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Zerstören, um zu schaffen Explosive Forschung unter Tage

Als einzige Universität der Welt besitzt die TU Freiberg ein eigenes Bergwerk. In einer unterirdischen Sprengkammer wollen Forscher hier künftig unter enormem Druck neue, sehr widerstandsfähige Werkstoffe erzeugen. 2011 soll der erste große Knall kommen - von Erdbeben-Meldungen gehen die Forscher aber nicht aus.

Das Lehrbergwerk "Reiche Zeche" der Technischen Universität Freiberg in Sachsen. Die Bergakademie besitzt als einzige Universität der Welt ein eigenes Bergwerk.

Das Lehrbergwerk "Reiche Zeche" der Technischen Universität Freiberg in Sachsen. Die Bergakademie besitzt als einzige Universität der Welt ein eigenes Bergwerk.

(Foto: dpa)

In Zeiten allgemeiner Terrorwarnung bleibt der Chef des Lehrbergwerks "Reiche Zeche" in Freiberg wortkarg. Zur Frage nach der Menge hier gelagerten Sprengstoffs schweigt Klaus Grund und lächelt nur. Fest steht jedoch eines: Künftig wird die Bergakademie Freiberg als Grubenbesitzer erheblich mehr Sprengstoff brauchen - ganz legal und zu friedlichen Zwecken. "Wir sprengen hier nicht, um Dinge zu zerstören, sondern um neue Stoffe zusammenzusetzen", sagt der Mineralogie-Professor Gerhard Heide.

Unter seiner Regie entsteht in dem Bergwerk eine der weltweit größten unterirdischen Sprengkammern im Dienste der Forschung. Im kommenden Frühjahr sollen hier in 150 Meter Tiefe Versuche zur stofflichen Veränderung unter extremem Druck beginnen. Der ist nach menschlichen Maßstäben kaum fassbar. Die Freiberger sprechen von mehreren hundert Gigapascal und bringen selbst einen lustigen Vergleich: Würde man den Eiffelturm in Paris auf einer Fingerspitze balancieren, entspräche das einem Druck von zehn Gigapascal.

Bis zu 20 Kilogramm Sprengstoff können in der sechs mal sechs Meter großen und fünf Meter hohen Kammer im harten Freiberger Gneis gezündet werden. Die Detonation erzeugt eine Druckwelle, die direkt auf den Berg prallt. In der sogenannten Schockwelle fliegt auch eine kleine Metallscheibe mit. Mit einer Geschwindigkeit von zwei Kilometern pro Sekunde trifft sie auf eine Werkstoffprobe, deren stoffliche Struktur sich bei derartiger Krafteinwirkung verändert. Die Wissenschaftler nennen das Höchstdrucksynthese.,

Ziel: extrem harte Werkstoffe

Der Eiffelturm auf einer Fingerspitze: Selbst das wäre nur ein Bruchteil des Druckes, unter dem die Experimente durchgeführt werden.

Der Eiffelturm auf einer Fingerspitze: Selbst das wäre nur ein Bruchteil des Druckes, unter dem die Experimente durchgeführt werden.

(Foto: Reuters)

In Freiberg will man vor allem Nitrite wie Bornitrid oder Siliziumnitrid auf ihre Fähigkeit zur "Verhärtung" testen. Das Ziel sind superharte Werkstoffe beispielsweise für Bohrköpfe oder die optische Industrie. Sprengmeister Thomas Schlothauer verweist darauf, dass sich in der Natur ähnliche Prozesse abspielen. So führen Meteoriteneinschläge bei "passendem" Untergrund zur Entstehung von Diamanten. "Wir simulieren Drücke, wie sie im Erdkern vorhanden sind", sagt Schlothauer. Er hält bis zu 500 Gigapascal für möglich.

Die bei der Sprengung erzeugten Hartstoffe sind zwar nicht härter als Diamanten, können aber höheren Temperaturen widerstehen, hieß es. Versuche zur Herstellung solcher Materialien gab es an der Bergakademie schon seit ein paar Jahren. Bisher mussten sich die Forscher aber mit einer kleinen Kammer und kleinen Sprengladungen von 20 Gramm begnügen. Erst 2011 ist der große Knall möglich. Zu einer Häufung von Erdbeben-Meldungen wird das nicht führen. Die Druckwellen sind zu kurz, um von herkömmlichen Seismographen registriert zu werden.

600 Tonnen Gestein mussten für das explosive Vorhaben nach oben befördert werden. Da die Bergakademie das mit eigenen Leuten und Technik erledigte, kostet der Bau der eigentlichen Sprengkammer nur etwa 25 000 Euro. Wenn man so etwas mit allen Sicherheitsauflagen zu ebener Erde bauen würde, käme wohl eine Null zur Bausumme hinzu, meint Professor Heide. Zum Schluss zeigt er eine völlig deformierte Metallscheibe, die die Explosion schon hinter sich hat. "Wenn das Experiment gut gelaufen ist, sieht das so aus."

Quelle: ntv.de, Jörg Schurig, dpa

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