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Gesund werden und bleiben Dem Krebs den Schrecken nehmen

Jährlich gibt es in Deutschland 36.000 neue Krebspatienten. Doch viele Krebsarten sind inzwischen heilbar und ständig werden neue Therapieansätze erforscht. Professor Dr. med. Josef Beuth leitet seit 1999 das Institut zur wissenschaftlichen Evaluation naturheilkundlicher Verfahren an der Universität Köln und hat für Betroffene das Buch "Gesund bleiben nach Krebs" geschrieben, in dem er viele komplementäronkologische Verfahren vorstellt, die nach wissenschaftlichen Maßstäben untersucht wurden.

Warum ist die Diagnose Krebs noch immer für viele Menschen so erschreckend?

Über Krebs kursieren viele Schreckensmeldungen. Wer als Laie Krebs hört, verbindet damit immer Siechtum, Sterben und große Pein. Also eine Katastrophe, und die geht in der Regel mit großem Schrecken einher. Diese Ansicht ist heutzutage nicht mehr ganz angebracht, denn es hat sich in der Behandlung viel getan. Aber im Prinzip wird Krebs immer fälschlich noch mit Tod gleichgesetzt.

Viele Krebsarten sind doch aber inzwischen durchaus heilbar?

Ganz genau. Das ist es auch, was ich meinen Patienten zu vermitteln suche. Krebs kann heutzutage in vielen Fällen, wenn eine Heilung nicht möglich ist, als eine chronische Erkrankung betrachtet werden, ganz ähnlich wie Diabetes oder Herzinsuffizienz. Das heißt, man kann Krebs heute etwa in der Hälfte der Fälle durch Operation, Chemo-, Strahlen-oder Hormontherapie heilen. In der anderen Hälfte der Fälle ist es möglich, Patienten über viele Jahre oder Jahrzehnte bei wirksamer Therapie und nahezu vollständig erhaltener Lebensqualität "im Leben" zu halten.

Wie finden denn Krebspatienten heutzutage die beste Therapie?

Das ist ganz, ganz schwer. In der Regel ist es so, dass eine Krebserkrankung vom Hausarzt diagnostiziert wird und dann an Fachkollegen oder Kliniken überwiesen wird. Das sind in der Regel Kliniken, die im Umfeld sind. Wenn man ganz großes Glück hat, gerät man an Ärzte, die in der Krebsdiagnostik und Krebstherapie besonders versiert sind. Die überweisen dann an ausgewiesene Fachkliniken. Aber in der Regel geht man ins nächste Krankenhaus.

Was können Patienten selbst tun, um besser versorgt zu werden?

Wir raten unseren Patienten immer, Eigeninitiative zu entfalten. Man muss auf sich selbst achten und man muss auch bereit sein, kritisch nachzufragen, ins Gespräch zu kommen und sich nicht vom Titel eines Doktors oder Professors "blenden zu lassen". Und wenn das nicht funktioniert, sollte man auch so ehrlich sein zu sagen, ich möchte eine zweite oder dritte Meinung einholen. So sollte man eigentlich vorgehen und wenn man dann noch wissen will, wo die guten Krebs-Behandlungszentren sind, dann ist die Deutsche Krebshilfe ein sehr guter Ansprechpartner. Ferner gibt es in Heidelberg ein international renommiertes Krebsforschungszentrum, das auch Auskunft erteilt. Es gibt also etliche gute Informationsmöglichkeiten. Dem stehen leider auch eine Menge nicht seriöser Institutionen gegenüber, die Patienten "vermitteln" wollen. Da muss man sehr auf der Hut sein.

Immer weniger Menschen vertrauen ja ausschließlich der Schulmedizin, welche alternativen Heilmethoden sind denn tatsächlich empfehlenswert? Gibt es inzwischen vielleicht sogar die Möglichkeit in der Krebstherapie komplett auf die Schulmedizin zu verzichten?

