Flucht vor Pekings Politik Reiche Chinesen schmuggeln ihr Geld ins Ausland


Werbetafeln, die für einen luxuriösen Lebensstil werben, sind in Peking seit einigen Jahren verboten.
(Foto: picture alliance / abaca)
Weil Chinas Wirtschaft bröckelt, schmuggeln reiche Chinesen ihr Geld aus dem Land. Legal ist das kaum möglich - deshalb nutzen sie dafür ein seit vielen Jahren bewährtes Netzwerk. Wer bei den illegalen Aktionen erwischt wird, dem drohen empfindliche Strafen.
Quiet Luxury, leiser Luxus, ist der neue Trend in China. Reiche Chinesen verstecken ihren Wohlstand. Unaufdringlich, keine knalligen Farben, aber gut gepflegt, das sind die Merkmale des Laoqianfeng-Stils. Die Hälfte der chinesischen Luxuskäufer setzt auf minimalistische Logos und zeitlose Stücke, geht aus einer Barclays-Studie hervor.
Wohlstand ist in China ohnehin eher verpönt. In Peking sind Luxus-Werbetafeln schon seit 2011 verboten. Das soziale Netzwerk Douyin löscht Videos und Konten, die mit Reichtum protzen.
Präsident Xi Jinping kämpft gegen die Ungleichheit im Land und will Vermögen regulieren. Er hat den "gemeinsamen Wohlstand" für alle ausgerufen. Die Superreichen sind alarmiert, wollen ihr Geld im Ausland in Sicherheit bringen.
Reiche Chinesen streuen Vermögen
Immer mehr wandern zudem aus: 2022 haben 10.800 Millionäre das Land verlassen, 2023 gab es in China dann den weltweit größten Exodus mit prognostizierten 13.500 reichen Auswanderern, geht aus einer Studie von Henley & Partners hervor. Die Ziele der reichen Auswanderer sind vor allem Australien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Singapur und die USA.
Die schwächelnde Wirtschaft mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit von über 20 Prozent und einem kriselnden Immobiliensektor sowie die Spannungen mit Taiwan und den USA machen China derzeit nicht zu einem guten Pflaster. Wohlhabende Chinesen wollen ihr Geld sicher wissen. Nicht nur, um einen Notgroschen für die zukünftige Einwanderung in ein anderes Land anzulegen. Sondern einfach auch, um ihr Vermögen zu streuen.
Legal von China aus Geld ins Ausland zu schicken, ist allerdings kaum möglich. Chinesen dürfen pro Jahr nur eine begrenzte Summe außer Landes überweisen: 50.000 Dollar. Wer auswandert, darf nur einmal Geld transferieren.
Untergrundbanken nutzen Hawala-System
Viele Reiche nutzen daher heimlich ein informelles System, um ihr Geld vor dem Auswandern in die neue Heimat zu transferieren: Hawala heißt das, berichtet Bloomberg. Das Hawala-Banking hat seine Wurzeln im Orient. Auf Arabisch heißt Hawala "Wechsel", "Scheck" oder "Zahlungsanweisung". Anders als eine Bank wird es nicht reguliert oder kontrolliert. Es ist es eher eine Art Netzwerk, das auf Vertrauen basiert.
Die Transaktionen werden über Agenten abgewickelt, Hawaladar genannt. An diese wird das Geld überwiesen. Die Agenten schicken das Geld dann weiter an andere Agenten im Ausland - nicht direkt, sondern zum Beispiel per Telefon. Dafür wird ein Code vereinbart, beispielsweise "eine Zahlen- oder Wortkombination", erklärt Sebastian Fiedler, SPD-Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, bei RTL. Über interne Verrechnungssysteme wird die Summe gegengerechnet. Die Kontaktpersonen zahlen das Geld dann entweder bar aus oder überweisen auf ein Konto im Ausland.
Damit kann Geld anonym und in Echtzeit transferiert werden. Eine Buchhaltung gibt es nicht - das macht einen Nachweis schwierig.
Auch in Deutschland wird das System genutzt - obwohl es verboten ist. 2019 gab es eine große Razzia in mehreren Bundesländern. Ein Mann soll ein Hawala-Banking-System zwischen Deutschland und der Türkei aufgebaut haben. Rund 200 Millionen Euro sollen damit geschleust worden sein.
150 Milliarden Dollar fließen ins Ausland
In China vermitteln oft etablierte Finanzfachleute den Kontakt zu den Überweisungsagenturen. Die Nachfrage nach dem Hawala-Banking ist bei wohlhabenden Familien laut Bloomberg gestiegen. Insbesondere seitdem die internationalen Grenzen nach der Pandemie wieder offen sind.
Vergangenes Jahr sind bis zu 150 Milliarden Dollar von China aus ins Ausland geflossen, schätzt ein Ökonom der französischen Investmentbank Natixis laut dem Bericht. Der Wohlstand in China hat in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen. Dort leben nach den USA die meisten Millionäre der Welt mit einem Vermögen von zwei Billionen US-Dollar. Allerdings machen sie einen deutlich geringeren Anteil der Bevölkerung aus.
Die Hawala-Netzwerke operieren global. Überall dort, wo es viele Chinesen gibt. An wichtigen Orten haben die Untergrundbanken Geldpools, damit die Empfänger ihr Bargeld schnell und in der Landeswährung bekommen können, steht in einem Bericht der britischen Kriminalpolizei National Crime Agency von 2019.
Hawala-Geld stammt von Kriminellen
Wie groß die Hawala-Branche in China genau ist, ist nicht bekannt - verschiedene Berichte deuten aber auf ein enormes Ausmaß hin. 2021 wurde in der chinesischen Provinz Gansu ein Geschäft mit einem Vermögen von über 75 Milliarden Yuan aufgedeckt, berichteten staatliche Medien. Das Geld war verteilt auf ein Netzwerk von fünf Organisationen, die in mehr als 20 Provinzen über 8000 Bankkonten genutzt haben.
Das Geld für die Überweisungsgeschäfte per Hawala in China stammt laut der britischen Kriminalpolizei aus dunklen Quellen: von kriminellen Gruppen - aus Drogen- und Menschenhandel oder Zigarettenschmuggel.
Wer das in China illegale System nutzt, muss mit Strafen rechnen: mindestens ein Drittel der Überweisungssumme wird fällig, wenn man erwischt wird. Bei größeren Beträgen drohen laut Bloomberg auch Gefängnisstrafen von einem bis zu fünf Jahren.
Trotzdem dürfte die Nachfrage nach den Untergrundbanken hoch bleiben, sollte China die Gesetze für Bargeldtransfers weiter verschärfen.
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Quelle: ntv.de