Gefährliche Spanische Grippe Krankmacher identifiziert
05.01.2009, 08:55 UhrForscher haben möglicherweise das entscheidende Gen gefunden, das die Spanische Grippe von 1918 so gefährlich werden ließ. Die Erbanlage sorgte dafür, dass sich das Virus schnell und besonders in den unteren Bereichen der Lunge vemehren konnte, wie eine Gruppe um Yoshihiro Kawaoka von der Universität Madison (US-Staat Wisconsin) berichtet. Ihre Studie ist in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften nachzulesen ("PNAS").
Beispiellose Epidemie
Die Grippe-Pandemie von 1918 war beispiellos und ist es bis heute geblieben. 500 Millionen Menschen, damals etwa 30 Prozent der Erdbevölkerung, waren betroffen. Noch in den letzten Winkeln des Planeten starben die Opfer, es gab zwischen 20 und 50 Millionen Tote. Die große Mehrzahl der Menschen starb an einer Lungenentzündung, die direkt auf die ungewöhnlich aggressiven Viren zurückging. Wie viele andere Wissenschaftler wollen Kawaoka und seine Kollegen wissen: Was machte das Virus so gefährlich? Das Genom des Erregers ist bekannt, es wurde aus tiefgefrorenen Leichen isoliert und sequenziert.
Andere Gruppen hatten den gefährlichen Erreger daraufhin bereits wiederauferstehen lassen, streng kontrolliert. Auch auf Basis dieser Daten machte sich die Gruppe an die Arbeit. In einem Sicherheitslabor der zweithöchsten Kategorie (Stufe drei) setzen sie einzelne Gene des Erregers von 1918 in ein Grippevirus aus heutiger Zeit ein und prüften, welche dieser Varianten Frettchen infizieren konnten. Diese Tiere werden verwendet, weil ihre Atemwege und Lungen für die Grippe und ihre Ausbreitung ähnlich anfällig sind wie jene des Menschen und daher ein besonders gutes Modell abgeben.
Herab bis in die Lunge
Fast alle der neu kombinierten Viren breiteten sich nur im Bereich der Nase aus und verursachten keine Lungenentzündung. Dies gilt auch für die meisten Grippe-Erreger heutiger Tage. Einer der zusammengebauten Erreger hingegen infizierte auch die oberen Atemwege und die Lungen der Frettchen. Er enthielt das Gen für ein Enzym namens RNA-Polymerase, mit dessen Hilfe der Erreger seine Erbsubstanz und damit sich selbst vermehrt. Je mehr Viren vorhanden sind, umso mehr von ihnen entgehen der körpereigenen Abwehr und schaffen es herab in die tieferen Bereiche der Atemwege und schließlich in die Lunge, erklären Kawaoka und seine Kollegen.
Dies könnte den fatalen Seuchenzug erklären. Bereits Anfang 2007 hatten Mitglieder des japanisch-amerikanischen Forscherteams das Influenza-A-Virus von 1918 genetisch komplett nachgebaut und damit Primaten infiziert. Dort sorgte das Virus für eine Überreaktion des Immunsystems der Opfer, das daraufhin das Lungengewebe zerstörte, hieß es seinerzeit im Journal "Nature".
Diese Studie könne erklären, warum ausgerechnet junge Erwachsene in ihren 20er und 30er Jahren am schwersten unter der Spanischen Grippe zu leiden hatten, heißt es dort weiter. Junge Menschen dieses Alters haben generell das stärkste Immunsystem, das ihnen in diesem Fall mehr geschadet als genutzt habe. Ihre Abwehrkräfte hätten mehr Lungengewebe zerstört als diejenigen von Kindern oder alten sowie kranken Menschen mit schwächerem Immunsystem.
Quelle: ntv.de