Pfeifen oder Klingeln im Ohr Tinnitus ist schwer zu behandeln
07.09.2005, 09:30 UhrWer an Tinnitus leidet, hat immer ein Pfeifen oder Klingeln im Ohr. Ungefähr drei Millionen Deutsche haben diese Krankheit. "Sie müssen lernen, das Geräusch als unwichtig hinzunehmen", rät Gerhard Goebel von der Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee.
Vieles kann zu Schäden im Innenohr oder am Hörnerv führen und bei Menschen jeden Alters Tinnitus auslösen: Lärm, ein Hörsturz, hoher Blutdruck, oder auch Tumore oder Stress. Mehr als zwei Drittel der Fälle lassen sich laut Goebel aber auf Schwerhörigkeit zurückführen. "Man hört weniger und daher mehr in sich hinein", erklärt Birgit Mazurek vom Tinnituszentrum an der Berliner Uni-Klinik Charit.
Die Schäden im Hörsystem führen zu einer gestörten Aktivität in den Nerven der Hörbahn. Interpretiert das Gehirn diese Aktivität als Geräusch, beginnt der Tinnitus. Das Gehirn bewertet die scheinbaren Töne als unangenehm und verhindert so, dass sie überhört werden. "Das Ohrensausen entsteht im Gehirn", betont Goebel - Tinnitus sei deshalb "eine Art Phantomschmerz des Ohrs."
Manchen Betroffenen helfe ein aufklärendes Gespräch, sagt Helmut Schaaf, Oberarzt an der Tinnitus-Klinik in Bad Arolsen bei Kassel. Außerdem verschwindet akuter Tinnitus, so heißt das Ohrensausen in den ersten drei Monaten, in 60 bis 80 Prozent der Fälle von selbst. Im chronischen Stadium aber ist die Chance auf Spontanheilung gering.
Geplagte müssen rasch zum Arzt gehen: "Eine Heilung ist nur in den ersten drei Monaten möglich", warnt Birgit Mazurek. Zunächst nutzt der Arzt durchblutungsfördernde Mittel. "Wenn die Hörschnecke besser durchblutet wird, stellen die Hörzellen die "Hörsensationen", also den Tinnitus, wieder ein." Laut Goebel gilt vor allem: die Stille meiden. Ist die Ursache des Tinnitus bekannt, könne eine Therapie eingeleitet werden. So sollten Menschen mit einem Hörschaden ein Hörgerät tragen, dann nehmen die Umgebungsgeräusche zu, und das Ohrensausen steht nicht mehr im Vordergrund.
"Wenn man aber die Ursache nicht kennt, ist man den verschiedenen Ansätzen ausgeliefert", sagt Goebel. Wer sich jedoch mit immer neuen Therapien beschäftigt, konzentriere sich auf die Geräusche, sagt Anne Teterin von der Deutschen Tinnitus-Liga. Das könne zu Konzentrations- und Schlafstörungen sowie Depressionen führen. "Wer eine psychische Erkrankung hat oder entwickelt, sollte dringend eine Psychotherapie machen", rät Helmut Schaaf.
Als Erfolg versprechender Weg gilt laut Mazurek das "Retraining", bei dem Patienten gezielt das Weghören lernen. Langfristig biete die Gentherapie gute Aussichten für Schwerhörige mit Tinnitus. Im Tierversuch sei es schon gelungen, Hörzellen zu regenerieren. "Das ist ein ganz bahnbrechendes Ereignis. Vielleicht können wir damit in fünf bis zehn Jahren taube Patienten wieder hörend machen." Bis dahin gilt aber laut Schaaf als Grundsatz: "Man kann mit Tinnitus prima leben. Man muss es eben lernen."
Quelle: ntv.de