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Ein Wolf erschossen Isegrim wieder heimisch

In der DDR hatten die scheuen Einwanderer aus dem Osten keine Chance. "Vor der Wende ist jeder Wolf erschossen worden, sobald er seinen Kopf über die Grenze steckte", sagt Gerd Schumann, Referatsleiter für Artenschutz im brandenburgischen Umweltministerium. Erst seit 1990 gebe es ernsthafte Bemühungen um den Schutz der Raubtiere, die in Fabel und Märchen das Sinnbild für Rücksichtslosigkeit und Gier sind. Heute fühlen sich Wölfe im Nordosten Sachsens und im Süden Brandenburgs wieder heimisch. Allein in der Lausitz gibt es vier Rudel. Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich die Einwanderer weiter ausbreiten.

Die Obduktion zeigt: gezielt erschossen

Doch während sich viele Umweltschützer freuen, sehen andere Menschen den Wild- und Schafbestand bedroht. Mindestens einer hat inzwischen zur Waffe gegriffen, angelegt und einen Wolf erschossen, bestätigte der Sprecher des Umweltministeriums, Jens-Uwe Schade. Getroffen hat es eine bereits am 15. August in der Rochauer Heide am Rande des Spreewaldes tot gefundene Wölfin. Bei der Obduktion im Leibnitz-Institut für Zoo und Wildtierforschung (IZW) in Berlin wurden Geschossteile gefunden. Die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e. V. verurteilt den Abschuss des streng geschützten Tieres und hat Strafanzeige erstattet. Nach Angaben der Gesellschaft unterliegen Wölfe nicht dem Jagdrecht. Dennoch seien seit 1990 allein in Brandenburg vier von ihnen, in Mecklenburg- Vorpommern und Bayern je einer erschossen worden. Die Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Wölfe wird auf 35 bis 40 Tiere geschätzt. In West- und Mitteleuropa ist der Wolf weitgehend ausgerottet worden. Restbestände existierten bis zum Beginn des natürlichen Wiedereinwanderungsprozesses nur noch in Westeuropa, in Portugal und Spanien sowie in Südost- und Osteuropa.

"Die Wölfe kommen von allein"

Etwa seit dem 14. Jahrhundert gibt es Berichte über Wölfe in Deutschland, vornehmlich in Sachsen. Nicht nur dort stellten Jäger den vielfach verhassten Tieren aber so lange nach, bis das letzte Exemplar 1904 getötet und die Art hierzulande ausgerottet wurde. Inzwischen kommen einige Tiere aus Polen wieder über die Grenze. "Die Wölfe kommen von allein, wir setzen sie nicht aus", sagt Schade. Nicht alle Menschen sehen die Rückkehr der Tiere mit Freude. Jäger hätten behauptet, dass ihnen die Wölfe das Wild wegfräßen, sagt Schade - "es gibt da viele Stammtischdiskussionen". Das Ministerium hätten sogar Anfragen von Eltern erreicht, die wissen wollten, ob ihre Kinder noch draußen spielen könnten oder ob das zu gefährlich sei. Das Argument einiger Jäger, dass ihnen irgendwer das Wild "wegfresse", kann Schade überhaupt nicht nachvollziehen.

