Wissen

Suche nach Alternativen Pappeln wachsen nach

Dieter Engelhardt aus dem bayerischen Werneck bei Schweinfurt ist die steigenden Energiepreise leid. Während die meisten Menschen ihre Kosten nur durch sparsames Heizen drosseln können, will sich der Baumaschinist den Rohstoff für ein warmes Zuhause selbst besorgen. Auf etwa 7000 Quadratmetern Land hat der 58-Jährige Stecklinge von Pappeln gesetzt. In etwa fünf Jahren will er ernten und das Holz zu Hackschnitzeln verarbeiten. Das reiche dann locker für den Eigenbedarf, sagt er. Der Vorteil gegenüber anderen Baumarten: Pappeln können regelrecht geerntet werden und wachsen nach dem Schneiden einfach wieder nach.

Suche nach Reserveholz

Auch das Bundesforschungsministerium geht davon aus, dass billiges Holz zum Heizen und für Biotreibstoffe in den nächsten Jahren verstärkt nachgefragt wird. Die Details klärt derzeit das vom Ministerium geförderte Vorhaben Dendrom. Geprüft wird, woher das qualitativ eher minderwertige Industrieholz kommen könnte. Wie bei Engelhardt könnte es der Anbau schnellwachsender Gehölze auf dem Feld sein, möglich sind auch Holzreserven aus dem Wald. Die Dendrom-Schwerpunktregionen liegen in Brandenburg: Die Landkreise Uckermark und Barnim im Norden, sowie Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz im Süden.

Konkurrenz mit anderen Bio-Energieträgern

Eines der vorläufigen Resultate: Solche Energiepflanzen haben Vorteile in Hinblick auf die Freisetzung klimaschädlicher Treibhausgase. Zu den möglichen Nachteilen zählen die Forscher die Versauerung des Bodens. Vor dem Hintergrund der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Flächen und der Konkurrenzsituation mit anderen biogenen Energieträgern zeigte sich, dass Agrarholz besonders bei der Stromerzeugung und der synthetischen Biokraftstofferzeugung überzeugt, heißt es bei Dendrom.

17 Institutionen aus Wissenschaft und Praxis sind beteiligt. Weitere deutsche Forschungsverbünde sind Agrowood (TU Dresden) und Agroforst (Universität Freiburg und Landschwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg). Sie alle wollen unter anderem klären, welche Reserven es beim Waldholz gibt und wie sie nachhaltig erschlossen werden können. Zudem soll geprüft werden, ob "neuer Wald" auf landwirtschaftlichen Flächen eine ökonomische und ökologische Perspektive hat.

Weitere Frage ist, ob Bäume auf Flächen anderer Biomasseproduktion konkurrieren können. Wie "Baumwirt" Engelhardt suchen derzeit auch andere bayerische Gemeinden nach Wegen, von Öl und Gas unabhängiger zu werden. Bei einem Modellprojekt in Kaufering (Landkreis Landsberg am Lech) soll das Holz einer Pappel-Plantage mit rund 30.000 Bäumen Öl als Energieträger ersetzen. Gut 6000 Liter Heizöl könnten eingespart werden; Hunderte Wärme-Abnehmer der Gemeinde sollen davon profitieren.

Naturschützer skeptisch Naturschützer sehen die neuen Energie-Wälder unterdessen mit Skepsis. Angesichts des Flächenverbrauchs in der Landwirtschaft dürften nicht weitere artenreiche Gebiete neuen Monokulturen weichen, sagt der Vorsitzende des Bundes Naturschutz, Hubert Weiger. Ersetze die Pappelkultur eine Mais-Monokultur, könne dies eine Verbesserung bedeuten. Auch als Auwälder in Flußauen seien energetisch genutzte Pappeln oder Weiden denkbar. Falle den Energiewäldern aber Grünland zum Opfer, schade das der biologischen Vielfalt. Auch müsse, anders als in einem echten Wald, gedüngt werden. "Wenn man alle fünf bis zehn Jahre erntet, führt das zu einem Zwang zu düngen, weil dem Boden erhebliche Nährstoffe entzogen werden", sagt Weiger. Auch die Bauern sind bisher zurückhaltend. Mit einem Pappelhain legt sich der Landwirt für 20 bis 30 Jahre fest, und wie sich die Nachfrage bei Holz entwickeln wird, ist nicht genau vorhersehbar. Ein Wechsel zurück zum Ackerbau ist aufwendig, die Wurzelstöcke der Bäume müssten mühsam entfernt werden, erläutert der Referent für Wald und Jagd im Bayerischen Bauernverband, Johann Koch. "Bei einem Feld kann man sich jedes Jahr neu entscheiden." Deshalb falle die Entscheidung für Energiepflanzen wie Raps, Mais oder Sudangras leichter. Angesichts des Klimawandels sei die Pappel aber eine pflegeleichte Alternative. "Sie ist ein Multitalent – sie ist eine Lichtbaumart und wächst fast überall."

