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Die Ökonomie des Hirns Monotonie führt zu Fehlern

Langweilige und monotone Arbeiten versetzen das Hirn in eine Art Ruhezustand, der die Wahrscheinlichkeit von Fehlern erhöht. Diese kündigen sich bis zu 30 Sekunden vorher an - und lassen sich damit vielleicht rechtzeitig für eine Warnung nachweisen. Dies berichten Forscher um Tom Eichle von der Universität im norwegischen Bergen in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften.

Die Wissenschaftler, darunter Markus Ullsperger am Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln, entwarfen für ihre Probanden einen wahrhaft monotonen, langweiligen, ja nervigen Test. In der Mitte eines Bildschirms erschien sehr kurz, für nur 30 Millisekunden, ein jeweils in eine bestimmte Richtung weisender Pfeil. Die 13 Versuchspersonen (22 bis 29 Jahre alt) sollten daraufhin so schnell wie möglich die rechte oder linke Antworttaste drücken - je nach Richtung des gezeigten Pfeils.

Das erscheint leicht, aber: Ober- und unterhalb des zu betrachtenden Pfeils wurden ebenfalls Pfeile dargeboten, um die Versuchsperson stark abzulenken. Zeigen diese zusätzlichen Reize in dieselbe Richtung, unterstützen sie die richtige Reaktion. Weise sie aber in die entgegengesetzte Richtung, so stören sie massiv und führen immer wieder zu Fehlern. Während die Probanden also angestrengt und so schnell als möglich Pfeile drückten, spähten ihnen die Wissenschaftler ins Gehirn. Dieses Verfahren namens funktionelle Magnetresonanz-Tomographie (fMRI) deckt auf, welche Bereiche des Hirns wie aktiv sind oder ruhen. Die Forscher beobachteten mit Hilfe von Kernspintomographen, wie viel Sauerstoff in einzelnen Bereichen des Gehirns verbraucht wird. Dort, wo das Gehirn aktiviert wird, steigt der Sauerstoffverbrauch. Dadurch konnten räumliche Aktivierungsmuster erstellt werden.

Mehr Aktivität im Ruhenetzwerk

Rückblickend zeigte sich, dass eine Gruppe von Hirnregionen, die die Aufmerksamkeit aufrechterhalten, etwa 30 Sekunden vor dem Fehler ihre Aktivität verringerte. Damit nicht genug: Außerdem stieg die Aktivität in einem Ruhenetzwerk (Default Mode Netzwerk, DMN). Eichle und seine Kollegen fassen das wie folgt zusammen: Das Hirn driftete bei der monotonen Pfeildrück-Aufgabe von "fleißiger, motivierter Beteiligung" in einen Geisteszustand der Ruhe. Weiter zeigten die Resultate, dass Fehler keinesfalls Resultat zufälliger Schwankungen der Hirnaktivität seien.

Die daraus folgende Deutung der Forscher: Das Hirn bemühe sich, wiederkehrende Aufgaben mit so wenig Aufwand wie möglich zu erledigen. In diesem Zug zur Ökonomie werde der Aufwand zuweilen zu sehr reduziert - dann sind Fehler die Folge. Es könne von großem Wert sein, solche Hirnaktivitäten mit einem Gerät zu überwachen und dessen Träger rechtzeitig zu warnen.

Haube für Fließbandarbeiter?

"Das könnte helfen, menschliche Fehler, vor allem bei monotonen Arbeiten, zu vermeiden." Vielleicht ließe sich künftig eine Haube bauen, die Hirnströme von Fließbandarbeitern überwacht und im Fall der Fälle warnt, erklärte Ullsperger. "Sinnvoll wäre so etwas aber sicher nur bei wirklich monotonen, stark beanspruchenden Tätigkeiten mit hoher Verantwortung." Noch lasse sich die Hirnaktivität nicht mit ausreichender Sicherheit in "konzentriert" oder "fehleranfällig" unterscheiden.

An der Studie beteiligt war auch Yves von Cramon vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Dieses hatte kürzlich einen Weg gefunden, einfache Entscheidungen von Menschen vorherzusagen, noch bevor sich die Betroffenen darüber bewusst sind. Die Resultate finden sich im Journal "Nature Neuroscience". Allerdings ist die Trefferquote noch nicht sehr hoch. Auch diese Vorhersage wurde möglich, weil die sich anbahnenden Entscheidungen Stoffwechselvorgänge im Gehirn auslösen, die sich mit der fMRI zeigen lassen. Die - allerdings nur in 60 Prozent der Fälle richtigen - Vorhersagen könnten bis zu zehn Sekunden vor dem Zeitpunkt gemacht werden, an dem sich Menschen bewusst zu entscheiden glauben.

Quelle: ntv.de

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