Schließlich sei es Aufgabe der Jäger, das Wild in der vom Menschen vollkommen veränderten Naturlandschaft zu dezimieren. Nichts anderes tun die Wölfe - natürlicherweise. "Angesichts der Höhe der Schalenwildbestände, die durch die brandenburgische Jägerschaft nur mit Mühe unter Kontrolle gehalten werden können, ist das natürliche Nahrungsangebot so gut, dass Konflikte mit Haustieren nur ausnahmsweise zu erwarten sind", heißt es beim Ministerium. Zum Schalenwild zählen beispielsweise Rehe und Hirsche. Übergriffe der Wölfe auf Haustiere würden die große Ausnahme bleiben, könnten aber nicht völlig ausgeschlossen werden. Elektrozäune oder Herdenschutzhunde böten einen sehr effektiven Schutz dagegen. Der Deutsche Jagdschutz-Verband (DJV) verurteilte den Abschuss des streng geschützten Wolfs und setzte für sachdienliche Hinweise eine Belohnung von 1000 Euro aus. "Die Jägerschaft ist für eine natürliche Einwanderung von Wölfen. Mögliche Konflikte lassen sich nicht mit illegalen Abschüssen lösen, sondern mit Managementplänen", sagte der Präsident des Landesjagdverbandes Brandenburg und DJV-Vizepräsident Wolfgang Bethe. "Wir setzen uns für ein Zusammenleben von Menschen und Wölfen in Deutschland ein", sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Die Rückkehr war eine Sensation

Etwa 150 Jahre lang galt der Wolf in Deutschland als ausgerottet. Es war eine Sensation, als im Jahr 2000 auf dem Truppenübungsplatz in der Muskauer Heide in Sachsen erstmals Wolfsnachwuchs geboren wurde. Gerd Schumann spricht von einem "augenblicklichen Phänomen", dass sich wieder Rudel bilden, die Junge aufziehen. Und erst im Juli bestätigte sich, dass eine offenbar seit 2006 in Südbrandenburg lebende Wölfin mit ihrem Partner in der Zschornoer Heide für Nachwuchs gesorgt hat. Wie viele Welpen dort geboren wurden, ist bislang nicht bekannt. Anders in Ostsachsen, wo 2007 Spuren einer dritten Wolfsfamilie entdeckt wurden. In den beiden Rudeln, die in der Muskauer Heide leben, kamen jeweils vier Welpen zur Welt. Die Familie in der Neustädter Heide weiter westlich habe sogar acht Junge bekommen, berichtet Ilka Reinhardt vom Wildbiologischen Büro Lupus. Damit wurden in sieben Jahren mehr als 50 Wölfe in der Region geboren.

Eigenes Revier in sicherer Entfernung

Wo der Nachwuchs heute lebt, ist unklar. Im zweiten Jahr nach der Geburt werden Jungwölfe geschlechtsreif und verlassen das elterliche Rudel.

"Studien belegen, dass Wölfe bis zu 1100 Kilometer wandern können", sagt Jana Schellenberg vom Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz in Rietschen. Im Durchschnitt lassen sie sich 50 bis 100 Kilometer entfernt vom elterlichen Territorium nieder. Moderne Technik soll jetzt helfen, die Wanderung der Tiere aus Sachsen nachzuvollziehen. Sechs Satelliten-Sender liegen bereit, um Jungwölfen angelegt zu werden. Erste Versuche scheiterten allerdings. Bei einer Jagd im Winter gingen keine Tiere ins Netz. Deshalb wurden nun 16 Fußfallen in der Neustädter Heide ausgelegt. "Das ist eine Geduldsfrage und mit Aufwand verbunden, denn die Fallen müssen alle drei Stunden kontrolliert werden", sagt Schellenberg.

Neue Lebensräume?

Nach Einschätzung der Experten von Lupus könnten sich Wölfe in etlichen Gegenden Deutschlands heimisch fühlen. Unter anderem in der Lüneburger Heide, im Schiefergebirge und im Thüringer Wald. Ballungsräume würden die Wölfe dagegen meiden. Viel Platz für den Einwanderer bietet auch Mecklenburg-Vorpommern mit ausreichend störungsarmen und wenig genutzten Flächen. "Bisher gibt es jedoch nur Nachweise für sogenannte Wechselwölfe", sagt Kay Schmekel, Sprecher des Umweltministeriums in Schwerin. Sie kämen aus Polen über die Grenze. In der Lübtheener Heide im Landkreis Ludwigslust etwa wurde im November 2006 ein frei lebender Wolf gesehen.

Anett Böttger, dpa

Quelle: ntv.de

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