Durchsichtiges Universum Ur-Nebel lichtete sich schneller
16.10.2011, 14:37 UhrNach dem Urknall waberte dichter Nebel durch den Weltraum. Im Laufe der Zeit wurde das Gas ionisiert und durchsichtig. Dieser Prozess hat viel kürzer gedauert, als Forscher bisher angenommen haben, nämlich "nur" 200 Millionen Jahre.
Der kosmische Ur-Nebel im jungen Universum hat sich schneller gelichtet als bislang gedacht. Das zeigen Beobachtungen einiger der ältesten bekannten Galaxien mit dem "Very Large Telescope" (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO. Im Verlauf von nur rund 200 Millionen Jahren wurde das Weltall demnach durchsichtig, wie ein internationales Forscherteam im "Astrophysical Journal" berichtet. Das ist in astronomischen Maßstäben ein vergleichsweise kurzer Zeitraum.

Weltraum-Nebel gibt es auch weiterhin, wie beispielsweise den Trifid-Nebel im Sternbild Schütze.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die Wissenschaftler um Adriano Fontana vom Astronomischen Observatorium in Rom haben das VLT wie eine Art Zeitmaschine benutzt, um zu den ersten Galaxien im Kosmos zurückzublicken, erläutert die ESO. Das Teleskop zeigt die fernen Sterneninseln wegen ihrer enormen Distanz zu einer Zeit vor rund 13 Milliarden Jahren – so lange war ihr Licht zu uns unterwegs. Damit sehen wir diese Galaxien relativ kurz nach dem Urknall, der vor 13,7 Milliarden Jahren stattfand.
"Archäologen rekonstruieren den zeitlichen Verlauf der Vergangenheit aus Artefakten, die sie in verschiedenen Bodenschichten finden. Astronomen können noch mehr: Wir blicken direkt in die ferne Vergangenheit, indem wir das schwache Licht von Galaxien aus verschiedenen Stadien der Entwicklung des Kosmos beobachten", erklärt Fontana in der ESO-Mitteilung.
Das junge Weltall war zunächst erfüllt von einem dichten Nebel aus Wasserstoff-Atomkernen und Elektronen. Diese verbanden sich einige hunderttausend Jahre nach dem Urknall zu neutralem Wasserstoffgas. Mit dieser Rekombination wurde das All erstmals teilweise durchsichtig. Aus dieser Epoche stammt die sogenannte kosmische Hintergrundstrahlung, die auch als Echo des Urknalls bezeichnet wird.
Strahlung kann ungehindert passieren
Doch neutraler Wasserstoff schluckt eine Menge bestimmter Wellenlängen des sichtbaren und des ultravioletten Lichts. Erst als die energiereiche Strahlung der ersten Sterne nach einigen hundert Millionen Jahren dem Wasserstoff seine Elektronen wieder entriss und ihn damit re-ionisierte, wurde das Universum endgültig durchsichtig. Das ionisierte Gas war durch die Ausdehnung des Weltalls inzwischen soweit verdünnt, dass elektromagnetische Strahlung es – wie noch heute – quasi ungehindert passieren konnte.
Um den Verlauf dieser Re-Ionisation zu untersuchen, hatten die Forscher um Fontana bei den entfernten Galaxien nach der sogenannten Lyman-Alpha-Emissionslinie des Wasserstoffs gesucht, die im ultravioletten Teil des Spektrums liegt. Anhand der Stärke dieser Linie und der Entfernung der einzelnen Galaxien konnten die Astronomen bestimmen, wieviel UV-Licht zu der jeweiligen Zeit noch verschluckt wurde, also wie stark der Wasserstoff schon ionisiert war.
"Als das Universum erst 780 Millionen Jahre alt war, gab es noch sehr viel neutralen Wasserstoff, der zwischen zehn und 50 Prozent des Volumens des gesamten Raumes ausfüllte", berichtet Hauptautorin Laura Pentericci vom Astronomischen Observatorium Rom in einer ESO-Mitteilung. "Doch schon 200 Millionen Jahre später war die Menge des neutralen Wasserstoffs auf ein dem heutigen Wert vergleichbares Niveau abgesunken. Offenbar ist die Re-Ionisation schneller abgelaufen, als die Astronomen bisher gedacht hatten."
Quelle: ntv.de, dpa