An dieser Stelle muss ich ganz deutlich sagen, dass mir außerhalb der Schulmedizin keine Behandlungsmethode bekannt ist, mit der man eine Krebserkrankung nachweislich kurativ angehen kann, d.h. heilen kann. Es wird zwar oft versprochen, dass man mit biologischen Methoden heilen kann, dass man Metastasen verhindern kann, wissenschaftlich fundiert ist dies jedoch noch nie gezeigt worden. Mit der so genannten komplementär-medizinischen-oder naturheilkundlichen Therapie kann man jedoch die Nebenwirkungen der Krebsbehandlung, also von Chemo-und Strahlentherapie, reduzieren. Das bedeutet, dass man die Lebensqualität zum Teil erheblich verbessern kann. Komplementärmedizinische oder naturheilkundliche Therapien sind aber nie Alternativen zur Standardtherapie, sondern immer Ergänzungen und wenn sie gut sind, Optimierungen.

In Ihrem Buch beleuchten Sie den Nutzen vieler Behandlungsmethoden unter wissenschaftlichen Aspekten, ziehen auch zahlreiche Studien dafür heran, gibt es denn auch Methoden, von denen Sie eindeutig abraten?

Ja, auf dem Sektor gibt es neben den sinnvollen Maßnahmen eine ganze Menge Verfahren, vor denen zu warnen wäre.
Sinnvolle Verfahren wären beispielsweise: Optimierung der Ernährung, also Ernährungstipps; körperliches Bewegungstraining, d. h. der Situation angepasster Sport; psychosoziale und psychoonkologische Betreuung. Das sind wissenschaftlich überprüfte Basistherapien, die wir immer empfehlen. Darüber hinaus gibt es einige, wenige medikamentöse Verfahren, die wissenschaftlich fundiert ausgetestet sind und die wir in definierten Therapiephasen empfehlen, z. B. Selen, Eiweiß spaltende Enzyme sowie standardisierte Mistelextrakte.
Daneben gibt es unheimlich viele Diagnostik-und Therapieverfahren, die hinsichtlich ihrer Qualität, ihrer Unbedenklichkeit und auch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit überhaupt nicht bzw. unzureichend ausgetestet sind. Das große Problem dieser Verfahren ist, dass Patienten immer wieder mit ihnen konfrontiert werden, entweder in Vorträgen "selbsternannter Spezialisten", bei Patientenveranstaltungen so genannter "Fachgesellschaften" mit viel versprechenden Namen oder im Internet sowie in bestimmten Fernsehsendungen.

Wie können Patienten solche Methoden erkennen?

