Ergänzung zur Schulmedizin Naturheilmittel im Trend
02.01.2009, 11:13 UhrGegen den Schnupfen ein Kamille-Dampfbad und bei Magenbeschwerden einen Fencheltee: Mehr oder weniger bewusst hat wohl fast jeder schon zu pflanzlichen Heilmitteln gegriffen. Der Einsatz von Heilpflanzen soll die Selbstheilungskräfte des Körpers unterstützen - oft im Zuge einer Selbstmedikation, mit zunehmender Tendenz aber auch bei schulmedizinischen Behandlungen.
"Der Trend geht in Richtung Integration, die Patienten wünschen so viel Naturheilverfahren wie möglich, um die Nebenwirkungen herkömmlicher Therapien zu reduzieren", sagt Gustav Dobos, Professor für Naturheilkunde und Integrative Medizin an der Universität Duisburg-Essen. Naturheilverfahren gewinnen auch nach Einschätzung des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren (ZAEN) in Freudenstadt (Baden-Württemberg) an Bedeutung - gerade für Allergiker und chronisch Kranke. Dobos sieht in der ergänzenden Behandlung chronisch Kranker gar eine "neue Domäne" der Naturheilkunde.
Gute Ergänzung
"Wir wollen die Schulmedizin nicht verdammen - Naturheilverfahren sind kein Ersatz dafür. Aber man hat mehr Erfolg, wenn man zweigleisig fährt", sagt die Allgemeinmedizinerin und ZAEN-Sprecherin Christel Papendick und nennt ein Beispiel: "Jedes Mal, wenn ich einem Patienten Antibiotika gebe, verordne ich gleichzeitig ein darmstabilisierendes Medikament."
Denn der Körper könne nicht unterscheiden, ob das Antibiotikum gegen Streptokokken im entzündeten Hals oder gegen die Coli-Bakterien im gesunden Darm wirken soll. Mit einem ergänzenden naturheilkundlichen Präparat werde die Darmflora geschützt. Auch bei schweren Krankheiten können Pflanzen helfen: Bei Rheuma etwa hat sich wegen der entzündungshemmenden Wirkung Teufelskralle bewährt, Eibisch wird in der Tumor-Therapie eingesetzt, Extrakte aus dem giftigen Fingerhut sind in manchem Herzmedikament enthalten.
Jahrhundertealte Tradition
Traditionell aber richten sich pflanzliche Heilmittel vor allem gegen sogenannte Befindlichkeitsstörungen - also leichte Erkrankungen, die sich ohne Arzt behandeln lassen. Als Wegbereiter der Kräuterheilkunde gilt die Klostermedizin, wie sie vom frühen Mittelalter bis ins 15. Jahrhundert hinein in Europa verbreitet gewesen sei, erklärt Dobos. Die Benediktinernonne Hildegard von Bingen (1089 bis 1179) ist eine der bekanntesten Vertreterinnen, und auch heute noch gibt es Klostergärten, die sich damit befassen.
"Für nahezu alle Krankheiten gibt es etwas, was das Leiden lindert und die Heilung beschleunigt", sagt Johannes Gottfried Mayer von der Forschungsgruppe Klostermedizin der Universität Würzburg. Schon vom 13. Jahrhundert an sei etwa Weidenrinde gegen Fieber und Schmerzen verabreicht worden. Im 19. Jahrhundert entdeckten Forscher dann den Wirkstoff in der Pflanze: Acetylsalilcylsäure (ASS), die auch heute in vielen Schmerzmitteln steckt.
Symphatie für Pflanzen
Das nach Mayers Ansicht stetig wachsende Interesse an den sogenannten Phytopharmaka begründet sich zum einen so: Viele Menschen bezweifelten inzwischen, dass allein Mittel aus hochtechnisierten Laboren alle gesundheitlichen Probleme lösen können. Heilgewächse dagegen würden als "ästhetisch" empfunden, jeder könne sich darunter etwas vorstellen. "Die Pflanze hat etwas Sympathisches", sagt er. Aber auch der Kostenaspekt spielt eine Rolle: "Das Wirkstoffgemisch einer Heilpflanze chemisch herzustellen, wäre sehr teuer." So habe zum Beispiel die Kamille sekundäre Pflanzenstoffe entwickelt, um sich gegen Pilze, Viren und Bakterien zur Wehr zu setzen - das nutze auch dem Menschen bei der Anwendung.
Hinzu komme, dass für die Selbstmedikation nur nahezu nebenwirkungsfreie Mittel eingesetzt werden. Das macht sie allgemein gut verträglich. "Das Mild-Wirksame der Pflanzen ist das Interessante, vor allem in der Kinderheilkunde", sagt Mayer. Zum Beispiel sei Fenchel - die Arzneipflanze des Jahres 2009 - oft das erste Arzneimittel, das ein Säugling bekomme - gegen Blähungen. Problematisch können pflanzliche Mittel genau für jene sein, die sehr von ihnen profitieren können: die Allergiker. Korbblütler wie Arnika oder Ringelblume haben ein hohes allergenes Potenzial und sollten daher nur vorsichtig verwendet werden.
Quelle: ntv.de, Nina C. Zimmermann, dpa