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Unter Rekorddruck Erbgut von Viren

In welchem biologischen System herrscht der höchste Druck? Nicht in den explosiven Nesselkapseln von Quallen und auch nicht in prall mit Wasser gefüllten Pflanzenzellen, wie Forscher der University of California in Los Angeles berichten. Rekordhalter sind nach ihren Berechnungen bestimmte Viren. Sogenannte dsDNA-Viren stehen unter einem Druck von etwa 5,1 Megapascal – das entspricht dem Druck in 510 Metern Wassertiefe und ist zehn Mal höher als der Druck im Fahrradschlauch vieler Tourenräder.

Der Druck ist allerdings nur in der Gruppe der dsDNA-Viren so hoch, also bei Viren mit doppelsträngiger DNA als Erbgut, wie William Gelbart und Charles Knobler berichten. Die meisten Viren enthalten dagegen nur einfache Stränge eines etwas anders aufgebauten Erbmoleküls, der RNA. Sie werden ssRNA-Viren genannt.

Zähe Proteinhülle und hohe Oberflächenspannung

Die Forscher errechneten aus den wirkenden Kräften auch, wie zäh die Proteinhülle sein muss, die das Erbgut eines dsDNA-Virus umgibt. Die aus nur einer Proteinschicht bestehende Hülle hält demnach Oberflächenspannungen von nahezu 100 Millinewton pro Meter aus. Das ist ein Vielfaches dessen, was die Doppelschichtmembranen wegstecken können, die Zellen und ihre Bestandteile umgeben. In die Hülle eines sehr bekannten Virus, des Bakteriophagen Lambda, werden zum Beispiel 17.000 Nanometer (Millionstel Millimeter) Erbgut in eine Kapsel von nur etwa 25 Nanometern Durchmesser gestopft. Der gewaltige Druck entsteht dabei vor allem dadurch, dass sich die zusammengedrückten DNA-Stränge immens abstoßen.

Für die gepresste Packung gibt es zwei Gründe, so die Forscher, einen biologischen und einen physikalischen. Zum einen dringen die meisten dsDNA-Viren nicht in eine Zelle ein, um sie zu infizieren. Sie setzen sich auf ihre Hülle und injizieren ihr Erbmaterial ins Innere. Dafür sei der extreme Druck nötig, heißt es in "Science”. Die ssRNA-Viren dringen dagegen fast immer komplett in die Wirtszelle ein und lösen sich dort auf.

Der physikalische Grund sei, dass doppelsträngige DNA wegen der hohen Abstoßungskräfte viel schwerer zu komprimieren ist als einzelsträngige RNA – und dennoch in ähnlich winzige Hüllen passen müsse. Nun solle unter anderem geklärt werden, wie die Virenkapseln dem extremen Druck in ihrem Inneren widerstehen, ohne zu platzen.

Quelle: ntv.de

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