlreichen Unionspolitikern.
Doch nicht nur für den deutschen Finanzminister hat der Kurs der EZB auch gute Seiten. So schlimm Niedrigzinsen für Sparer sind: Wir sind nicht nur Sparer. Wir sind auch Arbeitnehmer, Schuldner und Steuerzahler. Und in diesen Rollen helfen uns die Mini-Zinsen.
Zweifel an der Erfolgsaussichten der EZB-Maßnahmen sind angemessen, Hinweise auf Risiken und Nebenwirkungen sind berechtigt. Doch ohne die ultralockere Geldpolitik der EZB sähe es in der Eurozone wirtschaftlich noch mieser aus als derzeit. Noch immer liegt etwa in Spanien und in Griechenland die Arbeitslosenquote bei mehr als 20 Prozent.
Soll Draghi vor diesem Hintergrund tatsächlich die Zinsen erhöhen? Wer das fordert, muss an die Konsequenzen denken. Und wer Draghis Maßnahmen ablehnt, muss Alternativen aufzeigen.
Quelle: ntv.de