Nur jeder Achte richtig behandelt Depressionen oft unerkannt
12.10.2010, 11:00 UhrIn Deutschland sind Schätzungen zufolge rund vier Millionen Menschen behandlungsbedürftig depressiv. Dennoch sind Depressionen vielerorts noch immer ein Tabuthema. Nur bei 40 Prozent aller Betroffenen wird die Krankheit diagnostiziert. Patienten können dabei vor allem Freunde und Familie helfen.

Teufelskreis Depression: Patienten brauchen vor allem die Unterstützung von Freunden und Familie.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Auch fast ein Jahr nach dem Suizid von Fußball-Nationaltorwart Robert Enke sind Depressionen nach Expertenansicht noch immer ein Tabuthema. Die Folge: Nur etwa jede achte Depression wird richtig behandelt. Meist jedoch bleibt die Erkrankung unzureichend therapiert oder unerkannt. "Depressive Störungen werden leider immer noch zu häufig und fälschlicherweise als Charakterschwäche oder geringe Motivation, etwas zu ändern, ausgelegt", sagte Professor Detlef Dietrich vom AMEOS Klinikum Hildesheim zum Europäischen Depressionstag am 16. Oktober. "Die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten werden noch viel zu selten genutzt."
Patienten brauchen Unterstützung
In Deutschland sind schätzungsweise vier Millionen Menschen behandlungsbedürftig depressiv, aber nur bei etwa 40 Prozent davon ist die Krankheit diagnostiziert. "Hiervon wird wiederum nur ein Drittel adäquat und ausreichend lange behandelt", sagte Dietrich. Gerade dies ist nach Aussage des Experten aber wichtig: "Vor allem zu Beginn der medikamentösen Therapie mit Antidepressiva heißt es durchhalten und Geduld haben. Denn die positive Wirkung setzt erst nach zwei bis drei Wochen ein."
Hier brauchten Erkrankte deshalb viel Unterstützung durch Arzt und Umgebung. "Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Medikament wirkt, liegt bei 50 bis 70 Prozent. Sonst muss man auf ein Präparat mit anderer Wirkweise umsatteln." Vor allem die Kombination mit Psychotherapie sei jedoch auch nachhaltig erfolgsversprechend und schütze vor Neuerkrankungen.
Befriedigende Arbeit ist Antidepressivum
Die wachsende Zahl bestimmter Formen depressiver Störungen in Deutschland führt Dietrich zumindest teilweise auf immer mehr Stress, Unsicherheit und Leistungsdruck am Arbeitsplatz zurück. Sei jemand entsprechend veranlagt, könne dies zu Depressionen führen. "Man darf aber auch nicht vergessen, dass Arbeitslosigkeit in der Regel ein sehr starker depressionsauslösender Faktor ist", betonte Dietrich. Eine Arbeit, die Spaß mache und Sinn stifte, sei hingegen eine Art Antidepressivum.
Auch wenn sich inzwischen hier einiges getan habe, suchten sich immer noch viel zu wenig Betroffene Hilfe. Der Experte empfiehlt daher: "Wer Hilfe braucht, sollte sich zunächst vertrauensvoll an seinen Hausarzt wenden, der ihn dann gegebenenfalls an einen Facharzt überweist. Leider gibt es dort oft Wartezeiten, so dass der Hausarzt, falls erforderlich, bis dahin bereits ein Medikament verschreiben und den Patienten mit Rat engmaschig begleiten sollte."
Hinzu komme, dass auch die Erkrankung selbst mit Ängsten, sozialem Rückzug, Antriebsstörungen und Interesselosigkeit einhergehe, sagte Dietrich. Deshalb seien vor allem Freunde und Familie gefordert, einen Arztbesuch anzuregen.
Quelle: ntv.de, fma/dpa