Wissenschaft oder Aberglaube? Schatzsuche in Indien
06.07.2011, 16:32 Uhr
"Die Gottheit des Tempels ist mächtig, und viele, die sich ihren Regeln und Traditionen in der Vergangenheit widersetzt haben, haben gelitten."
Der Fund eines Tempelschatzes in Südindien beflügelt weltweit die Fantasien der Hobby-Archäologen. Nun soll die letzte verschlossene Kammer geöffnet werden. Experten hoffen auf mehr Gold und Edelsteine. Andere aber munkeln, dass auf dem Gewölbe ein Fluch liege.
Eine halbe Tonne Goldmünzen, Säcke mit Diamanten und eine fast eineinhalb Meter hohe Statue des Gottes Vishnu aus purem Gold - was in einem Gewölbe des eher unscheinbaren Sri-Padmanabhaswamy-Tempels in der südindischen Stadt Thiruvananthapuram entdeckt wurde, hatten selbst erfahrene Archäologen nicht zu träumen gewagt. Sechs Kammern befinden sich unter dem Vishnu-Tempel, der im 16. Jahrhundert von den Königen von Travancore errichtet wurde. Diese hatte das Gebiet des heutigen Unionsstaates Kerala über Generationen beherrscht. Zwei der Gewölbe wurden täglich geöffnet, zwei andere mehrmals im Jahr. Die beiden anderen waren nach Auskunft der Tempelverwaltung mindestens 150 Jahre lang verschlossen.
Bis Anfang Juli, als ein vom Obersten Gericht in Neu-Delhi eingesetztes Expertenteam die erste der beiden geheimnisumwitterten Kammern öffnete. Was die Männer in sechs Metern Tiefe fanden, muss ihnen die Sprache verschlagen haben. In den Gewölben lagerten neben Gold und Diamanten auch wertvolles Geschirr, antiker Schmuck in riesiger Stückzahl und vieles mehr.
15 Milliarden Euro wert?
Über den Wert dieses gewaltigen Schatzes wird seitdem eifrig spekuliert. Zahlen von bis zu einer Billion Rupien (rund 15 Milliarden Euro) geistern durch die indischen Medien. Doch offizielle Angaben gibt es bislang nicht. "Es wurden so viele wertvolle Gegenstände gefunden, dass die Zahlen stimmen können oder auch nicht", sagt B.K. Harikumar, ein Sprecher der Tempelverwaltung. "Wir werden uns aber nicht an den Spekulationen beteiligen, solange die Behörden noch mit der Bewertung der Funde beschäftigt sind." Frühestens in der nächsten Woche werde es ein Ergebnis geben.
Das Oberste Gericht ordnete die lückenlose Erfassung des Schatzes an. Demnach müssen alle Bestandteile fotografiert werden. Zudem wurden die Archäologen das Kulturministeriums aufgefordert, die Herkunft der zahlreichen Fundstücke festzustellen.
Fluch auf der Tempelkammer?
Allerdings könnten weitere wertvolle Objekte hinzukommen. Am Freitag wollen die staatlichen Schatzsucher darüber beraten, ob und wie sie in die letzte noch verschlossene Kammer vordringen können. Auch darin werden Schätze vermutet. Doch bislang sei es unmöglich gewesen, das Gewölbe zu öffnen, verlautete aus der Expertenkommission.
Es gibt aber noch einen weiteren Grund. Auf der verschlossenen Tempelkammer soll ein Fluch liegen. In Kreisen, die der ehemaligen Königsfamilie nahestehen, wird gemunkelt, dass am Zugang eine Schlange abgebildet sei. Das sei ein Omen, die Tür besser nicht zu öffnen, sagte der Informant. "Die Gottheit des Tempels ist mächtig und viele, die sich ihren Regeln und Traditionen in der Vergangenheit widersetzt haben, haben gelitten."
Stolz des Staates
Ungeachtet dessen hat die Regierung die Sicherheitsvorkehrungen rund um den Sri-Padmanabhaswamy-Tempel massiv verschärft. "Dieser Tempel ist der Stolz unseres Staates", sagte Oommen Chandy, der Ministerpräsident von Kerala. Gleichzeitig machte er deutlich, dass der Schatz auch in Zukunft im Besitz des Tempels bleiben soll.
Damit könnte Sri Padmanabhaswamy zum reichsten Hindu-Tempel des Landes aufsteigen. Bislang führt der Tirumala-Venkateswara-Tempel in Tirupati diesen inoffiziellen Titel. Nach indischen Medienberichten nimmt dieser Tempel im Unionsstaat Andhra Pradesh jährlich umgerechnet rund 100 Millionen Euro an Spenden ein, darunter mehrere hundert Kilogramm Gold- und Silberschmuck, den Gläubige in dem Gotteshaus zurücklassen. In Kerala wäre all das schon vorhanden.
Quelle: ntv.de, Stefan Mentschel, dpa