Auf ins digitale Zeitalter Datenbank für Pflanzen
07.12.2008, 14:17 Uhr
Die Digitalisierung der getrockneten Pflanzen soll bis 2012 abgeschlossen sein.
Wer vor 200 Jahren Gräser und Moose erforschte, lebte gefährlich. Auf Forschungsreisen mussten sich Biologen vor Räubern und Überfällen schützen und auf tagelangen Reisen zu Pferde durch die wilde Natur kämpfen. Ihr Ziel war es, Pflanzen zu sammeln, die noch niemand kannte, sie zu pressen, zu untersuchen und so Schatzkammern des Wissens anzulegen. Heute liegen ihre wertvollen Funde in den größten Herbarien der Welt. Eines davon ist das Herbarium Haussknecht an der Universität Jena. Diese Pflanzen-Sammlungen stehen nun vor einer neuen Herausforderung: der Digitalisierung. Im Internet entsteht eine Datenbank, die die Pflanzenbelege weltweit zugänglich macht.
"In Herbarien wird festgestellt, welche Arten von Pflanzen es gibt und wie man sie unterscheidet", erklärt der Kustos des Herbariums Haussknecht, Jochen Müller. Kommt eine neu gesammelte Pflanze ins Herbarium, muss sie zunächst getrocknet werden. "Das ist von Pflanze zu Pflanze verschieden", erläutert Müller. "Ein Gras trocknet an einem Tag, andere Pflanzen muss man erst einfrieren oder kochen, damit man sie in Trockenschränken trocknen kann." Zur Bekämpfung von Schädlingen würden alle Pflanzen bei minus 35 Grad gefrostet. Nach dem Pressen werden die Belege auf Papierbögen geklebt und in Schränken verstaut.
Uneingeschränkter Zugang zu den Herbarien
In Deutschland ist diese Erfassung der Pflanzenarten weitgehend abgeschlossen. In Lateinamerika sei dagegen kaum eine Pflanze wissenschaftlich untersucht. "Das ist jedoch wichtig, wenn man sie in der Natur wiederfinden will und wenn man wissen möchte, was man mit der Pflanze machen kann." Mit Hilfe der Herbarien können andere Forscher dann herausfinden, ob eine Pflanze Inhaltsstoffe hat, die für die Medizin und die Nahrungsmittelindustrie wichtig sind oder ob sie ein Unkraut ist, das man bekämpfen muss. "Außerdem ist diese Arbeit auch wichtig für den Naturschutz. Ich kann nur Arten schützen, wenn ich weiß, dass es sie gibt."
Diese Arbeit mit Pflanzen ist aber nur in den Ländern möglich, die uneingeschränkten Zugang zu den Herbarien haben. Um der Wissenschaft in Afrika und Lateinamerika den Weg dafür zu ebnen, haben sich 85 Herbarien in 31 Ländern zusammengeschlossen und digitalisieren nun ihre afrikanischen und südamerikanischen Pflanzenbelege. "Bisher gab es zwar Ausleihen zwischen den Herbarien, aber da man nie weiß, ob die Belege ankommen, schicken viele Sammlungen nichts mehr nach Afrika oder Südamerika", erläutert Müller. Entstehen sollen Datenbanken im Internet, die in Afrika und Südamerika kostenlos von Wissenschaftlern und Studenten genutzt werden können. Finanziert wird das Projekt von der Andrew W. Mellon Foundation aus New York.
Digitalisierung nach Kontinenten
Für das Herbarium Haussknecht bedeutet die Digitalisierung eine Menge Arbeit. Da die Sammlung nach Arten und nicht nach Kontinenten geordnet ist, durchforsten die Mitarbeiter den gesamten Bestand. Da die meisten Herbarien in Europa nach diesem System vorgehen, beschloss die Mellon Foundation im Mai dieses Jahres, das Projekt auszuweiten und lässt seither alle Belege digitalisieren. Dafür erhielten die Jenaer Forscher von der Stiftung 280.000 US-Dollar (220.500 Euro), um Personalkosten und Technik für das Projekt bis Ende 2009 bezahlen zu können.
In Jena soll die Digitalisierung bis 2012 abgeschlossen sein. Diese schadet den Pflanzen nicht, da eigens für das Projekt ein Scanner gebaut wurde, in dem die Papierbögen nicht gewendet werden müssen und durch einen Schaumstoffrahmen vor Beschädigungen geschützt sind.
Herbarium Haussknecht in Jena
Das Herbarium Haussknecht gehört zu den zehn größten Herbarien weltweit. Derzeit sind dort erst rund 7000 Pflanzentypen digital erfasst. Als Typen werden die getrockneten Pflanzen bezeichnet, die eine Art beschreiben. Davon besitzt das Jenaer Herbarium etwa 40.000 bis 60.000 Stück. Diese sind auf rund drei Millionen Belegen festgehalten. Das Herbarium wurde 1896 von Carl Haussknecht in Weimar gegründet und ist seit 1923 ein Teil der heutigen Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Schwerpunkte sind Thüringen, Vorderasien, Kuba und Südost-Europa.
Die ersten Herbarien entstanden im 16. Jahrhundert. Sie wurden zumeist von Medizinern genutzt, um die Heilkräuter, die sie sammelten, mit den Belegen im Herbarium zu vergleichen. Ihre Blütezeit erlebten die Herbarien im 19. und 20. Jahrhundert, als viele Forschungsreisende Pflanzen aus fernen Ländern mitbrachten. Die größten Herbarien der Welt sind in Paris, New York und London mit jeweils sieben Millionen Belegen.
Theresa Krohn, dpa
Quelle: ntv.de