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Weltpremiere mit 18 Tonnen Wal wird betäubt

Entflohene Pferde lassen sich mit dem Schuss aus einem Betäubungsgewehr beruhigen. Aus dem Zirkus entkommene Zebras ebenfalls. Hunde, Katzen, Kaninchen und andere werden vor einer Operation ebenfalls ruhig gestellt. Aber was ist mit einem mehr als 12 Meter langen und 18 Tonnen schweren Atlantischen Nordkaper, einem der seltensten Tiere der Welt? Ja, auch ein Großwal lässt sich sedieren, um ihn von Tauen zu befreien, in denen er sich verfangen hat. Das berichten Meeresforscher aus den USA.

Einmalige Aktion

Die bislang einmalige Aktion in freier Wildbahn vor der Küste Nordamerikas wurde nötig, weil sich die rund 300 Meter langen Seile schmerzhaft in den Unterkiefer des Tieres (Eubalena glacialis) eingeschnitten hatten. Die passende Dosis der Substanzen Butorphenol und Midazolam für das schätzungsweise 18 Tonnen schwere Tier wurde mit Versuchen an Belugas, Delfinen und Orcas ermittelt, erklären Forscher der Woods Hole Oceanographic Institution (US-Staat Massachusetts) und der US-Behörden. Schließlich wurden zwei Pfeile mit insgesamt 80 Millilitern einer 50:50-Mischung der Substanzen verschossen. Das verletzte Tier wurde vor der Küste der benachbarten US-Staaten Florida und Georgia beobachtet und zunächst mit einem Sender ausgestattet, um es verfolgen zu können. Eine Gruppe aus Behördenvertretern, Universitätsforschern und Wissenschaftlern aus Woods Hole näherte sich dem Wal mehrfach, um ihn von der schmerzenden Last zu befreien, die er auf fast 100 Metern Länge hinter sich herzog.

Risiko einer zu hohen Dosis

Erste Versuche, das extrem seltene Tier zu betäuben – es gibt im Atlantik nur noch rund 400 Exemplare – scheiterten. Die Dosis schien dem Tier zwar die Schmerzen zu nehmen, heißt es im Bericht der Forscher. Ruhiggestellt wurde es nicht. Der Wal ließ die Helfer in ihren Booten weiterhin nicht nahe genug heran. Das Risiko einer zu hohen Dosis war allerdings, dass der Meeressäuger ertrinkt.

Anfang März wurde die Dosis dennoch erhöht, und das Unterfangen gelang. Nach einer Stunde zeigte die Betäubung – verabreicht mit einer Druckluftgetriebenen Spritze mit 30 Zentimeter langer Nadel in einen Muskel – schließlich Wirkung. Der Wal schwamm nicht mehr fort und ließ zu, dass 90 Prozent der schmerzenden Last abgeschnitten wurden. Auch wenn der Wal die Aktion samt Betäubung überstanden hat, gibt es für das bereits geschwächte Tier weiterhin keine sehr gute Prognose. "Wir sind aber vorsichtig optimistisch." Zu den Haupt-Todesursachen der Wale gehören Fischernetze und Schiffskollisionen.

Nur noch 400 Exemplare

Die Aussichten für die Art sind ohnehin düster: Nur noch 400 Exemplare sind bekannt, vermutlich gibt es nur noch rund 70 fortpflanzungsfähige Weibchen, schätzt die Weltnaturschutzunion IUCN, die die Rote Liste der bedrohten Tierarten führt. Das wissenschaftliche Komitee der Internationalen Walfangkommission IWC geht davon aus, dass die Art Eubalena glacialis in drei großen Populationen lebt: Im Nordatlantik, im Nordpazifik und in Gewässern vor Australien. Im Atlantik gibt es die einst häufige und nun als bedroht eingestufte Art vermutlich nur noch vor der Küste Nordamerikas.

Quelle: ntv.de

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