Ölreichtum mit schweren Folgen Sudans Brunnen verunreinigt
03.12.2008, 15:18 UhrSilvia Boolke zieht die rot-gelben Schutzhandschuhe über die Hände und schaut auf die ölig glänzende Wasserfläche in den südsudanesischen Sudd-Sümpfen. "Hier greife ich mit bloßen Händen nicht rein", sagt die deutsche Hydrogeologin, die im Sudan im Auftrag der Hilfsorganisation Hoffnungszeichen Wasserproben nimmt. Das Wasserloch, aus dem auch Vieh der umliegenden Dörfer getränkt wird, riecht muffig. Laboruntersuchungen zeigen später, dass der Anteil gesundheitsschädlicher Kohlenwasserstoffe den zulässigen Grenzwert fast um das 20-fache übersteigt.
Ein sudanesischer Helfer reicht Boolke Probenflaschen, die sie zügig füllt, am abschüssigen Hang kauernd. Es muss schnell gehen - an der etwa hundert Meter entfernten Straße hat gerade ein Lastwagen einer Ölgesellschaft gehalten. Misstrauisch blickt der Fahrer zu der kleinen Gruppe Europäer im Sumpfland herüber - ein seltener Anblick in dem abgelegenen Gebiet. Die Raffinerie von Thar Jath ist in dem flachen Gelände in Sichtweite.
Schlägereien vor den Tankwagen
"Bei einem Besuch im Februar haben viele Menschen über Gesundheitsprobleme geklagt", sagt Klaus Stieglitz, Vizechef der Organisation von Hoffnungszeichen, die seit Jahren Projekte im Südsudan betreut. Nun ist er zurückgekehrt, um Wasserproben von örtlichen Brunnen und den Oberflächenwassern untersuchen zu lassen. Es besteht der Verdacht, dass die Förderung des schwarzen Goldes aus den südsudanesischen Sümpfen gesundheitliche Gefahren für die Bevölkerung der umliegenden Dörfer mit sich bringt.
Der örtliche Verwaltungschef Peter Bol Ruot gibt sich zurückhaltend. Im Februar hatte er noch von mehr als tausend Krankheitsfällen und 30 Toten im Jahr 2006 gesprochen. "Ich weiß nicht, ob auch im vergangenen Jahr Menschen gestorben sind", weicht er Fragen aus. "Die Leute klagen zwar über das Wasser, aber ob es Probleme gibt, weiß ich nicht." Nach einigem Herumdrucksen gibt er zu, es seien ihm Fragen gestellt worden, warum er die Ölindustrie schlecht gemacht habe. Mehr will er nicht sagen.
In dem Dorf Rier in der Nähe der Raffinerie sind ganz andere Stimmen zu hören. "Ich benutze das Wasser an diesem Brunnen nicht", sagt die 18-jährige Tapita Nyah Gani und zieht ihr leuchtend blaues Tuch noch enger um den Kopf. "Es ist sehr salzig, man kann es einfach nicht trinken. Selbst wenn ich es nur zum Wäsche waschen benutze, ist es nicht gut. Die Kleidung geht schnell kaputt."
Die Bezirksverwaltung schickt Wassertanks nach Rier, da alle drei Brunnen des für den Bau der Raffinerie umgesiedelten Dorfes stark salziges Wasser haben. "Aber meist reicht das nicht", sagt der Dorfschullehrer Gatokot Pathot. "Wenn die Tankwagen kommen, gibt es sogar Schlägereien um das Wasser."
Salzhaltiges Abwasser
Die Laborwerte der Proben aus Rier haben es in sich: Der Salzgehalt beträgt rund 6400 Milligramm pro Liter. Der Grenzwert der US-Umweltbehörde EPA beträgt 500 Milligramm und wird so um das Zwölffache überschritten. Auch Strontium und Nitrate finden in dem Grundwasser in sechsmal höherer Konzentration als zugelassen. In anderen Dörfern in den Ölfeldern wurden ebenfalls Werte festgestellt, die das Wasser ungenießbar machen, wenn auch nicht so extrem hoch wie in Rier.
Die Organisation vermutet, dass salzhaltiges Abwasser der Raffinerie das Grundwasser verschmutzt hat. Bei der Ölförderung werden konzentrierte salzhaltige Lösungen in die Lagerstätten injiziert, um den Druck zu erhöhen, mit dem das Öl an die Oberfläche schießt.
Die Bevölkerung in der Region scheint doppelt gestraft: Zum einen profitieren sie nicht von dem Ölreichtum ihres Landes, zum anderen leiden sie unter der Umweltverschmutzung. Die Organisation Hoffnungszeichen denkt nun darüber nach, der Bevölkerung durch tiefere Brunnen Zugang zu sauberem Wasser zu verschaffen. Die sudanesische Regierung hat sich bislang nicht um die Frage gekümmert, inwiefern die eigene Bevölkerung unter der Ölindustrie leidet.
Quelle: ntv.de, Eva Krafczyk, dpa