Zwei Meter Wachstum pro Jahr

Auch im bayerischen Knetzgau (Landkreis Haßberge) wachsen seit vergangenem Jahr etwa 3000 Stecklinge zu Pappeln heran. "Der entscheidende Vorteil der Bäume ist, dass sie die am schnellsten wachsenden von allen Baumarten sind", erklärt Franz Eder vom Amt für Landwirtschaft und Forsten aus Schweinfurt. "Die wachsen im Schnitt zwei Meter pro Jahr in die Höhe." Schon drei bis fünf Jahre nach dem Setzen kann geerntet werden; das Holz wird in einem Häcksler zu Hackschnitzeln. Bereits im Mittelalter versorgten sich die Menschen über die Niederwaldwirtschaft mit Brennholz. Die Stämme von Erle, Eiche, Linde oder Hainbuche wurden alle 10 bis 30 Jahre zur Holzgewinnung abgeschlagen, um anschließend wieder nachzuwachsen, berichtet die vom Bund unterstützte Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe in Gülzow (Mecklenburg-Vorpommern). Seit 1976 werde dieser Ansatz in Deutschland wieder aufgegriffen. "Mit Pappeln und Weiden haben sich nicht nur die Baumarten geändert, auch die Ernteabstände sind kürzer geworden." Alle vier bis sechs Jahre wird geerntet. Über 20 Jahre können diese Baumarten bei drei bis vier Ernten genutzt werden. Weil die Hackschnitzel zur Hälfte aus Wasser bestehen, müssen sie vor dem Verbrennen noch getrocknet werden.

1 Hektar Pappeln, 15 Tonnen Trockenmasse

Aus einem Hektar Pappeln entstehen bis zu 15 Tonnen Trockenmasse. Wer ein etwa 150 Quadratmeter großes Einfamilienhaus heizen will, braucht nach Angaben der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) aus Freising etwa 1500 Liter Heizöl. Bei einem durchschnittlichen Preis von 0,95 Cent je Liter kostet das jährlich 1425 Euro. Heizt man dasselbe Haus mit Pappel-Hackschnitzeln, betrügen die Heizkosten etwa 550 Euro, sagt Eder. Doch die Anschaffungskosten für Hackschnitzel-Anlagen sind hoch. Sinnvoll seien sie für Bauhöfe, Betriebe oder größere Hauskomplexe, erläutert der LWF-Fachberater für Holzenergie, Florian Zormaier. Auch für einen Landwirt könne Pappelholz lohnenswert sein. Bei einem Einfamilienhaus "würde man eher eine Scheitholz- oder Pelletanlage installieren".

"Teller vor Tank"

Skepsis herrscht auch angesichts der Debatte "Teller vor Tank": Areale mit Energiewäldern fehlen für die Getreideproduktion, sagt Eder. Für den Naturschützer Weiger sind die Flächen in Deutschland ohnehin zu extensiv genutzt. "Bei umweltverträglicher Bewirtschaftung reichen die Flächen gerade aus, um ausreichend Nahrungsmittel zu produzieren." Nach Angaben des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) ist ein hoher Wassergehalt der gesamten Landschaft die bedeutendste Voraussetzung für eine rentable Plantage, weil schnell wachsende Bäume einen starken Wasserverbrauch haben. Die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge müsse mehr als 500 Millimeter betragen, von denen mindestens 300 Millimeter in der Vegetationszeit fallen. In niederschlagsarmen Regionen ist der Holzanbau nur möglich, wenn der Grundwasserspiegel entsprechend hoch ist, heißt es beim UFZ.

Als rentabel gelte Holzanbau, wenn pro Hektar mehr als acht Tonnen Holz pro Jahr wachsen. Weltweit aber arbeiten Wissenschaftler auch daran, das Potenzial transgener Bäume zu erforschen. Allein in Europa und den USA gab es bisher um die 400 Freisetzungsversuche. Auch in Deutschland werden verschiedene Anwendungsmöglichkeiten untersucht. In China sind transgene Pappeln bereits zur kommerziellen Nutzung freigegeben. Genau wie die gentechnisch veränderten Feldfrüchte sollen auch die Gehölze per Gentechnik resistent gegen Schädlinge und Krankheiten gemacht werden. Außerdem wollen Wissenschaftler verschiedene Eigenschaften wie den Cellulose- oder Ligningehalt der Bäume steigern. Eine weitere Möglichkeit wäre es, die Energiepflanzen schlicht größer werden zu lassen, um mehr Biomasse zu ernten. Bei Pappeln gelang das mit der Verstärkung der Gibberellin-Biosynthese, berichtete Miriam Sticklen von der Michigan State University in East Lansing (US-Bundesstaat Michigan im Journal "Nature Reviews | Genetics". Die Substanz gehört zu den Pflanzenhormonen (Phytohormone) und beeinflusst unter anderem das Längenwachstum. 2006 wurde mit der Pappel zudem erstmals das Genom eines Baumes im Detail entziffert.

Quelle: ntv.de, , dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen