Auf Kollisionskurs mit der Erde Angst vor dem Killer-Asteroiden
27.10.2010, 09:37 Uhr
Hier illustriert: der Asteroideneinschlag, der vor 65 Millionen Jahren die Dinosaurier ausgerottet haben soll.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
1150 Gesteinsbrocken aus dem All könnten der Erde gefährlich werden, sagt die NASA. 149 dieser Brocken haben einen Durchmesser von mehr als einem Kilometer. Ein nur 50 Meter großer Asteroid, das hat sich 1908 gezeigt, kann mit einer Druckwelle explodieren, die der von mehreren hundert Hiroshima-Atombomben entspricht. Was ist, wenn Astronomen morgen einen Asteroiden auf die Erde zurasen sehen?
Das kosmische Geschoss traf die Erde ohne Vorwarnung: Am 30. Juni 1908 raste ein Gesteinsbrocken aus dem All auf eine abgeschiedene Region in Sibirien zu. Mit 70.000 Stundenkilometern drang der Asteroid in die Atmosphäre ein und explodierte in bis zu zwölf Kilometern Höhe über dem Fluss "Steinige Tunguska". Die Detonation löste eine Druckwelle aus, die mit der Sprengkraft von mehreren hundert Hiroshima-Atombomben über das sibirische Waldgebiet hinwegfegte. Wäre der Brocken über besiedeltem Gebiet detoniert, hätte es hunderttausende Tote gegeben.

Als im Juni 1908 ein Asteroid über Sibirien explodierte, fällte die dabei entstehende Druckwelle 60 Millionen Bäume. Die freigesetzte Sprengkraft entsprach der von etwa 1000 Hiroshima-Atombomben.
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Wie soll die Menschheit reagieren, wenn Astronomen schon morgen einen neuen Asteroiden auf Kollisionskurs mit der Erde entdecken - einen Felsbrocken, der vielleicht weit größer ist als das Tunguska-Geschoss mit seinen rund 50 Metern Durchmesser? Mit dieser Frage befassen sich zurzeit internationale Spitzenexperten auf einem dreitägigem Treffen in Darmstadt, das von der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA ausgerichtet wird. Am Freitag sollen die Ergebnisse des Workshops vorgestellt werden, in dessen Verlauf Wissenschaftler und Weltraumfahrer wie die NASA-Astronauten Rusty Schweickart und Thomas Jones unter anderem theoretische Einschlagsszenarien durchspielen wollen.
Zerstörung durch Beschuss?
Ganz wehrlos wäre die Menschheit nicht, sollte demnächst ein Erdbahnkreuzer im Anflug auf die Erde gefunden werden: Man könnte versuchen, den Asteroiden durch Beschuss zu zerstören oder aber seine Bahn mit Hilfe der Schwerkraft einer Sonde so zu verändern, dass er die Erde verfehlt. Entscheidend für mögliche Gegenmaßnahmen sind Größe und Zusammensetzung des Brockens sowie die Zeit, die bis zum Einschlag bleibt. Dabei gilt: Je länger die Vorwarnzeit, desto größer die Aussichten auf erfolgreiche Gegenwehr.
Zur möglichst frühzeitigen Entdeckung eines Asteroiden auf Kollisionskurs setzen die Astronomen auf vollautomatische Teleskope, mit denen sie systematisch den Himmel absuchen. Dabei fanden sie in den vergangenen Jahren eine Fülle erdnaher Objekte, so genannte NEOs: Mit Stand vom Dienstag verzeichnete die NASA auf ihrer Internetseite 1150 Brocken, die als "potenziell gefährlich" eingestuft werden, davon knapp 149 mit Durchmessern von mehr als einem Kilometer.
Zehn-Kilometer-Geschoss raste auf Mexiko zu
Zu dieser Gruppe zählen Asteroiden wie jenes Zehn-Kilometer-Geschoss, das vor 65 Millionen Jahren auf Mexikos Halbinsel Yukatan einschlug, einen tiefgreifenden Klimawandel auslöste und so höchstwahrscheinlich das Aussterben der Dinosaurier einleitete. Doch auch kleinere der unzähligen Felsbrocken, die um die Sonne kreisen und als Überbleibsel der Entstehung des Sonnensystems vor gut 4,6 Milliarden Jahren gelten, können schwere Schäden bis hin zur Verwüstung ganzer Regionen anrichten. Ein solcher Asteroid ist der 2004 entdeckte 300-Meter-Brocken Apophis, der auf dem Darmstädter Expertentreffen eine wichtige Rolle spielen wird.

Am 7. Oktober 2008 erhellte ein Feuerball den Wüstenhimmel über dem Nord-Sudan. Ein 80 Tonnen schwerer Steinmeteorit war nach dem Eintritt in die Erdatmosphäre in 37 Kilometern Höhe zerplatzt. Er war der erste Asteroid, den Astronomen schon vor der Kollision mit der Erde entdeckt hatten.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Denn die Wissenschaftler und Astronauten, unter ihnen neben Vertretern von ESA und NASA auch solche der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos und eine Reihe weiterer nationaler Weltraumagenturen, werden das theoretische Szenario eines Einschlags von Apophis analysieren. Nach derzeitigem Erkenntnisstand wird der nach dem altägyptischen Gott der Zerstörung benannte Asteroid im April 2029 extrem nah an der Erde vorbeirasen - übrigens an einem Freitag, dem Dreizehnten.
Obwohl die Astronomen einen Einschlag von Apophis 2029 ausschließen, könnte seine Erd-Passage spannend werden. Falls der Asteroid nämlich beim Vorbeiflug wider alle statistische Wahrscheinlichkeit eine als "Schlüsselloch" bezeichnete Region passiert, würde er 2036 zurückkehren und dann die Erde treffen. Die in Darmstadt versammelten Wissenschaftler gehen nun in ihrem fiktiven Szenario davon aus, dass im Jahr 2013 neue Messungen der Apophis-Bahn eine deutlich größere Kollisionswahrscheinlichkeit ergeben. Für die Erde hieße das: Aus Science-Fiction ist Wirklichkeit geworden - der Kampf gegen den Asteroiden hat begonnen.
Quelle: ntv.de, Richard Heister, AFP