Sogar bei bewusstlosen Patienten Bei OPs hilft Musik gegen Angst und Schmerz
13.08.2015, 04:29 Uhr
Forscher haben die Wirkung von Musik vor, während und nach Operationen untersucht.
(Foto: dpa)
Melodien können aufregen, aufheitern oder beruhigen. Ihre Wirkung auf Gefühle nutzen zum Beispiel Filme, aber auch Krankenhäuser bei OPs. Das kann durchaus sinnvoll sein. Die Musik nervt aber auch und es gibt Ärger im OP-Saal deswegen.
Musik kann nach Operationen helfen, Schmerzen und Angst der Patienten zu lindern. Zu diesem Ergebnis kommen britische Wissenschaftler, die 72 Studien zu dem Thema ausgewertet haben.
Die Musik mindert demnach im Schnitt zudem den Bedarf an Schmerzmitteln und macht die Patienten zufriedener. Die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus verkürze sich durchs Musikhören aber nicht, schreiben die Forscher um Catherine Meads von der Brunel University in Uxbridge in der Fachzeitschrift "The Lancet".
Meist beruhigende Melodien für Tests
An den ausgewerteten Studien hatten jeweils 20 bis 458 Patienten teilgenommen, insgesamt fast 7000 Menschen. Die Forscher untersuchten die Wirkung von Musik vor, während und nach Operationen. Mal hatten die Versuchspersonen Kopfhörer auf, mal kam die Musik aus Lautsprechern.
Die Analyse ergab, dass die Wahl der Musikstücke und der Zeitpunkt der Beschallung kaum einen Unterschied ergeben - die Melodien wirkten sogar bei bewusstlosen Patienten. In der Regel seien für die Tests jedoch beruhigende Musikstücke gewählt worden.
Erste Versuche zu dem Thema seien schon im Jahr 1914 dokumentiert worden, schreiben die britischen Forscher. 2013 kamen die Autoren eines Artikels im "American Journal of Critical Care" zu dem Ergebnis, dass Patienten immer erst gefragt werden sollten, ob sie überhaupt Musik hören wollen. Es könne auch sinnvoll sein, dass sie ihre Lieblingsmusik selbst von zu Hause mitbrächten. Diese tauge nicht als Ersatz für Medikamente, wohl aber als Ergänzung.
Musik meist ausgewählt vom Chirurgen
Bei vielen Operationen läuft bereits Musik: mal lauter, mal leiser, meist ausgewählt vom Chirurgen. Weltweit seien wohl 50 bis 70 Prozent der Operationen mit Musik untermalt, schreiben Forscher um Sharon-Marie Weldon vom Imperial College London im "Journal of Advanced Nursing".
Auch deutsche OP-Säle werden beschallt: "Es gibt Kollegen, die Musik hören und sich dabei entspannen", erläutert die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Prof. Gabriele Schackert vom Uniklinikum Dresden. Übergreifende Regeln gibt es nicht: Manchmal entscheidet eine Klinik, ob sie Musik bei der OP dulden will, manchmal obliegt es den OP-Teams selbst. Für Ärzte und Pfleger bietet das Thema jedenfalls Zündstoff: "Musik im OP-Saal zu organisieren, ist nicht ganz einfach", berichtet der Chirurg Philipp Zollmann, der eine Praxis in Jena betreibt. "Ärger wegen Musik gibt es ständig."
Bach und Beatles gehen immer
Die Kunst liegt darin, mit der Songfolge Vorlieben von Operateur, Schwestern und Patienten gleichermaßen gerecht zu werden. Zollmanns Rezept: nicht mehr als ein Lied pro Interpret und Genre hintereinander, keine sich wiederholenden Titel und möglichst wenig Schwankungen bei der Lautstärke. Tabu seien bei ihm Heavy Metal ebenso wie unerfreuliche Radio-Nachrichten. "Was immer geht, sind Bach, Vivaldi und die Beatles", meint Zollmann. "Auch Helene Fischer wird gespielt, obwohl es nicht so meins ist. Aber den Schwestern und Patienten gefällt es."
Da in seiner Praxis viele Patienten lokal betäubt operiert werden, berichtet Zollmann von großer Nachfrage nach Musik: "Viele bringen sich auch selbst Kopfhörer mit. Es ist gut, wenn sie nicht so viel mitbekommen von Gesprächen und Geräuschen der OP. Musik lenkt ab und beruhigt."
OP-Saal-Musik nicht nur harmlos
Andere Mediziner sehen das anders: Gabriele Schackert von der DGCH etwa lehnt Musik im OP-Saal persönlich ab. Sie empfinde die Geräuschkulisse als störend, insbesondere in schwierigen Situationen einer Operation. "Nach meiner Meinung besteht kein Problem in der leichten Phase einer OP", ergänzt sie und spielt etwa an auf das Verschließen von Narben oder das Öffnen und Schließen eines Schädels. Anästhesisten der Berliner Charité verweisen auf Anfrage darauf, dass die akustischen Signale der Überwachungs- und Behandlungsgeräte immer einwandfrei zu hören sein müssten.
Dass OP-Saal-Musik nicht nur harmlos ist, zeigt zumindest die britische Studie der Autoren um Weldon: Zwar wurden lediglich 20 Operationen beobachtet und ausgewertet, dabei klappte die Kommunikation zwischen Operateur und Personal aber nicht immer reibungslos. War die Musik zu laut, mussten Ärzte etwa die Bitte nach Arbeitsgeräten wiederholen. So konnte sich eine OP sogar leicht verlängern.
Quelle: ntv.de, abe/dpa