Wenn das Wetter zum Stressfaktor wird Wetterumschwung: So macht der Körper mit
19.06.2013, 15:13 Uhr
"Diese absolut heißen Temperaturen sind für den Menschen immer noch das Schlimmste."
(Foto: picture alliance / dpa)
Deutschland schwitzt, mancherorts ist die Hitze unerträglich. Welche Herausforderung die hohen Temperaturen für den Körper darstellen, ist deutlich zu spüren. Doch kaum hat man sich einigermaßen daran gewöhnt, soll es wieder kälter werden. Wie kommt der Organismus mit einem solchen Wetterwechsel klar? Christina Koppe-Schaller, Medizinmeteorologin beim Deutschen Wetterdienst, erklärt im Gespräch mit n-tv.de, wie Wetterfühligkeit entsteht, was man dagegen tun kann und warum uns Hitze nicht immer etwas ausmacht.
n-tv.de: Frau Koppe-Schaller, gerade noch versucht der Körper, mit der großen Hitze zurechtzukommen, da soll es schon wieder deutlich kälter werden. Sind solche Umschwünge für den Organismus nicht überaus anstrengend?
Christina Koppe-Schaller: Morgen kommt die Abkühlung von Westen rein, im Osten bleibt es erstmal noch sehr warm. Für nicht wetterfühlige Menschen dürfte diese Kühlung eine Erleichterung bringen. Es ist wichtig, dass es sich abkühlt, denn aktuell ist die Wärmebelastung sehr hoch, in manchen Teilen Deutschlands sogar extrem. Die Wohnungen haben sich aufgeheizt; viele Menschen haben gar keine Möglichkeit mehr, vor der Hitze zu flüchten. Diese absolut heißen Temperaturen sind für den Menschen immer noch das Schlimmste.
Manchmal kommt man mit Hitze ganz gut klar, bei der nächsten Hitzewelle dann aber ist jeder Schritt einer zu viel. Woran liegt das? Gibt es eine Form von Hitze, mit der der Körper besser umgehen kann?
Es ist die Wärmebelastung, um die es da geht. Mit Wärmebelastung ist nicht nur die Temperatur gemeint; da wird auch die Luftfeuchtigkeit berücksichtigt und ebenso die Windgeschwindigkeit und die langwellige Strahlung. Denn in der Sonne fühlt es sich deutlich wärmer an als im Schatten. Und die Luftfeuchtigkeit ist wichtig, denn eine hohe Luftfeuchtigkeit erschwert es dem Körper, Schweiß zu verdunsten. Das Verdunsten von Schweiß aber hat den Sinn, Verdunstungskälte zu erzeugen. Je höher die Luftfeuchtigkeit, desto schlechter wird verdunstet und desto weniger Verdunstungskälte entsteht. Der Wind schließlich sorgt dafür, dass die durch das Schwitzen feuchtere Luft an der Grenzschicht zwischen Haut und Umgebung schnell abtransportiert wird und dass die Kühlung dann effektiver vonstattengeht. Insgesamt sind es also vier Faktoren, die für die Wärmebelastung eine Rolle spielen.
Wenn es nun morgen oder übermorgen wieder kälter wird, mit welchen Beschwerden müssen Wetterfühlige dann rechnen?
Wetterfühlige Menschen haben Probleme mit der Umstellung von den warmen, heißen Temperaturen auf die dann doch etwas angenehmeren Temperaturen. Wie sich das äußert, hängt vom Einzelnen ab. Das können Kopfschmerzen oder Migräne oder auch Kreislaufbeschwerden sein. Vor allem die, die eher zu hohen Blutdruck haben, könnten Probleme bekommen. Man kann es nicht genau fassen, weil es die unterschiedlichsten Beschwerdenbilder sind, die bei einer Abkühlung auftreten können.
Sind die Symptome die gleichen wie bei einem Sprung von kälteren auf wärmere Temperaturen?
Ist es kühl und wird dann wärmer, reagieren häufig andere Personengruppen. Eher die Menschen, die niedrigen Blutdruck haben, reagieren dann mit Anpassungsschwierigkeiten. Man schläft dann vielleicht schlechter, ist unkonzentrierter. Bei einer Abkühlung ist es umgekehrt: Da sollten Schlafqualität und Konzentration wieder zunehmen.
Was können Wetterfühlige akut gegen die Beschwerden tun?
Wenn ein Wetterumschwung ansteht, sollten wetterfühlige Menschen versuchen, sich an den Tagen vorher zu schonen und dem Organismus Ruhe zu gönnen. So können sie ausgeruht und fit in den Wetterumschwung reingehen. Wetterfühligkeit ist nämlich keine Krankheit, man muss sich das eher so vorstellen: Unser Organismus ist ein großes Fass. In dieses Fass passt viel hinein an Stressfaktoren: Das kann eine chronische Erkrankung sein, Ärger mit dem Partner, Ärger im Büro, viel zu tun, schlecht geschlafen. Dann ist häufig das Wetter der Tropfen, der dieses Fass zum Überlaufen bringt. Schafft man es, ausgeruht zu sein und die Stressfaktoren möglichst gering zu halten, sodass noch viel Luft in dem Fass ist, dann besteht die Möglichkeit, dass das Wetter keine Angriffsfläche findet, und der Organismus das noch abfedern kann.
Und langfristig? Lässt sich der Körper gegen Wetterfühligkeit abhärten?
Man kann den Körper mit Wechselduschen oder Saunagängen darauf trainieren, auf den Wetterwechsel zu reagieren. Sehr gut ist es aber auch, einfach bei jedem Wetter spazieren zu gehen. Bewegung an der frischen Luft tut gut, und der Organismus wird auf natürliche Weise trainiert, besser mit dem Wetterwechsel umzugehen.
Bei der Hitze aber sollte man lieber auf den Spaziergang verzichten. Da hilft man dem Organismus mehr, wenn man sich im Innenraum ein kühles Plätzchen sucht.
Gibt es eigentlich auch Symptome, die man besser ernst nehmen und nicht als Wetterfühligkeit abtun sollte?
Mit hohem oder niedrigem Blutdruck zum Beispiel bekommt man bei Wetterumschwüngen Beschwerden. Aber es ist nicht der Wetterumschwung, der die Ursache ist. Die Erkrankung und Schwächung des Organismus liegen bereits vor. Ich würde jedem, der merkt, dass er sehr stark auf das Wetter reagiert, dazu raten, vom Arzt abklären zu lassen, ob nicht eine ernsthafte Grunderkrankung vorliegt. Gegen die kann man etwas machen. Und dann ist auch gegen die Wetterfühligkeit etwas getan.
Mit Christina Koppe-Schaller sprach Andrea Schorsch
Quelle: ntv.de