Streitwagen der Götter Abt RS6-R raubt einem den Atem
30.04.2015, 12:29 Uhr
Pure Potenz verströmt der RS6-R von Abt schon durch sein Äußeres. Die Komplettkur hat aber auch ihren Preis.
(Foto: Holger Preiss)
Vor zwei Jahren trumpften die Veredler aus Kempten mit dem RS6-R auf. Seinerzeit brachte es der Audi nach der Kraftkur auf 600 PS. Damals galt der Bolide bereits als Leistungsexot. Doch das ist Schnee von gestern: Der neue RS6-R von Abt bringt es auf atemberaubende 730 PS. Und das ist nicht nur Gerede.
In der Formel 1 fahren die Boliden mit etwa 740 PS. Die generieren sie aber erst aus dem Zusammenspiel von Verbrenner und Elektromotor. Der von Abt bearbeitete Audi RS6-R bringt es nach dem Eingriff und ohne zusätzlichen E-Antrieb auf sage und schreibe 730 PS. Hier befeuert ein 4.0-Liter-V8 mit doppelter Turboaufladung den Streitwagen der selbst dem Gott des Windes Vayu zur Ehren gereicht hätte. Allerdings leistet er in der von Audi angebotenen Version des RS6 lediglich 560 PS. Dementsprechend verändern sich auch die Leistungsdaten zugunsten des Abt. Während der RS6 in 3,9 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt, schafft es der RS6-R in 3,3 Sekunden.
920 Newtonmeter maximales Drehmoment
Heckschürze, Dachspoiler und Sideblades sorgen beim RS6-R für den nötigen Anpressdruck.
(Foto: Holger Preiss)
Marginal, sagen Sie? Mag sein, aber spätestens, wenn der Spurt aus dem Stand geprobt wird, trennt sich die Spreu vom Weizen. Bereits beim RS6 werden 700 Newtonmeter auf die Achsen gedrückt, beim RS6-R sind es aber 920 Newtonmeter, die so sauber verteilt auf alle vier Räder krachen, dass es den Insassen für den Bruchteil einer Sekunde den Atem verschlägt. Doch wenn die Luft dem Piloten wieder geräuschvoll entweicht, ist die Tachonadel schon lange an der Tempo-100-Marke vorbeigerauscht, denn nach 10,5 Sekunden passiert der Bolide auch die 200. Auf freier Strecke bringt es der Wagen aus Kempten auf eine Spitzengeschwindigkeit von 320 km/h. Das sind 15 km/h mehr als sein Werks-Pendant aufweisen kann. Schnell wird hier Tempo 200 zur Reisegeschwindigkeit und wer sich auf freier Strecke tatsächlich traut, die rot leuchtende Tachonadel im Dynamik-Modus bis an die 300 zu treiben, der kann sich darauf freuen, dass selbst ein Ferrari im direkten Zweikampf die Segel streicht.
Klar muss hier noch ein Wort über den Verbrauch verloren werden. Wer derart berauscht über die Straßen fliegt, wird nicht unter 18 Liter Super Plus durchs Ziel schießen. Es geht aber auch anders. Dank Zylinderabschaltung lässt sich der Bolzer auch ganz sanft und spritsparend unter 10 Liter über Land fahren. Wer zusätzlich den Comfort-Modus wählt, der wird nur noch durch das rot hinterlegte Abt-Logo im Lenkrad an die Gene des RS6-R erinnert. Und natürlich, wenn er an der Ampel erneut aufs Gaspedal tritt.
Der schönste Klang der Welt
Das ist das Herz des RS6-R: ein 4.0-Liter-V8, der nach dem Eingriff von Abt 730 PS leistet.
(Foto: Holger Preiss)
Der dann folgende Blitzstart wird vom geräuschvollen Husten begleitet, das sich aus der von Abt bearbeiteten Abgasanlage mit ihren vier schwarzen Endrohren entlädt. Wer diesen Sound hört und sogar spürt, der weiß, warum Formel-1-Chef Bernie Ecclestone die V6-Motoren nicht mag: Nichts hat einen schöneren Klang als ein echter V8. Das tiefe Grollen im Leerlauf, dieses sich Schütteln, wenn im Stand Gas gegeben wird, verbunden mit einem heiseren Bellen, dann der Höhepunkt, wenn der Pin tief ins Blech gehämmert wird. Brachial feuert der Bolide nach vorn, die 295er Pneus auf den 22-Zöllern scheinen sich im Asphalt festzukrallen, denn es gibt kein Rucken und kein Reißen am Lenkrad, so sauber wird die Kraft verteilt, so souverän gleitet das DSG über die acht Schaltstufen. Allerdings sollten bei einem solchen Start die Räder schon nach vorne zeigen, denn wenn die fast 1000 Newtonmeter zuschlagen, ist der Druck gigantisch.
