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In Raum und Zeit Tarnmantel macht unsichtbar

Die Physiker ziehen zur Erklärung ihres Experimentes ein Autobahnkreuz heran.

Die Physiker ziehen zur Erklärung ihres Experimentes ein Autobahnkreuz heran.

(Foto: picture alliance / dpa)

Zwar steckt die Technik noch in den Kinderschuhen, aber Wissenschaftlern gelingt es, Ereignisse nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit zu verstecken. Dabei wird Licht eines bestimmten Wellenlängenbereichs so um ein Objekt herumgelenkt, als sei dieses gar nicht da. Dem Betrachter fällt das nicht auf.

Eine neuartige Technik kann Ereignisse vorübergehend unsichtbar machen, ohne dass einem Betrachter dies auffällt. Forscher um Moti Fridman von der Cornell-Universität im US-Bundesstaat New York stellen ihre Versuche im britischen Journal "Nature" vor. Für ihren optischen "Tarnmantel" zerlegen sie einen Lichtstrahl so in zwei Hälften, dass vorübergehend eine Lücke entsteht. Anschließend fügen sie den Strahl wieder nahtlos zusammen, so dass die vorangegangene Teilung nicht mehr nachzuweisen ist. Die Technik könnte zu einer sichereren Kommunikation führen, meinen die Forscher.

Verschiedene Gruppen haben bereits optische Tarntechniken präsentiert. Bei diesen wird in der Regel das Licht eines bestimmten Wellenlängenbereichs so um ein Objekt herumgelenkt, als sei dieses gar nicht da. Derartige Tarnumhänge basieren auf sogenannten Metamaterialien, deren Brechungsindex sich detailliert kontrollieren und auch auf negative Werte einstellen lässt, so dass Licht "falsch herum" abgelenkt wird. Auf diese Weise ist es bereits gelungen, kleine Objekte im Bereich der Radiostrahlung, des Infrarots und des sichtbaren Lichts unsichtbar zu machen.

Zerlegung in Spektralfarben

Fridman und Kollegen weiten dieses räumliche Konzept nun auf die Zeit aus. Die Ausbreitung von Licht im Raum unterscheidet sich nicht prinzipiell von der Ausbreitung in der Zeit, so dass theoretische Arbeiten bereits den Weg zu Zeit-Tarnmänteln aufgezeigt haben. Das Herz der neuen Technik sind sogenannte Zeitlinsen. Sie brechen das Licht wie eine gewöhnliche optische Linse – nur eben nicht im Raum, sondern in der Zeit. Die spezielle Linse von Fridman und Kollegen zerlegt einen grünen Lichtstrahl in Spektralfarben, so dass er erst bläulich und dann rötlich aufflackert.

Diesen zerlegten Lichtstrahl schicken die Forscher durch ein sogenanntes Dispersionsmedium, in dem sich blaues Licht schneller bewegt als rotes. Dadurch eilt das blaue Licht davon, während das rote zurückbleibt – es öffnet sich eine Lücke in dem Strahl. Anschließend schicken die Wissenschaftler den Strahl durch ein exakt umgekehrtes Dispersionsmedium, das rotes Licht beschleunigt und blaues bremst. Der Strahl wird dadurch wieder nahtlos zusammengefügt. Eine umgekehrte Zeitlinse hebt schließlich die Zerlegung in Spektralfarben wieder auf, so dass sich der grüne Lichtstrahl hinter dem System nicht von dem ursprünglich eingespeisten unterscheidet. Ereignisse, die sich während der Zeitlücke ereigneten, bleiben jedoch für den Beobachter unsichtbar.

Am Beispiel eines Autobahnkreuzes

Ein Begleitkommentar in "Nature" vergleicht das mit dem Straßenverkehr: Ein Autobahnkreuz entspricht demnach dem räumlichen Tarnmantel. Die Streckenführung spart einen zentralen Punkt aus (nämlich den, an dem die Autos sonst zusammenstoßen würden), dennoch ist hinter dem Autobahnkreuz am Verkehrsfluss nicht zu erkennen, dass die Autos vorübergehend umgeleitet wurden – sie bewegen sich in derselben Richtung weiter wie vor dem Kreuz. Der zeitliche Tarnmantel entspricht demnach einem Bahnübergang. Dieser unterbricht den Verkehrsfluss zeitweise. Wenn er sich öffnet, schließen die wartenden Autos jedoch zu den voranfahrenden auf, so dass sich die Unterbrechung in ausreichendem Abstand ebenfalls nicht mehr aus dem Verkehrsfluss ableiten lässt.

In ihren Versuchen haben die Forscher um Fridman erst eine winzige Zeitlücke von knapp 50 Pikosekunden (billionstel Sekunden) erreicht. Ein Lichtblitz, der sich in dieser Lücke ereignete, war mit Zeit-Tarnmantel zehn Mal schwächer zu sehen als ohne. Die Technik steckt also noch in den Kinderschuhen. Die Forscher sehen aber mögliche Anwendungen in der Telekommunikation sowie das Potenzial für raum-zeitliche Tarntechniken.

Quelle: ntv.de, dpa

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