Hobbyimker begeistern Engländer Honigernte in der Großstadt
05.10.2009, 11:29 UhrBis vor einem halben Jahr hatte Jon Harris keine Ahnung von Bienen. Jetzt umschwirren Hunderte Insekten den 43-Jährigen in seinem weißen Schutzanzug. Gekonnt zieht er die Waben aus dem Bienenstock in seinem kleinen Garten im Londoner Stadtteil Brixton. "Diese Honigwabe ist einfach unglaublich", schwärmt er und verscheucht die Bienen. Eigentlich ist Harris Einzelhandelskaufmann. Doch als er im März seinen Job verlor, beschloss er, sich in seiner vielen freien Zeit der Imkerei zu widmen. Er folgt damit einem Trend, der vor allem in den Großstädten des Vereinigten Königreichs zu beobachten ist.

Weltweit sterben immer mehr Bienen, warum weiß bisher niemand.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
In einem eintägigen Kurs über Bienenzucht in der Stadt lernte Harris alles, was er wissen musste. Auch, dass Bienen keine riesigen Wiesen mit wilden Blumen benötigen, um genügend Nektar zu finden: "Wenn ein Bienenstock Platz hat, dann ist auch genug Platz für die Bienen", sagt der Großstadtimker. Seine Bienen begnügen sich mit den Hecken und Büschen entlang der Bahngleise hinter seinem Haus. Wenn ihnen das nicht reicht, können sie auch in einem Umkreis von mehr als sechs Kilometern nach Nahrung suchen. Bereits im ersten Sommer erntete Harris 20 Kilo Honig, "was beweist, dass es hier etwas gibt, was die Bienen mögen", sagt er.
Bienevölker weltweit bedroht
Während die Bienen in dem Londoner Garten prächtig gedeihen, sind die Bienenvölker weltweit bedroht. In Nordamerika, Europa und Asien beobachten Experten seit einigen Jahren ein rätselhaftes Bienensterben, sie sprechen von "Colony Collapse Disorder". Dabei können bis zu 90 Prozent der Bienenpopulation zugrunde gehen.
"In Großbritannien haben wir vergangenen Winter etwa 21 Prozent der Population verloren", sagt Chris Deaves vom britischen Imkerverband. "Im Winter davor waren es zwischen 25 und 30 Prozent." Deaves vermutet eine Kombination verschiedener Faktoren als Ursache des Bienensterbens. Mitverantwortlich könnte die blutsaugende Varroamilbe sein, genauso wie Pestizide, Viren und die Folgen der industrialisierten Landwirtschaft. "Es ist wie beim Menschen: wenn der geschwächt ist, ist die Wahrscheinlichkeit einer Grippe auch größer", sagt Deaves.
Umso mehr freut sich der Fachmann über die vielen neuen Hobbyimker in Großbritannien. "Das Interesse an der Bienenzucht wächst sehr, sehr schnell", hat Deaves beobachtet. "Vielleicht liegt das an dem Gefühl, dass jeder etwas tun sollte, um unseren Planeten lebenswerter zu machen." Vor allem Menschen in großen verschmutzten Städten hätten dieses Bedürfnis. "Und in der Stadt kann man keine Kühe oder Schafe halten - aber Bienen." Zudem machten sich immer mehr Menschen Gedanken, woher ihr Essen kommt und welche weiten Wege es zurücklegen musste, bevor es auf dem Tisch landete, glaubt Deaves.
"Der beste Honig, den ich je gegessen habe"
Im Londoner Stadtteil Brixton sind es nur ein paar Schritte, bis Jon Harris die Honigwabe in seine Küche gebracht hat. Er schneidet sie in Stücke, probiert und leckt sich die Lippen. "Er schmeckt nach Minze und Eukalyptus, wenn er frisch ist", sagt der Hobbyimker. "Und es ist der beste Honig, den ich je gegessen habe."
Quelle: ntv.de, Robert Leslie, AFP