Treffen in China Netzwerke im Naturschutz
27.10.2006, 11:13 UhrVogelgrippe, Klimawandel, bedrohte Arten und verschmutzte Gewässer: Wenn Seen-Schützer aus aller Welt nächste Woche in China zusammenkommen, stehen der globale Raubbau an der Natur, Wege zu einer Ressourcen schonenden Landwirtschaft, die Gefahren durch eine mögliche Ausbreitung des aggressiven Erregers H5N1 und neue Einkommensquellen für die arme Landbevölkerung im Fokus. Schauplatz der internationalen 11. "Living Lakes"-Konferenz vom 30. Oktober an ist der Poyang-See in Jiangxi als einer der ärmsten Provinzen Chinas. Der größte Süßwassersee Chinas, der zugleich an einem der wichtigsten Reisanbaugebiete des Landes liegt, gehört Umweltorganisationen zufolge im Hinblick auf die Artenvielfalt zu einem der bedeutendsten Orte der Welt.
Zugleich soll die Tagung in Nanchang "Chinas erstarkende Naturschutzbewegung mit ihren vielen neuen, jungen Initiativen international unterstützen", erklärt Prof. Manfred Niekisch von der Weltnaturschutzunion (IUCN). "Diese jungen Gruppen haben mit einer starken Gegenströmung zu kämpfen, auch wenn einige Politiker den Naturschutz plötzlich als wichtiges Anliegen ansehen", betont Niekisch, der an der Universität Greifswald die einzige Professur für Internationalen Naturschutz im deutschsprachigen Raum innehat. "Im Zeitalter der Globalisierung sind internationale Netzwerke auch im Naturschutz wichtig."
Wenn es in der wirtschaftlich rasant aufstrebenden Volksrepublik mit 1,3 Milliarden Menschen zu Chemieunfällen, Umweltkatastrophen oder Umweltverschmutzungen komme, habe das auch globale Auswirkungen. Durch Umweltschäden entstehen in China jährlich geschätzte Kosten in zweistelliger Milliarden-Euro-Höhe. Deutschland als eines der führenden Länder in der Umwelttechnologie sei bei der Vermittlung von Knowhow gefragt, betont der Experte, der bei der Tagung am Poyang die IUCN vertreten wird, der weltweit 1000 Regierungs-wie nicht-staatliche Organisationen (NGO) angehören.
Dem Poyang-See am Unterlauf des Jangtse-Stroms machen Pestizide aus Landwirtschaft, ungeklärte Haushaltsabwässer sowie saisonale Überflutungen und Austrocknen der Feuchtgebiete schwer zu schaffen, erklärt der Global Nature Fund (GNF/Radolfzell) als einer der Konferenzveranstalter. "Der See ist noch in einem relativ guten Zustand, ist aber sehr anfällig", betont GNF-Geschäftsführer Udo Gattenlöhner. Ohne Schutzmaßnahmen könne der See jedoch umkippen. Mehr als 300 Vogelarten leben dort, 54 davon stehen auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten.
So überwintert fast die gesamte Weltpopulation des seltenen Schneekranichs am Poyang. Sie finden dort aber immer weniger intakte Feuchtgebiete, kommen in dem überfischten See kaum noch an Nahrung und werden weiter gejagt, da Wasservögel zum dortigen Speiseplan gehören. "Wichtig ist die Ernährungssicherung. Eltern haben natürlich kein Interesse am Tierschutz, wenn ihre Kinder hungern. Wir müssen Umweltschutz immer an Armutsbekämpfung koppeln", erklärt Gattenlöhner. Auch am Poyang wurden bereits zinslose Kleinstkredite über 200 Dollar vergeben, ähnlich dem Modell des diesjährigen Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus aus Bangladesch und seiner Bank für die Ärmsten.
Bei der viertägigen "Living Lakes"-Konferenz, bei der auch die Provinzregierung von Jiangxi mit im Boot ist, nehmen mehr als 160 Experten aus über 40 Ländern teil, darunter auch vom Bundesamt für Naturschutz, von der UN-Konvention zum Schutz ziehender Arten (CMS) oder der Weltlandwirtschaftsorganisation (FAO). Auch die Vogelgrippe wird ein wichtiges Thema sein. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen dem Rückgang von Flachwasserzonen, dem Verlust von Zugvogel-Lebensräumen und der Zunahme von Vogelgrippefällen sowie dem Risiko für Menschen, sagt Gattenlöhner. "Die Vögel weichen aus und rücken näher an Menschen und ihre Haustiere heran."
Quelle: ntv.de