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Chance auf Punktsieg größer Zweifel am Linienrichter

Profi-Tennisspieler sollten häufiger an den Entscheidungen der Linienrichter zweifeln und können damit ihre Chancen auf einen Punktgewinn steigern. So lautet der Ratschlag des britischen Psychologen George Mather von der Universität von Sussex in Brighton. Seine Begründung: Der Mensch macht prinzipiell Fehler, wenn er den Aufschlagpunkt der rasend schnellen Bälle auf wenige Zentimeter genau beurteilen soll. Trifft der Ball in weniger als zehn Zentimetern Entfernung zur Linie auf, steigt die Zahl der Fehler von Linienrichtern auf deutliche 40 Prozent. Daher seien Zweifel berechtigt, ja geradezu empfehlenswert. Die Resultate des Forschers sind in den „Proceedings B“ der renommierten britischen Royal Society nachzulesen.

Unbestechliches Kamerasystem

Mathers Ratschlag entstand nicht als Folge eigener Beobachtungen am Rande erhitzter Auseinandersetzungen auf dem Centre Court, sondern durch eine statistische Analyse von Daten der Association of Tennis Professionals (ATP). Die übersandte ihm auf Anfrage, wie oft und mit welchem Erfolg 246 Profis bei 15 ATP-Turnieren der Jahre 2006 und 2007 das Urteil der Linienrichter bezweifelt hatten. Insgesamt waren es 1473 strittige Fälle. Die ATP nutzt seit einigen Jahren das „Hawk Eye“ (Falkenauge), ein unbestechliches Kamerasystem, das die Position auch der am schnellsten geschlagenen Bälle auf drei Millimeter genau erkennt. Zweifelt ein Spieler am Urteil des Linienrichters, darf er diese Technik befragen.

Dabei spielt wohl auch das Naturell der Sportler eine Rolle: Während ein Spieler aus den Top 20 nur 7 Mal während der 15 Turniere an der Entscheidung des Linienrichters zweifelte, tat dies ein anderer, zwei Ranglistenplätze unter ihm rangierender gleich 52 Mal. 94 Prozent aller Streitfälle bezogen sich auf Einschläge weniger als 10 Zentimeter von der Linie entfernt. Mehr als 60 Prozent der Urteile waren korrekt. 39,3 Prozent der vom Spieler bezweifelten Entscheidungen erwiesen sich auf den Bildern tatsächlich als falsch. In einem besonders eindeutigen Streitfall gab die Elektronik allerdings dem Richter Recht: Der vom Spieler noch im Feld gesehene Ball war satte 44,9 Zentimeter im Aus.

Bis zu 180 Kilometer pro Stunde schnell

Je näher der Ball aber an der Linie einschlug, umso schwerer fiel naturgemäß die korrekte Entscheidung. Ein Mangel an Konzentration oder Fairness sei nicht die Ursache – die Situation war schlicht kaum zu erkennen, schreibt Mather. Immerhin rast der Filzball bei den Profis mit bis zu 50 Metern pro Sekunde (das sind 180 Kilometer pro Stunde) durch die Luft. Kein Wunder, dass es auch angesichts von Millionen-Preisgeldern und sportlichem Ruhm mindestens zu Diskussionen kommt.

Mather geht mit dem Blick auf seine Zahlenkolonnen davon aus, dass in einem typischen Satz 8,2 Prozent aller Entscheidungen der Linienrichter über Bälle näher als zehn Zentimeter an der Linie falsch sind. Daher sollten die Spieler öfter von ihrem Einspruchsrecht Gebrauch machen, empfiehlt er. Jeder der beiden Kontrahenten darf pro Satz allerdings nur zwei Mal vergeblich die Kameras befragen. Bestätigt das System die Zweifel zwei Mal nicht, ist kein weiterer Einspruch in diesem Satz erlaubt.

Quelle: ntv.de

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