Damit dieses Powerpaket auch in den Kurven nicht von der Straße fliegt, hat Abt neben den High-Performance-Reifen auch noch ein spezielles Gewindefahrwerk verbaut, das den Audi um bis zu 30 Millimeter absenken kann und den Fahrzeugschwerpunkt dadurch deutlich verbessert. Nun wären die Spezialisten von Abt keine echten Edel-Tuner, wenn sie einem RS6-R nicht auch noch ein entsprechendes Bodykit mit reichlich Sichtcarbon auf den Weg geben würden. Da gehört die weit nach vorn gestreckte Frontlippe mit ihren seitlichen Blades ebenso dazu, wie die Lufteinlassblenden mit ihren aus dem Rennsport stammenden Flics. Dazu kommen Seitenschwelleraufsätze und eine wuchtige Heckschürze mit Sideblades und ein entsprechend großer Dachspoiler. Allerdings lassen diese Zusatzmaßnahmen den RS6-R nicht nur böser gucken und tief und breit auf der Straße stehen, sondern verbessern auch den Anpressdruck bei hohen Geschwindigkeiten.
Und dennoch alltagstauglich
Zum Komplettpaket gehören natürlich auch die Hoheitszeichen in Rot an Front und Heck, Haifischkiemen in den vorderen Kotflügeln und die Spiegelkappenaufsätze in Sichtcarbon. Wer hier mit seinem RS6 vorfährt, zahlt alles in allem 61.650 Euro für das optische und technische Tuning, dass letztlich die Lizenz für das R im Namen ist. Wer einen komplett ausgestatteten RS6-R aus den heiligen Hallen im Allgäu entführen will, der muss 190.540 Euro bereitstellen. Das ist ein Haufen Geld! Insofern wird ein solches Geschoss für viele nur ein Traum bleiben.
Für alle anderen stellt sich wahrscheinlich nur noch die Frage: Ist der Streitwagen der Götter so aufgerüstet noch alltagstauglich? Ja, ist er. Im Gegensatz zum Vorgänger hat Abt einiges verändert, ohne dabei den Nutzwert eines A6 Avant aus den Augen zu verlieren. Das fängt bereits bei den neuen FR-Sportfelgen in "Mystic Black" an. Der Felgenkranz sitzt jetzt nicht mehr über, sondern hinter den Reifen, was bei unachtsamem Überlaufen von Kantsteinen hässliche Schmarren vermeidet.
Alltagstaugliche und extrem scharfe FR-Felgen von Abt. Der Felgenkranz steht hinter dem Gummi.
(Foto: Holger Preiss)
Wer mit dem RS6-R in jene Waschanlagen einfahren will, wo das Fahrzeug auf Schienen durchgezogen wird, der sollte davon Abstand nehmen, denn Abt hat für die 22-Zöller auch die Spur verbreitert. Letztlich ist das, um Kratzer zu vermeiden, auch für den Lack besser. Jedenfalls für den des Testwagens. Der fuhr nämlich in mattem "Daytonagrau" vor. Und mal ehrlich: Ein Auto wie den RS6-R kann man(n) doch, egal in welcher Farbe, nur liebevoll mit der Hand waschen. Obacht muss man auch beim Ein- und Ausfahren aus Tiefgaragen haben. Wer hier zu schnell unterwegs ist, läuft Gefahr mit der Spoilerlippe aufzusetzen.
Ansonsten hat der Kemptener Bolide alles, was bereits einen RS6 so attraktive macht. Keramikbremsen, Dynamiklenkung, Matrix LED-Scheinwerfer, Ledersitze mit Wabensteppung, Einparkhilfe, Alarmanlage, elektrisch öffnende Heckklappe, elektrisch einstellbare Vordersitze und ein Bose-Soundsystem. Letzteres allerdings ist, was man am wenigsten braucht, wenn der V8 sein Lied singt.
Fazit: Der Audi RS6-R von Abt ist die wohl gelungenste Symbiose von kompromissloser Sportlichkeit und Komfort. Wer das nötige Kleingeld besitzt und ein ganz ausgefallenes Fahrzeug sein Eigen nennen möchte, ohne dabei den Nutzwert zu vernachlässigen, der sollte eine Probefahrt wagen. Denn neben den Vorzügen eines A6 Avant erhält man einen Boliden, der, mit Bedacht genutzt, die Straße zur Rennstrecke macht. Allerdings sollten sich die Interessenten beeilen, denn Abt begrenzt die Stückzahl auf 25.
| DATENBLATT | ABT Audi RS6-R |
| Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,98/ 1,93/ 1,46 m |
| Radstand | 2,91 m |
| Leergewicht (DIN) | 2025 kg |
| Sitzplätze | 5 |
| Ladevolumen | 565 Liter |
| Motor | V8 mit zwei Turboladern und 3993 ccm Hubraum |
| Getriebe | 7-Gang Automatik (DSG) |
| Leistung | 537 kW/730 PS /Serie 412 kW /560 PS |
| Kraftstoffart | Super Plus ROZ 98 |
| Antrieb | Allradantrieb |
| Höchstgeschwindigkeit | 320 km/h / Serie 250 km/h abgeregelt |
| Tankvolumen | 75 Liter |
| max. Drehmoment | 920 Nm / Serie 700 Nm |
| Beschleunigung 0-100 km/h | 3,3 Sekunden /Serie 3,9 Sekunden |
| Normverbrauch / (städtisch, außerstädtisch, kombiniert) | Serie 13,4l / 7,4l/ 9,6l |
| Testverbrauch | 18,2 l |
| Effizienzklasse | E/ EU6 |
| Grundpreis | 111.010 Euro |
| Preis des Testwagens | 190.540 Euro |
Quelle: ntv.de