Das ist ungeheuer schwierig, weil die meisten Patienten Laien sind. Wenn man krank ist, ist man geneigt, dem Arzt zu glauben. Dies ist auch absolut notwendig, denn der Arzt sollte eine Vertrauensperson sein. Wenn man allerdings an einen Therapeuten gerät, der die Ethik nicht so ernst nimmt, dann hat man einen schweren Stand. Dazu muss man sagen, viele Außeneiterverfahren werden so geschickt angepriesen und mit nicht haltbaren wissenschaftlichen Aussagen verknüpft, dass man dies auch als "Arzt" zuweilen nur schwer durchschauen kann.
Als Beispiel sei die "Fiebertherapie" genannt. Es wird damit geworben, dass man damit Tumore behandeln bzw. abtöten könne. Dazu injiziert man dem Patienten ein Bakterienprodukt oder ein Virenprodukt und erzeugt damit Fieber. Durch dieses Fieber sollen Tumorzellen abgetötet werden. Dies ist aber noch nie in einer wissenschaftlich haltbaren Form gezeigt worden. Von dieser Therapieform kann demnach nur strikt abgraten werden!
Als weiteres Beispiel seien Berichte genannt, die vorgeben, dass man mit hoch dosierten Vitaminen, Spurenelementen bzw. mit bestimmten Mikronährstoffen in das Tumorwachstum eingreifen kann. Auch das ist wissenschaftlich fundiert noch nie gezeigt worden. Diesbezüglich muss man also unglaublich vorsichtig sein, um nicht unhaltbaren Versprechungen zu erliegen. All das geht einher mit einer aggressiven Werbung. Diese Verfahren sind zudem meist übertrieben teuer und müssen von Patienten privat finanziert werden.
Wir empfehlen bei einigen Krebsarten unter der Therapie, wenn die Nahrungsaufnahme eingeschränkt ist, bilanzierte Vitamin-/Spurenelementpräparate. Diese enthalten nur die Mengen an Vitaminen und Spurenelementen, die man pro Tag braucht. Ausdrücklich zu warnen ist vor der unkontrollierten Gabe von Hochdosis-Vitamin-/Spurenelementpräparaten, denn diese könnten Chemo-oder Strahlentherapie in der Wirksamkeit reduzieren.
Ein weiteres Problem ist, dass viele Vitamin- und Spurenelementpräparate, auch solche, die man in der Apotheke erhält, Substanzen enthalten, die für Krebspatienten nicht angezeigt sind, z. B. Eisen. Eisen im Überschuss ist ein Wachstumsfaktor für Krebszellen. Ferner ist Eisen ist ein so genanntes Karzinogen, also eine krebsauslösende Substanz für Schleimhautzellen im Magen-Darm-Trakt.

Wer einmal Krebs hatte, hat immer die Angst, dass die tückische Krankheit wiederkommen könnte. Kann man Krebs denn inzwischen vorbeugen?

Das kann man sehr effektiv. Wir wissen heute, ist, dass man mit mäßigem Ausdauersport 30 bis 50 Prozent aller Krebserkrankungen vorbeugen kann, insbesondere Brustkrebs, Darmkrebs und Prostatakrebs. Bewegungstraining ist also eine absolut empfehlenswerte Vorbeugemaßnahme. Zum anderen ist in großen Studien gezeigt worden, dass eine vernünftig zusammengesetzte Ernährung bzw. eine Ernährungsoptimierung ebenfalls ca. 30 bis 50 Prozent aller Tumore verhindern kann. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist der Prostatakrebs. Eine Studie aus den USA belegt, dass Männer, die drei Mal in der Woche irgendetwas "tomatiges" essen, signifikant weniger Prostatakrebs bekamen. Wir haben also durchaus Mittel an der Hand, unseren Organismus so zu stabilisieren, dass sich bestimmte Krebsarten möglicherweise nicht entwickeln.
Ganz wichtig ist es ferner, zu den empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen zu gehen und intensiv auf sich selbst zu achten. Noch vor fünf Jahren diagnostizierte die Mehrzahl aller Brustkrebspatientinnen die Tumore selbst. Wenn man also spürt, "da ist was", sollte man dem nachgehen. Und wenn man trotz eines negativen Vorsorgebefundes immer noch glaubt, "da ist was", dann sollte man "am Ball" bleiben. Auch Ärzte können sich irren oder etwas übersehen.

Wie wichtig ist denn die Psyche bei der Behandlung von Krebs?

Die Psychoonkologie und die psychosoziale Betreuung sind ungeheuer wichtig und gehören zum Standardprogramm, das auch von den Krankenkassen bezahlt wird. Man kommt ohne sie in vielen Fällen gar nicht mehr aus. Sie ist ein wichtiger Teil bei der Behandlung von Tumorerkrankungen geworden. Es gibt zahlreiche Methoden, die die Patienten sehr leicht unter Anleitung erlernen und ausführen können, z. B. Entspannungstechniken oder das so genannte Visualisierungstraining nach Simonton. Jeder Patient ist also heutzutage in der Lage, in Eigenregie nach einer überstandenen Krebserkrankung oder auch zur Prophylaxe den Lebensstil zu optimieren.

Das Interview führte Solveig Bach

Quelle: ntv.de

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