Wissen

Kindesmisshandlungen Von Ärzten nicht bemerkt

Die meisten Kindesmisshandlungen bleiben nach Ansicht eines Mediziners der Kasseler Kinderklinik unerkannt. "Wir müssen wohl davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Misshandlungen und Vernachlässigungen von den Ärzten nicht bemerkt oder zumindest nicht gemeldet wird", sagte Oberarzt Bernd Herrmann bei einer Tagung in Kassel. Möglicherweise würden manche Ärzte die Augen verschließen, weil sie sich nicht einmischen wollten. "Aber oft werden Misshandlungen gar nicht erkannt. In dieser Hinsicht gibt es einen erheblichen Nachholbedarf in Deutschland."

Wenn es um Kindesmisshandlungen gehe, sei das Bildungsangebot für Ärzte "völlig lückenhaft". "Es gibt nicht ein deutsches Lehrbuch dazu. Weiterbildungskurse werden kaum angeboten. Wenn ein Arzt sich informieren will, hat er oft kaum eine Chance", sagte Herrmann. "Meist gehört ein geschulter Blick dazu, um die Misshandlung zu erkennen. Und manchmal sieht eine Verletzung nur nach Straftat aus, es war aber doch ein Unfall. Dann kann ein falscher Verdacht eine Familie ins Unglück stürzen." Zuerst müsse es aber darum gehen, Kinder zu schützen.

Nach Angaben von Barbara Voss, Leiterin der Techniker-Krankenkasse in Hessen, wird wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge jedes fünfte Mädchen und jeder zehnte Junge Opfer von Missbrauch oder Misshandlung. "Das ist eine bundesweite Herausforderung, über die viel gesprochen, aber bei der wenig konkret gehandelt wird." Nötig seien mehr Kongresse wie der in Kassel, um Mediziner zu informieren, sagte Voss. Nach Herrmanns Angaben hat in den USA erst gesellschaftlicher Druck dazu geführt, dass sich Ärzte intensiv mit dem Thema befassten. "Diese Auseinandersetzung würde uns auch in Deutschland gut tun", sagte der Arzt.

Quelle: ntv.de

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