Frage & Antwort Wie kommt es zu Rot-Grün-Schwäche?
06.01.2015, 09:15 Uhr
Ampelmännchen, klar! Aber welche Farbe haben sie? Bei Rot-Grün-Schwäche könnte eines grau, das andere bräunlich aussehen.
(Foto: imago stock&people)
Ich weiß, dass eine Rot-Grün-Schwäche angeboren ist. Aber was ist dann im Auge los? (fragt Jan M. aus Stuttgart)
Grundsätzlich sind es die Zapfen in unseren Augen, die es uns ermöglichen, Farben zu sehen. Wie uns Prof. Dr. med. Hermann Krastel vom Berufsverband der Augenärzte in Deutschland erklärt, gibt es in der Netzhaut für gewöhnlich drei verschiedene Arten von Zapfen. "Sie reagieren auf jeweils unterschiedliche Wellenlängen", sagt Krastel. "Die einen auf kurzwelliges, die anderen auf mittelwelliges und die dritten auf langwelliges Licht. Je nachdem, welcher Zapfentyp wie stark aktiviert wird, folgt aus der Verrechnung ihrer Signale für uns ein bestimmter Farbeindruck: blau, grün, gelb oder rot." So können wir also auf der Grundlage von nur drei Zapfensignalen viele Tausende Farben voneinander unterscheiden.
Was aber ist anders, wenn das, was die Mitmenschen als Grün bezeichnen, grau aussieht? Und das, was sie Rot nennen, braun? Oder wenn anerkannt Lilafarbenes eher grün-grau rüberkommt? "Nicht alle Menschen haben drei Arten von Zapfen in der Netzhaut", erläutert Krastel. "Einer der Zapfentypen kann genetisch bedingt fehlen. Oder es ähneln sich zwei Typen so sehr, dass sie auf nahezu gleiche Wellenlängen reagieren." Dann besteht eine angeborene Farbsehschwäche. Sie betrifft meist Grün- oder Rottöne, sehr selten Blau. Rund 8 Prozent der Männer und 0,4 Prozent der Frauen haben eine solche Rot-Grün-Schwäche. Sie beeinflusst die Empfindung für Rot und Grün und, wie Krastel erzählt, auch die für Gelb.
Zwischentöne sehen anders aus

Was ist hier zu sehen? Für die meisten Menschen eine 17 und eine 47. Letztere aber ist mit Rot-Grün-Schwäche nicht erkennbar.
(Foto: Ishihara-Farbtafel/Persil/Wikipedia/CC BY-SA 3.0)
In der Farbwahrnehmung werden dann besonders die Zwischentöne zum Problem. Aus Olivgrün etwa wird dann beige, ein blasses Grün erscheint Grau, Orange kann wie ein Gelbgrün aussehen. "Besonders bei kleinen Objekten", so der Experte, "kann die farbliche Unterscheidung schwerfallen. Es gibt nämlich auch eine Sehschärfe für Farbe", sagt Krastel. "Bei Rot-Grün-Schwäche kann die deutlich begrenzt sein." Zusätzlich bewirkt ein Fehlen oder eine Schwäche des langwelligen Zapfens, dass Rotes nicht nur nicht rot, sondern überhaupt weniger gut wahrgenommen wird. "Das ist zum Beispiel bei Rücklichtern im Nebel kritisch", so Krastels Hinweis.
Behandelbar ist eine Rot-Grün-Schwäche nicht. Sie wird von ihren Trägern selbst auch nicht als hinderlich wahrgenommen. "Die Betroffenen konnten ja nie eine andere Seherfahrung machen", sagt der Augenarzt. "Personen mit Rot-Grün-Sehschwäche ist es daher auch gar nicht immer leicht verständlich zu machen, dass ihnen nicht alle Berufe offenstehen", weiß er. Um etwa Polizist, Pilot, Lokführer oder Kapitän zu werden, müssen sie erst bestimmte augenärztliche Untersuchungen bestehen, Farbtests inbegriffen. Denn in der Berufstätigkeit später geht es zum Beispiel um die korrekte Wahrnehmung von Signalen oder Fahrwassertonnen oder um die richtige Beschreibung von Verdächtigen und Fluchtfahrzeugen (war der Wagen wirklich grau?).
Ob eine Rot-Grün-Schwäche vorliegt, kann übrigens schon im Kindesalter festgestellt werden. Das Kind braucht die Farben dazu noch nicht korrekt zu bezeichnen. Kindgerechte Farbtests kommen ohne Worte aus. "Das Farbensehen der Kinder ist nämlich längst fertig entwickelt, bevor sie die Farben benennen können", erklärt Krastel. Als Fazit jedenfalls lässt sich festhalten: Wie gut wir Farben unterscheiden können, ist individuell verschieden. Denn Farbe entsteht immer im Auge des Betrachters – und in seinem Kopf.
Quelle: ntv.de