"Höchste Zeit, dass sich etwas bewegt" Organspenden retten Leben
04.06.2011, 09:45 UhrDass SPD-Fraktionschef Steinmeier seiner Frau eine Niere spendete, brachte ihm viel Respekt ein. Seitdem setzt er sich auch für die Einführung einer Pflichtbefragung ein, um die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Denn hier hinkt Deutschland gewaltig hinterher. Es ist Zeit, nicht nur am "Tag der Organspende" das sensible Thema anzugehen.
Organspende ist ein sensibles Thema. Kommt künftig jeder, der zu Lebzeiten nicht widersprochen hat, als Organspender infrage? Bei der Gesundheitsministerkonferenz in Frankfurt Ende des Monats soll dieser Vorschlag auf die Tagesordnung. Der Medizinische Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation, Günter Kirste, glaubt nicht daran, "dass sich die Politik an dieses heiße Thema heranwagt". "Aber es ist höchste Zeit, dass sich politisch etwas bewegt", sagte er zum "Tag der Organspende" am 4. Juni.
In einer Forsa-Umfrage im Auftrag einer Krankenkasse sprachen sich Ende Mai 41 Prozent der Deutschen für die sogenannte "Entscheidungslösung" aus: Jeder Bürger wird nach seiner Bereitschaft befragt, die Entscheidung für oder gegen die Spende wird in Dokumenten wie dem Führerschein vermerkt. 23 Prozent der Befragten waren für die "Widerspruchslösung": Jeder wird zum Spender, der zu Lebzeiten nicht eindeutig widersprochen hat. 33 Prozent bevorzugen die derzeit gültige "Zustimmungslösung": Nur Besitzer eines Organspendeausweises sind auch potenzielle Spender.
"Erweiterte Widerspruchslösung" vorgeschlagen

In der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Jena wird einem Spender eine Niere entnommen.
(Foto: dpa)
Derzeit warten rund 12.000 schwer erkrankte Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan. Alle acht Stunden müssen drei Menschen sterben, weil sie kein Organ bekommen können. Obwohl Umfragen zufolge drei Viertel der Deutschen bereit wären, ein Organ zu spenden, hat nur ein Viertel einen Ausweis, der diesen Willen dokumentiert. In allen anderen Fällen müssen die Verwandten entscheiden - und die sagen im Moment der Todesnachricht häufig Nein.
Um die Zahl der Spender zu steigern, wird zurzeit über eine Gesetzesänderung diskutiert. Die Gesundheitsminister von Hessen und Bayern, Stefan Grüttner von der CDU und Markus Söder von der CSU, sind für eine "erweiterte Widerspruchslösung": Alle Verstorbenen, die dem zuvor nicht widersprochen haben, können nach dem Hirntod zu Organspendern werden, aber die Angehörigen müssen vor der Entnahme gefragt werden.
Für eine Pflicht-Befragung ist der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier, der seiner Frau eine Niere gespendet hat. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder hat sich für die Entscheidungslösung ausgesprochen. CDU-Politiker Kauder hält es für möglich, dass das Thema noch in diesem Jahr auch den Bundestag beschäftigt.
"Strukturelle Probleme" lösen
Die Koordinierungsstelle für Organspenden (DSO) in Frankfurt hält das alles für gar nicht so entscheidend: "Eine Widerspruchslösung ist kein Allheilmittel", sagte Kirste. Damit bekomme man nicht zwangsläufig mehr Spender. Auch eine Entscheidungslösung, "für die sich sicher in der Bevölkerung wie in der Politik eher Mehrheiten finden lassen", helfe nur bedingt. Der Schlüssel zu mehr Organspenden liege woanders - bei "strukturellen Problemen": Die Kliniken melden zu wenig infrage kommende Spender, die Ärzte stecken zu wenig Energie in die Gespräche mit den Angehörigen, die Länder schauen den Kliniken zu wenig auf die Finger.
Die zentrale Veranstaltung zum "Tag der Organspende" findet in diesem Jahr in Frankfurt statt. Unter den Gästen ist auch Steinmeier: "Viele Menschen leiden, manche sterben, weil es nicht genügend Spenderorgane gibt. Wir müssen etwas unternehmen, damit sich dies ändert", sagte er vor dem Festakt in der Paulskirche. Er hat aber auch Hoffnung darauf, dass der Bundestag noch in diesem Jahr ein neues Transplantationsgesetz verabschiedet. Die Fraktionschefs aller Bundestagsparteien seien sich einig, durch eine Gesetzesänderung die Organspende-Bereitschaft der Bürger zu verbessern, sagte Steinmeier dem HR. Die Fraktionen hätten verabredet, einen überparteilichen Entwurf vorzulegen.
Quelle: ntv.de, Sandra Trauner, dpa