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Algen gegen Klimawandel CO2 mit Grünzeug binden

Winzig klein sind die Algen, giftgrün und glitschig. Massenhaft kultiviert könnten die Einzeller zum Hoffnungsträger im Kampf gegen den Klimawandel werden. Gemeinsam mit der Stadt Hamburg und einem Projektentwickler baut der Energieversorger E.ON Hanse auf dem Gelände seines Erdgasspeichers Reitbrook die erste Pilotanlage in Europa. Auf einem Hektar Fläche sollen sobald wie möglich in 800 bis 1.000 Bioreaktoren pro Jahr 400 Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) aus dem Abgas eines kleinen Kraftwerks zu 150 Tonnen Biomasse umgewandelt werden. Dazu brauchen die Algen viel Sonnenlicht, etwas Wärme, frisches Wasser und Nährstoffe. Wenn alles gut läuft, soll eine Reduzierung des CO2 im Abgas um 80 Prozent möglich sein.

Das gesamte Projekt schlägt mit gut 2,2 Millionen Euro zu Buche, 500.000 Euro davon übernimmt die Stadt. "Ich bin gespannt, was die kleinen matschigen Dinger wirklich leisten können", sagt der Vorstandschef von E.ON Hanse, Hans-Jakob Tiessen, und drückt gemeinsam mit Hamburgs Umweltsenator Axel Gedaschko (CDU) und dem Projektentwickler Martin Kerner auf einen symbolischen roten Knopf. Kerner verspricht, in zwei bis fünf Jahren Ergebnisse zu präsentieren. Gedaschko weiß, dass es bis zu einem möglichen großtechnischen Einsatz ein weiter Weg ist. "Wir wollen hier nicht das Alibi für Moorburg schaffen", sagt er zur Diskussion um den geplanten Neubau eines riesigen Steinkohlekraftwerks an der Elbe.

Ganz allein sind die Hamburger Forscher, darunter auch Professoren der Universität, mit ihren Plänen nicht. Zwei Versuchsanlagen laufen in den USA und kürzlich stellte der Bremer Professor Laurenz Thomsen von der privaten Jacobs Universität ähnliche Pläne vor. Er will riesige Bioreaktoren mit Meerwasser und Algen an der Mittelmeerküste installieren, in denen ebenfalls CO2 aus Kraftwerken zu Biomasse verarbeitet wird.

Für das Hamburger Projekt ist den Forschern bereits klar: Das Verfahren muss vor dem industriellen Einsatz wirtschaftlicher werden - was steigende Energiepreise erleichtern. Denn auf der Einnahmeseite könnten neben Gewinnen aus dem Handel mit CO2-Zertifikaten auch der Verkauf von Biogas und Biodiesel stehen. Außerdem könnten Proteine aus der Algensubstanz als Futtermittel zum Beispiel in Fischfarmen eingesetzt werden. Nicht zuletzt sind Algen in der Lage, wertvolle biochemische Substanzen wie Enzyme, Vitamine, Fettsäuren oder Farbpigmente zu produzieren. Der Hamburger Professor für Aquatische Ökologie, Dieter Hanelt, gerät geradezu ins Schwärmen, wenn er die Möglichkeiten aufzählt, die in der Algenzucht liegen.

Nach Kerners Angaben können die sogenannten Fotobioreaktoren einen Wirkungsgrad von 10 bis 15 Prozent bei der Nutzung des Sonnenlichtes erreichen. Moderne Solarzellen bringen es zum Vergleich auf etwa 20 Prozent. "Aber Strom kann man nicht speichern", nennt er einen Vorteil seiner Technik. Algen produzieren bis zu 30 Mal schneller Biomasse als Pflanzen wie Raps oder Mais, die heute in immer größerer Menge als Energiepflanzen angebaut werden und neue Umweltprobleme schaffen.

Wie viel CO2 mit der Anlage dauerhaft der Atmosphäre entzogen wird, hängt davon ab, was aus den Algen gemacht wird: Als Fischfutter kommt der Kohlenstoff wieder in den Biokreislauf, als Baustoff ist er viele Jahre festgesetzt. Eine Umwandlung der Algen zu Biogas, das in einem geschlossenen Kreislauf verbrannt wird, würde das CO2 dauerhaft aus der Luft ziehen.

Von Sönke Möhl, dpa

Quelle: ntv.de

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