Jubel und fliegende Mützen "Urknallmaschine" LHC läuft wieder
23.11.2009, 11:18 UhrAngespannte Ruhe im Kontrollraum der größten Forschungsmaschine der Welt. Farbige Grafiken und Diagramme auf den Monitoren. Schließlich die erlösende Nachricht nach einem Jahr des Stillstands: Der erste Teilchenstrahl zirkuliert wieder in dem 27 Kilometer langen Ringbeschleuniger LHC bei Genf. Unter großem Jubel beschleunigen die Forscher am späten Freitagabend ihre Mützen in Richtung Decke, als ob sie eben ihr Examen bestanden hätten. Sie wollen mit ihrer rund drei Milliarden Euro teuren Anlage nichts weniger als dem Urknall so nahe zu kommen wie nie zuvor. Der LHC soll fundamentale Rätsel der Natur lösen und nahm den ersten Schritt dazu in der Nacht zum Sonnabend. "Es ist toll, dass der LHC samt Teilchenstrahl wieder läuft", so freute sich CERN-Direktor Rolf Heuer.

Große Erleichterung: LHC läuft wieder.
(Foto: AP)
Der "Large Hadron Collider" war zwar am 10. September 2008 mit einem Bilderbuchstart in Betrieb gegangen. Nur neun Tage später jedoch legte eine schwere Panne im Kühlsystem den unterirdischen Beschleuniger lahm. Eine lange Zeit der Reparatur folgte, zur offiziellen Eröffnung im Oktober vergangenen Jahres war die Anlage abgeschaltet. Die Arbeiten dauerten länger als zunächst erwartet. Erst nach mehr als einem Jahr wurde die "Urknallmaschine" nun wieder in Betrieb genommen. Vor diesem eher frustrierenden Hintergrund werden Jubel und fliegende Mützen vor der Phalanx der Kontrollmonitore verständlich. Die Forscher wollen endlich mit ihrer Arbeit beginnen.
Im unterirdischen Tunnel des LHC sind zwei tiefgekühlte, kreisrunde Röhren verlegt, in denen Atomkerne fast mit Lichtgeschwindigkeit kreisen. An einigen Stellen können sich die gegenläufigen Strahlen überschneiden und die Kerne mit bislang unerreichter Energie kollidieren. Im Trümmerregen dieser Kollisionen suchen die Forscher mit haushohen Nachweisgeräten nach bislang unentdeckten Elementarteilchen. So hoffen sie unter anderem auf Spuren des sogenannten Higgs-Bosons, das der gängigen Theorie zufolge aller Materie ihre Masse verleihen soll und oft als "Teilchen Gottes" bezeichnet wird.
Einmalige Maschine
Der LHC ist der stärkste Teilchenbeschleuniger der Welt. Vieles an dieser Maschine ist einmalig, größtenteils maßgefertigt, und alles ist hoch kompliziert. Der Beschleuniger hatte seine Betriebstemperatur von minus 271 Grad Celsius (1,9 Grad Kelvin) am 8. Oktober dieses Jahres erreicht. Erste Teilchen wurden am 23. Oktober in die Maschine gegeben, die jedoch noch nicht zirkulierten. Erste "langsame" Teilchenzusammenstöße soll es laut CERN in etwa einer Woche geben. Schon am Wochenende begannen die Vorarbeiten.
Der seit 1983 geplante LHC soll "erstes Licht ins dunkle Universum" bringen, wie es CERN-Chef Heuer formuliert. Die Physiker erhoffen sich Hinweise auf die Natur der rätselhaften Dunklen Materie und der ebenso mysteriösen Dunklen Energie, die zusammen rund 95 Prozent des Universums ausmachen sollen.
Quelle: ntv.de, Thilo Resenhoeft, dpa