Neue Therapiemöglichkeit Protein-Leine an HI-Viren
29.01.2008, 12:17 UhrWährend der große Killer HIV täglich etwa 6.800 Menschen neu infiziert, fahnden Grundlagenforscher nach Mitteln und Wegen, um die Verbreitung des Aidsvirus im Körper zu stoppen. Dabei hat eine Gruppe um Paul Bieniasz von der Rockefeller University in New York eine Art Leine entdeckt, mit dem menschliche Zellen neu entstandene Viren auf ihrer Oberfläche fest- und damit zurückhalten können. Womöglich, so lauten die Überlegungen der Forscher im Journal „Nature", ließe sich dieser Mechanismus so weit stärken, dass daraus eine neue Hilfe im Kampf gegen das Virus erwächst.
Wie andere Viren vermehrt sich auch HIV (humanes Immunschwäche-Virus) in der befallenen Zelle und muss daraus freigesetzt werden, um sich zu verbreiten. Bieniasz beschreibt nach seinen Experimenten mit zahlreichen infizierten Zellkulturen nun ein Protein namens CD317. Es sitzt in der die Zelle umhüllenden Membran und verhindert, dass sich die hervorquellenden Viren endgültig von der Oberfläche lösen. Mutmaßlich bindet sich CD317 dabei an die hervorknospenden, neuen Erreger, erklären die US-Forscher in „Nature. Als neuen Namen für CD317 wählten sie daraufhin „Tetherin - angelehnt an das englische Wort „tether für Leine, Gurt oder Spannseil. Mikroskopische Bilder einer mit Viren behängten Zelle erinnern an einen Tennisball, an dessen Oberfläche viele winzige runde Kletten haften.
Dieser vermutlich gegen Viren entwickelte Rückhalte-Mechanismus funktioniert im Falle von Aids allerdings nicht, weil er einen potenten Gegenspieler hat: Eines der Proteine von HIV sorgt auf noch unbekannte Weise dafür, dass die Leine versagt. Das fragliche Protein trägt den Namen Vpu. Aidsviren, in denen Forscher Vpu mit einem genetischen Trick ausgeschaltet haben, sammeln sich konsequenterweise an der Zelloberfläche. Scheinbar können sich Erreger ohne Vpu nicht von der nun beschriebenen Leine aus Tetherin lösen. In „Nature urteilen die Forscher daher: „Die Unterdrückung von Vpu und die konsequente Stärkung der antiviralen Aktivität von Tetherin ist eine potenzielle therapeutische Strategie gegen HIV/Aids.
In weiteren Experimenten zeigten Bieniasz und seine Kollegen, dass Tetherin und sein viraler Gegenspieler Vpu in der Zelle auch an genau denselben Stellen vorkommen - ein weiterer starker Hinweis auf einen „Zweikampf der beiden. Alles deute darauf hin, dass das Virenprotein den Schutzmechanismus der Zelle überwinden solle, um die Verbreitung der Erreger zu ermöglichen.
Dazu passen Resultate vorheriger Untersuchungen: Demnach sorgt Vpu dafür, dass zum Beispiel auch das Ebola-Virus besser von menschlichen Zellen freigesetzt wird. Das „Leinen-Protein, so heißt es in „Nature" weiter, könnte also Teil eines weit verbreiteten Virenabwehrprogramms der Zelle sein. In seinen nächsten Untersuchungen will das Team prüfen, auf welche Weise sich das Seil ans Virus heftet, welche Viren es zurückhält und wie es HIV mit seinem Vpu schafft, diesen Schutz zu unterlaufen. Vom möglichen Fernziel einer medizinischen Studie, gar am Menschen, ist in diesem frühen Zeitpunkt der Forschung keine Rede.
Quelle: ntv.de