Riesenkraken und Seegurken Die Tiefsee ist reich und bunt
22.11.2009, 18:01 Uhr
Ein Tiefsee-Oktopus: Fast 18.000 Arten haben Wissenschaftler mittlerweile in der Tiefsee ausgemacht.
(Foto: dpa)
Es sind bizarre Kreaturen: eine Riesenkrake, die sich mit Flügeln wie Elefantenohren fortbewegt; ein Ruderfußkrebs, der aussieht wie eine antike Goldbrosche oder ein Bartwurm, der sich von Öl ernährt. Das Leben in der Tiefsee ist reich und bunt, auch wenn kein Sonnenstrahl Neptuns dunkelstes Reich je erreicht.
"Die Tiefsee ist das größte zusammenhängende Ökosystem der Welt und der größte Siedlungsraum für Leben. Sie ist aber zugleich auch das am wenigsten erforschte", sagt Chris German vom internationalen Projekt Census of Marine Life, das seit dem Jahr 2000 eine Art "Volkszählung" der Lebewesen unter Wasser durchführt.
Herabsinkende Reste als Nahrung
17.650 Tierarten haben die Forscher inzwischen in den scheinbar unwirtlichen Tiefen der Weltmeere registriert, wie sie in einer Zwischenbilanz mitteilten. 5722 Arten leben in mehr als 1000 Meter Tiefe, die restlichen in Regionen unter 200 Metern. Aber schon dort ist die Dunkelheit so groß, dass es keine Pflanzen mehr gibt.
"Um in der Tiefe zu überleben, müssen die Tiere kärgliche und neue Nahrungsressourcen finden. Und ihre große Vielfalt zeigt, wie viele Möglichkeiten es gibt, sich anzupassen", sagt Robert Carney von der Universität des US-Bundesstaates Louisiana.
Die Tiere ernähren sich von herabsinkenden Nahrungsresten aus den höheren und helleren Regionen, von Bakterien, den gesunkenen Knochen toter Wale oder anderen unmöglichen Dingen. "Vielfalt ist vor allem abhängig von der vorhandenen Nahrung und nimmt mit der Tiefe rapide ab", sagt Carney.
Einmaliges Großprojekt
Er ist zusammen mit rund 1000 anderen Meeresbiologen aus 70 Ländern an dem bisher einmaligen Großprojekt beteiligt. Allein zur Erforschung der Tiefsee haben sich fünf Sonderteams gebildet, die am Ende mehr als 200 Expeditionen gemacht haben werden. Nach der neuen Zwischenbilanz soll im Oktober 2010 in London der Abschlussbericht vorgelegt werden.
"Die Tiefseefauna ist so reich und so schlecht erfasst, dass es unnormal ist, auf eine bereits bekannte Art zu treffen", sagt David Billet vom staatlichen britischen Meeresforschungszentrum. "Wenn man auf Anhieb all die verschiedenen Arten beschreiben sollte, die man mit einer einzigen Kaffeetasse auffangen kann, wäre das entmutigend."
Schwierige Bedingungen für Forscher
Obwohl die Tiefsee den größten Teil der Welt einnimmt, ist sie bisher weniger erforscht als der Mond. Extreme Bedingungen in Tiefen bis zu 5000 Metern machen den Wissenschaftlern die Arbeit schwer: Das Wasser ist eiskalt, der Druck bis zu 400 Mal höher als an der Oberfläche. Zum Vergleich: Schon in zehn Metern kann ein menschliches Trommelfell platzen.
Die Forscher sind in dem zerklüfteten, bergigen Gelände auf Meeresgrund deshalb auf High-Tech-Geräte wie ferngesteuerte Unterwasserautos, automatische Videokameras und Echolotgeräte angewiesen. "Jede Expedition ist ein Trip ins Ungewisse", sagt die neuseeländische Projektmanagerin Mireille Consalvey - "mit oft seekranken Wissenschaftlern, die zwischen Sturmböen und meterhohen Wellen zu arbeiten versuchen".
Quelle: ntv.de, Nada Weigelt, dpa