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Faule Amerikaner Keine Lust auf Drahtesel

"I want to ride my bicycle, I want to ride my bike!" sang der Brite Freddie Mercury mit Queen noch vor einigen Jahren – doch außer Lance Armstrong scheint sich keiner mehr für das gute alte Zweirad zu interessieren.

Bei der Tour de France fuhr der US-Profi von Triumph zu Triumph. An den US-Tankstellen schimpfen die Amerikaner über die höchsten Benzinpreise aller Zeiten. Wäre es da nicht an der Zeit, mal aufs Rad umzusteigen?

Aber weder der US-Star auf dem Rad noch die explodierenden Kosten für die Benzin schluckenden US-Karossen haben die Amerikaner bisher zum Umsteigen aufs Fahrrad verführt. Nun will die US-Regierung nachhelfen -die USA sollen fahrradfreundlicher werden.

"Ärgern sie sich über die hohen Benzinpreise? Dann fahren sie doch mit dem Rad", wirbt der Verband der Fahrradfahrer "League of American Bicyclists" beschwörend. Vor allem nach den Hurrikans "Katrina" und "Rita" schossen die Benzinpreise hoch: Mit etwa 64 europäischen Cent kostet ein Liter Normalbenzin fast doppelt so viel wie vor einem Jahr. Aber die meisten Amerikaner bleiben Fahrrad-Muffel.

Lediglich jeder Dritte fuhr in den vergangenen zwölf Monaten laut US-Branchenverband "Bikes Belong" zumindest ein Mal mit dem Fahrrad. Deutsche beispielsweise radeln im Jahr statistisch gesehen etwa zwölf Mal so viel wie Amerikaner, stellte eine Studie der Rutgers University in New Brunswick fest (Bundesstaat New Jersey).

"Bikes Belong" rechnet damit, dass in diesem Jahr mit rund 20 Millionen Rädern etwa drei bis vier Prozent mehr Drahtesel in den USA verkauft werden als 2004. "Für uns ist das eine enorme Steigerung", sagt Verbandsdirektor Tim Blumenthal.

Auch der größte US-Radfahrer-Verband, die "League of American Bicyclists", wartet noch vergeblich auf einen echten Fahrrad-Boom. Etwa 42.000 Radler gehören dem Verein nach eigenen Angaben an -allein der "Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club" hat nach eigenen Angaben rund 110 000 Mitglieder.

"Nur wo das Radfahren als normal angesehen wird, machen es die Menschen auch", erklärt der Verkehrsexperte John Pucher von der Rutgers University. "In den USA gibt es einfach keine Tradition, das Fahrrad im Alltag praktisch zu nutzen." Wer es trotzdem macht, gilt nach Meinung des Wissenschaftlers meist als zu arm, um sich ein Auto leisten zu können. Damit sich das ändert, dürften Politiker und Juristen Radfahrer nicht länger als Randgruppe ansehen.

Bislang gab es in den USA nur wenig Mittel für Radfahrer -das allerdings scheint sich nun zu ändern. US-Präsident George W. Bush unterschrieb kürzlich ein Gesetz, das erstmals in großem Umfang Geld für Radwege sowie Werbekampagnen zu Gunsten "unmotorisierter Infrastruktur" bereitstellt. So sollen im Rahmen eines Pilotprojekts die Städte Columbia (Bundesstaat Montana) und Minneapolis-St.Paul (Minnesota) sowie die Landkreise Marin County (Kalifornien) und Sheboygan County (Wisconsin) bis 2009 für insgesamt 100 Millionen Dollar (rund 83 Millionen Euro) besonders fahrradfreundlich gestaltet werden.

Zudem sollen 612 Millionen Dollar investiert werden, damit mehr Kinder und Jugendliche mit dem Rad zur Schule fahren. Das Geld soll für neue Radwege sowie verstärkte Aufklärung über die Vorzüge des Radfahrens zur Verfügung stehen. Denn noch immer stauen sich vor US-Schulen jeden Morgen und jeden Mittag Hunderte von Autos, mit denen Eltern ihre Kinder abholen. "Diese Mittel werden die Autofahrer in diesem Land kaum bekehren, aber vielleicht gibt es einen Fahrrad-Boom, wenn es in einer oder zwei großen Städten erfolgreiche fahrradgerechte Verkehrssysteme gibt", sagt Pucher.

Quelle: ntv.de

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