Frage & Antwort, Nr. 124 Was bewirken Kondensstreifen?
15.06.2010, 08:54 Uhr
"Unter den Flugstraßen wird der Einfluss am deutlichsten sein."
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Ich habe gehört, dass Kondensstreifen am Himmel die Temperatur auf der Erde beeinflussen. Ist das richtig? Und wenn ja: Wie wären denn die Temperaturen bei uns, wenn es keine Kondensstreifen gäbe? (fragt Winfried Z. aus Erfurt)
Mit dieser Frage wenden wir uns an den Deutschen Wetterdienst. Medien-Meteorologin Dorothea Paetzold kann uns weiterhelfen. Sie kennt sich aus mit Wolken - und nichts anderes sind Kondensstreifen.
"Ja", bestätigt die Expertin, "Kondensstreifen wirken sich tatsächlich auf die Temperaturen bei uns auf der Erde aus." Paetzold hat eine einleuchtende Erklärung parat: "Wenn der Himmel tagsüber bewölkt ist, behindern die Wolken die Sonneneinstrahlung. Das ist für uns alle spürbar. Und nachts bewirken Wolken, dass die Erde nicht so auskühlt. - So ist es mit Wolken. Und mit Kondensstreifen ist es genauso, denn Kondensstreifen sind von Flugzeugen verursachte Zirruswolken."
Natur oder Kunst?

Ob diese Zirren von Flugzeugen verursacht wurden oder natürlich sind, ist nicht mehr zu erkennen.
(Foto: Wikipedia / LivingShadow)
Kondensstreifen bilden sich, wenn die Atmosphäre kalt genug ist. Wie kalt sie sein muss, hängt unter anderem von der Flughöhe, der Umgebungsfeuchte und dem Treibstoff ab. Sind erst einmal Kondensstreifen entstanden, lösen sie sich in trockener Luft schnell wieder auf, in sehr feuchter Luft aber halten sie sich über Stunden hinweg und breiten sich dann am Himmel aus. So bilden sich mitunter Zirren, die sich auf natürlichem Wege nicht gebildet hätten. Die anfängliche Linienform der Kondensstreifen verliert sich, und es ist nicht mehr zu erkennen, dass diese Zirren von Flugzeugen verursacht wurden. Hinzu kommt, dass sich die natürlich entstandenen Zirren durch Rußpartikel aus den Flugzeugtriebwerken verändern.
Das Institut für Physik der Atmosphäre am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erforscht diese Zusammenhänge. Den Einfluss der von Flugzeugen hervorgerufenen Bewölkung genau zu bestimmen, ist nicht einfach. "Das Problem ist, dass man entsprechende Untersuchungen nur bei stabilen Hochdruckwetterlagen machen kann", erklärt Paetzold. "Denn sonst spielt das Wetter dagegen, die Tiefdruckgebiete mit ihren Wolken, die sowieso – unabhängig vom Flugverkehr - am Himmel herumschwirren."
Messungen unter streifenfreiem Himmel
Außerdem sind als Bezugsgröße Messungen unter kondensstreifenfreiem Himmel nötig. Doch in diesem Punkt half den Wissenschaftlern selbst die Zeit der Flugverbote nach den Ausbrüchen des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull nicht weiter. Denn nun war es die Aschewolke, die die Daten verfälschte.
Genaue Werte zu den Einflüssen von Kondensstreifen liegen also noch nicht vor. Klar ist aber, dass sie die irdischen Temperaturen tagsüber senken, nachts jedoch die Wärmeabstrahlung behindern, sodass es dann milder ist als ohne Kondensstreifen. Daraus folgt, dass die Spanne zwischen der höchsten Tag- und der tiefsten Nachttemperatur mit Kondensstreifen geringer ist als ohne. Das immerhin haben US-amerikanische Wissenschaftler bereits bestätigen können. Sie nutzten für ihre Untersuchungen das Flugverbot, das nach dem 11. September 2001 verhängt worden war.
"Wie ein bewölkter Witterungsabschnitt"
"Kondensstreifen haben damit den gleichen Effekt wie ein bewölkter Witterungsabschnitt", fasst Meteorologin Paetzold die Ergebnisse zusammen. "Die Auswirkungen von Kondensstreifen sind auf der Erde wohl eher punktuell nachzuweisen", vermutet sie. "Unter den Flugstraßen wird der Einfluss am deutlichsten sein."
Linienförmige Kondensstreifen – das hat das DLR bereits beobachtet – bedecken über Europa tagsüber im Jahresmittel etwa 0,7 Prozent des Himmels. Zur Erwärmung der Erde tragen sie auf jeden Fall weniger bei als das von Flugzeugen ausgestoßene CO2. Doch die Tatsache, dass der Luftverkehr bestehende Zirren verändert, könnte klimatisch weitreichende Folgen haben. Das DLR forscht. Auf die Resultate dürfen wir gespannt sein.
Quelle: ntv.de