Für ein Möbelhaus Feldhamster ziehen um
29.08.2007, 11:35 UhrCarola Rein hat Glück. Ein ganz junger Feldhamster ist der Diplomingenieurin für Landschaftsplanung bei Bau Nummer 61 in die Falle gegangen. "Ein Nestflüchter", ruft Rein begeistert und entfernt die Plastikfolie vom Käfig. Verängstigt reagiert das junge Tier, als sich das Blitzlichtgewitter der Fotografen über ihm entlädt. Alles, was die Diplomingenieurin möchte, ist eine neue Heimat für den kleinen Nager. Denn seitdem ein Möbelhaus nahe der Bundesstraße 19 bei Würzburg einen Markt bauen will, heißt es auch für die geschützten Feldhamster: "Koffer packen".
Die Bilanz der vergangenen Tage kann sich sehen lassen. Rund 80 Tiere konnten schon umsiedelt werden, berichtet Rein, Mitinhaberin der Firma Fabion, die für den Nager-Umzug verantwortlich ist. Aus Furcht vor Regen, bei dem die Hamster ihren Bau nicht verlassen, wurde das Projekt etwas vorgezogen. Jetzt arbeiten acht Mitarbeiter in zwei Schichten jede Nacht daran, dass wirklich jeder Feldhamster einen Bau auf einem anderen Feld beziehen kann.
Die neue Heimat, die sogenannte Ausgleichsfläche, liegt etwa einen Kilometer vom ursprünglichen Feld entfernt und sei ein wahres Paradies für die scheuen Tiere, erzählt die Diplomingenieurin. Auf etwa elf Hektar wechseln sich Winterweizen und gemähte Streifen ab. "Dort finden die Hamster genügend Deckung und Nahrung."
Köder: Apfel und Gurke
Bevor die ersten Bagger für das Einrichtungshaus anrücken, müssen Stadt und Möbelunternehmen erst einmal tief in die Tasche greifen. Yvonne Beck betreut das Projekt für Würzburg und beziffert die Kosten auf rund eine halbe Million Euro. Der größte Teil des Geldes gehe an die betroffenen Bauern als Ausgleich für ihre Felder. Im Vergleich dazu fällt die Hamsterumsiedlung kaum ins Gewicht - 15 000 Euro zahlen Stadt und Möbelhaus an das "Umzugsunternehmen".
Die Würzburger Firma ist nicht unerfahren, was den Fang der nachtaktiven Nagetiere betrifft. Bis zu vier Umsiedelungen stehen pro Jahr auf dem Terminplan des Unternehmens.
Die Tiere einzufangen - niemand weiß, wie viele es insgesamt auf den Feldern sind - ist recht unspektakulär. Mit einem Stück Apfel und Gurke locken die Experten die Hamster in einen länglichen Käfig am Eingang ihres Baus. Der Köder funktioniere hervorragend, wenn auch die nächtliche Trefferquote meistens nur recht gering sei, erklärt Rein. Lediglich fünf bis sechs Hamster verirrten sich pro Schicht in die rund 80 Fallen, die auf dem 20 Hektar großen Gelände verteilt wurden.
Der "Nestflüchter", der Rein jetzt in die Falle ging, bezieht nun sein neues Zuhause. Von Bau Nummer 61 geht es schließlich zu Bau Nummer 99 auf dem neuen Feld. Exakt dokumentiert Carola Rein, wer von welcher Nummer wohin gekommen ist und legt noch eine Handvoll Getreidekörner, Apfelstücke und Gurkenscheiben zur "Erstverpflegung" in die vorgebohrte Behausung. Dann öffnet die Diplomingenieurin die Käfigklappe und der Feldhamster verschwindet im Loch.
Von Hannes Vollmuth, dpa
Quelle: ntv.de