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Was ist dran? Kritik am H1N1-Impfstoff

Die Kritik an der Massenimpfung gegen Schweinegrippe wird immer lauter: Von unkalkulierbaren Nebenwirkungen und einer Zwei-Klassen-Medizin ist die Rede.

Bei vielen Menschen ist wieder eine Sorge vor Gesundheitsschäden durch Impfungen im Allgemeinen aufgekommen.

Bei vielen Menschen ist wieder eine Sorge vor Gesundheitsschäden durch Impfungen im Allgemeinen aufgekommen.

(Foto: REUTERS)

Ab 26. Oktober können in Deutschland die ersten Menschen gegen Schweinegrippe geimpft werden. Dafür hatte die Bundesregierung bei dem Pharmakonzern GlaxoSmithKline 50 Millionen Impfdosen bestellt. Sie sollen für mehr als ein Drittel der Bevölkerung reichen. Dieser Impfstoff ist aber verstärkt in die Kritik geraten. Für weitere Verunsicherung sorgt dabei, dass es für die Mitglieder der Bundeswehr einen anderen Impfstoff geben soll. Regierungsmitglieder bekommen nach Auskunft eines Regierungssprechers denselben Impfstoff wie die Bevölkerung.

Was wird eigentlich genau kritisiert?

Die Verteilung des Schweinegrippe-Impfstoffes auf die einzelnen Bundesländer läuft auf vollen Touren.

Die Verteilung des Schweinegrippe-Impfstoffes auf die einzelnen Bundesländer läuft auf vollen Touren.

(Foto: dpa)

Einige Mediziner haben in den vergangenen Wochen vor angeblich unkalkulierbaren Nebenwirkungen bei den von der EU zugelassenen Impfstoffen Pandemrix vom Pharmahersteller GlaxoSmithKline und Focetria von Novartis gewarnt. Beide Impfstoffe enthalten Wirkstoffverstärker - sogenannte Adjuvanssysteme. Gegner kritisieren, dass die Wirkung dieser Adjuvanzien nicht ausreichend erforscht sei. Das "Arznei-Telegramm" beispielsweise kritisiert, dass Impfstoffe mit Adjuvanzien schlechter vertragen werden als Mittel ohne. Außerdem seien die Nebenwirkungen nicht ausreichend geklärt. Der Virologe Alexander Kekulé aus Halle hatte die Impfstoffe mit Verstärkerstoffen als "übertrieben" kritisiert.

"Übertriebene" Impfstoffe - Stimmt das?

Pandemrix besteht aus zwei Teilen.

Pandemrix besteht aus zwei Teilen.

(Foto: dpa)

Es stimmt, dass bei Tests an Erwachsenen einige von ihnen nach der Impfung Beschwerden hatten. Ein Großteil klagte zum Beispiel über Rötungen, Schwellungen und Druckschmerz an der Einstichstelle. Außerdem bekamen einige Kopfschmerzen, Fieber oder Gelenkschmerzen. Ansonsten verliefen diese Tests ohne schwerwiegende Nebenwirkungen. Daher wurden die Mittel auch von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) zugelassen. Auch Kekulé weist ausdrücklich darauf hin, dass alle Nebenwirkungen vorübergehend seien.

Ein minimales Restrisiko besteht aber dennoch. Schließlich wurde beispielsweise der Impfstoff Pandremix bisher nur an mehreren tausend Probanden getestet. Laut GlaxoSmithKline wurden mehr als 39.000 Probanden mit dem Adjuvans-verstärkten Impfstoff geimpft. Das sind im Vergleich zur Gesamtbevölkerung nicht sehr viele. Daher könnten unter Umständen seltene Nebenwirkungen unerkannt bleiben, die erst bei der Impfung von Millionen Patienten sichtbar werden.

Wozu sind die Adjuvanssysteme da?

Adjuvanzien sind Hilfsstoffe, mit denen die Wirkung des Impfstoffes verstärkt wird. Die Technik ist nicht neu, sondern wird auch bei vielen anderen Impfstoffen verwendet. Ein Adjuvanssystem hat dabei mehrere Effekte: zum einen verstärkt es die Wirkung des Impfstoffes im Körper. Es sorgt also dafür, dass der Impfstoff besser und länger wirkt.

Adjuvanzien helfen aber auch, dass die Menge des Impfstoffes pro Dosis verringert werden kann - eben weil sie die Wirkung des Impfstoffes verstärken. Das kann besonders bei Impfungen gegen drohende Pandemien wichtig sein. Schließlich können die Pharmahersteller innerhalb kurzer Zeit nur eine bestimmte Menge des Impfstoffes herstellen. Damit könnte nur eine bestimmte Anzahl von Menschen geimpft werden. Mit Hilfe des Adjuvanssystems kann die Impfstoffmenge jedoch so eingespart und "gestreckt" werden, dass sie für deutlich mehr Menschen reicht. Im Fall von Pandemrix spricht der Hersteller sogar davon, dass ohne Adjuvanzien nur ein Siebtel der bisher geplanten Impfdosen zur Verfügung stünde.

Ein Adjuvanssystem soll aber auch noch einen anderen Effekt haben: sollte sich das derzeit bekannte Virus verändern, könnten Adjuvanzien dem Impfstoff helfen, auch gegen die genetisch leicht veränderte Viren des gleichen Virusstammes zu schützen. Die Bundeswehr hat allerdings den Impfstoff Celvapan ohne Adjuvantien bestellt.

Warum kommt Celvapan ohne Adjuvanssystem aus?

Mit Hilfe von Hühnereiern wird ein Impfstoff gegen das Schweinegrippe-Virus H1N1 hergestellt.

Mit Hilfe von Hühnereiern wird ein Impfstoff gegen das Schweinegrippe-Virus H1N1 hergestellt.

(Foto: dpa)

Celvapan enthält ganze Viren, im Gegensatz zu den anderen Impfstoffen, die nur aus Virenteilen bestehen. Die Viren wurden aber inaktiviert (abgetötet), damit sie keine Erkrankung verursachen können. Um im Körper eine Immunantwort auszulösen, braucht der Impfstoff keine Adjuvanzien. Ohne Nebenwirkungen geht es aber auch bei Celvapan nicht: Bei mehr als einer von zehn geimpften Menschen wurden beispielsweise ebenfalls Schmerzen an der Injektionsstelle beobachtet. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte gibt zu bedenken, dass Celvapan bislang weder an Kindern noch an Schwangeren getestet worden sei. Auch für Erwachsene lägen erst relativ wenige Daten vor.

Ein weiterer Unterschied: Pandemrix und Focetria werden wie für Grippe-Impfstoffe seit langem üblich mit Hilfe von Hühnereiern hergestellt, Celvapan aber wird auf Säugetierzellen (Vero-Zellen) gezüchtet.

Quelle: ntv.de, Aliki Nassoufis, dpa

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