Geschädigte Spenderlungen Gentherapie verbessert "Blutfluss"
01.11.2009, 14:29 UhrDer Botenstoff Interleukin-10 bremst die Entzündungsreaktionen von Spenderlungen. Damit könnte sich das Organ künftig für Transplantationen mehr eignen.
Dieser Versuch erinnert unausweichlich an die Behandlung Schwerkranker auf dem Raumschiff Enterprise: Kanadische Forscher erhalten eine menschliche Spenderlunge unter einer Plexiglaskuppel am Leben und schleusen zusätzlich Erbanlagen für eine Gentherapie ein. Bis zu 30 Tage überdauerten Organe von Mensch und Schwein unter diesen Bedingungen bei 37 Grad Celsius in feuchter Atmosphäre. Das berichtet das Team um Shaf Keshavjee vom kanadischen Toronto General Research Institute. Studien mit Patienten sollen der nächste Schritt sein, berichten die Forscher.
Empfindliches Organ
Der Hintergrund ihrer Arbeit: Rund 80 Prozent aller Lungen eignen sich nicht für eine Transplantation. Die Organe sind entweder schon vorgeschädigt oder erleiden beim Tod der Patienten schwere Defekte. Das Gewebe mit seiner riesigen Oberfläche für den Gasaustausch ist sehr empfindlich; Entzündungen können die mikroskopisch feinen Verästelungen (Alveolen) sehr schnell zerstören.
Der Botenstoff Interleukin-10 (IL-10), ein kleines, körpereigenes Eiweiß, bremst die Entzündungsreaktionen – das wusste das Team um Keshavjee bereits. Seine Strategie: Lunge entnehmen, via Blutbahnen mit einer Nährlösung versorgen, mit Viren die Erbinformation für IL-10 einschleusen, und das vorgeschädigte Gewebe unter der durchsichtigen Kuppel regenerieren. Eines – noch fernen – Tages sollen die Lungen nach diesem Gentherapie-"Boxenstopp" einem Patienten eingesetzt werden.
Turboladung gegen Entzündungen
In dem "XVIVO" (etwa: "außerhalb des Lebendigen") genannten System fließt eine stark sauerstoffhaltige Nährlösung durch die Lunge, um das Gewebe zu versorgen. Ein weiterer Schlauch führt einen Luftstrom unter die Kuppel, der "entschärfte" Schnupfenviren mit der genetischen Bauanleitung für IL-10 heranweht. Solche "Genfähren" infizieren das Gewebe mit dem gewünschten Gen. Dieses wird von den noch lebenden Zellen abgelesen, IL-10 entsteht und bremst Entzündungen. "Es ist, als ob die Gentherapie jede Zelle mit einer Turboladung gegen Entzündungen versieht", erklärt Keshavjee.
Mehr noch: Die Lunge könne mit ihrer eigenen Reparatur beginnen. Lungen, die ohne Gentherapie im "XVIVO" lagen, überdauerten diese Behandlung in ihrem eingelieferten Zustand, der stabil blieb. Mit IL-10 in den Zellen verbesserte sich der "Blutfluss" durch das Organ, das außerdem einen besseren Gasaustausch zeigte (Sauerstoff ins Gewebe hinein, Kohlendioxid heraus).
Eine Therapie auf der Grundlage dieses Apparates wird noch viele Jahre auf sich wartenlassen – wenn es sie denn überhaupt irgendwann geben sollte. Aber: "Auf der Basis unserer Untersuchungen schließen wir, dass diese innovative Strategie eine medizinische Prüfung wert ist", so lautet der Ausblick des Teams.
Quelle: ntv.de, dpa