Q7 kommt als Plug-In-Hybrid Geht Audi mit Vorsprung an die Steckdose?
05.11.2015, 09:48 Uhr
Ein Leichtgewicht ist der Q7 e-tron nicht. Die Elektro-Ausrüstung macht den Audi fast 2,5 Tonnen schwer.
(Foto: Busse/Textfabrik)
Das Fachpublikum ist unerbittlich: Ständig verlangt es neue Beweise für die Gültigkeit des Audi-Markenslogans "Vorsprung durch Technik". Ob der neue Q7 e-tron als Beleg akzeptabel ist, können die Kunden ab nächstem Frühjahr entscheiden.
Der innovative Charakter des Fünf-Meter-SUV ist offensichtlich. Zwar gibt es schon Allradfahrzeuge ähnlichen Kalibers von Porsche und BMW, die ebenfalls an der Steckdose zusätzliche Reichweite tanken, sie nutzen aber einen Benzinmotor. Der Audi geht mit einem Diesel an den Start, was nur konsequent ist, denn schon jetzt fahren mehr als 90 Prozent der deutschen Q7-Neuwagenbesitzer mit einem Selbstzünder durch die Gegend.
Dieser Antrieb ist, durch Manipulationen im VW-Konzern – zu dem bekanntlich auch Audi gehört – in Verruf geraten. Doch so ein Plug-In-Hybrid hat Schiebung eigentlich nicht nötig. Das offizielle Regelwerk des neuen europäischen Fahrzyklus bevorzugt dieses Antriebskonzept bei der Berechnung der durchschnittlichen Abgaswerte ganz erheblich gegenüber herkömmlichen Verbrennern. So kommt es, dass Audi allen Ernstes von einem Durchschnittsverbrauch von 1,7 Litern je 100 Kilometern sprechen darf. Jeder, der halbwegs bei Verstand ist, weiß, dass so ein Wert im normalen Fahrzeugbetrieb nicht erreichbar ist. Muss er auch nicht, denn der Plug-In-Hybrid nützt Audi auch, wenn die Kunden ihn verschmähen sollten. Er senkt den Verbrauch der Gesamtflotte und bringt die Marke näher an die ab 2020 verbindlichen 95 Gramm CO2-Ausstoß. Für Märkte außerhalb der EU soll das "Stecker-SUV" später mit einem Vierzylinder-Benziner ausgerüstet werden.
Die europäischen Kunden des Q7 e-tron werden voraussichtlich auf ihren täglichen Fahrten zur Arbeit oder zum Einkaufen, zum Sport oder in den Urlaub zwischen fünf und 6,5 Litern Kraftstoff je 100 Kilometer Strecke in ihrem elektro-unterstützten V6-Diesel verbrennen. Dort lagen jedenfalls die Ergebnisse einer knapp hundert Kilometer langen Press-Testfahrt über Landstraßen und Autobahnen, mit einigen Steigungs- und Gefällstrecken. Für ein Allradmobil der 2,5-Tonnen-Klasse gar kein so schlechter Wert.
Ladesäule kann mitgeliefert werden
Da allein die Batterie 202 Kilogramm wiegt, bringt die gesamte elektrische Anlage inklusive Steuerungselektronik und Nebenaggregaten 375 Kilogramm Mehrgewicht ins Auto. Laut Zulassung drücken die zum ersten Test bereitgestellten Fahrzeuge den Zeiger der Waage also auf satte 2520 Kilogramm. Das ist fast eine halbe Tonne mehr, als für den Sechszylinder-Diesel ohne Elektrifizierung im Datenblatt steht. Für das vollständige Nachladen an der Haushaltssteckdose muss noch immer ordentlich Zeit eingeplant werden, am besten man schließt den e-tron über Nacht an. Auf Wunsch liefert Audi den Kunden eine 7,2 kW-Ladesäule für die Garagenwand, die diese Zeit auf etwa ein Drittel verkürzen kann.
Außer Range-Rover, die ihren Diesel-Hybrid nicht an der Steckdose aufladen können, bietet nur Audi ein Allrad-SUV mit der Kombination aus E-Maschine und Selbstzünder an. Beide Aggregate zusammen bringen es auf eine Systemleistung von 373 PS, was den Wagen nach Einstellung von V8- und V12-Diesel als stärkstes Modell der Baureihe ausweist. Das maximale Drehmoment von 700 Newtonmetern macht ihn zu einem Sprinter, der es in sechs Sekunden von Null auf 100 km/h bringt. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 225 km/h angegeben. Rein elektrisch, wenn der Wagen im Fahrmodus "EV" bewegt wird, sind 125 Stundenkilometer Spitzentempo möglich. Da der Kraftstofftank mit 75 Litern genauso groß ist wie bei den konventionell angetriebenen Varianten, sollen laut Hersteller bis zu 1400 Kilometer Reichweite mit einer Füllung möglich sein.
Der elektrische und damit emissionsfreie Aktionsradius interessiert die Kunden aber oft mehr, denn auch sie wissen, dass über drei Viertel aller Fahrten weniger als 50 Kilometer lang sind. Bei voller Batterieladung soll der Audi Q7 e-tron 56 Kilometer ohne einen Tropfen Sprit fahren können. Dazu befähigt ihn ein Lithium-Ionen-Akku, der aus 168 Zellen besteht und unter dem Ladeboden über der Hinterachse sitzt. Er arbeitet mit einer Betriebsspannung von 308 Volt, hat eine Kapazität von 17,3 kWh und sein Thermo-Management übernimmt ein eigener Flüssigkeitskreislauf. Zusätzlich hat Audi ein System integriert, dass die Abwärme der elektrischen Anlage für die Beheizung des Innenraums nutzt. Der Elektromotor trägt 94 kW zur Gesamtleistung bei.
Erstaunlich ist, dass dies hohe Gewicht im Fahrbetrieb nicht unangenehm auffällt. Behände zieht der Quattro-Antrieb die Fuhre nach vorn, die leichtgängige Lenkung dirigiert den Trumm gradlinig durch die Fahrspuren, die Seitenneigung in zügig durchmessenen Kurven ist gering. Genauso wie die Geräuschentwicklung, selbst wenn beim starken Beschleunigen im Hybrid-Modus der Diesel zuschaltet und seine Kraft für Zwischenspurts zum Überholen einsetzt. Die gewohnt hohe Sitzposition erlaubt allzeit guten Überblick und vermittelt ein souveränes Fahrgefühl.
Damit der Fahrer oder die Fahrerin jederzeit vollständig über die Betriebszustände informiert ist, hat Audi dem Q7 e-tron das virtuelle Cockpit spendiert, das bei anderen Modellen nur als Sonderaustattung zu haben ist. Ladezustand, Energiefluss, elektrische Reichweite, Energie-Rückgewinnung und Navigationsdaten können wunschgemäß auf den Monitor hinter dem Lenkrad eingespielt werden. Wer das Kommando im Cockpit hat, kann außerdem den Stromvorrat "einfrieren" und auf reinen Dieselantrieb umschalten oder die permanente Nachladung der Batterie veranlassen.
Fahrpedal gibt Rückmeldung
Die ebenfalls serienmäßige MMI-Navigation plus, die mit dem Internet-Baustein Audi connect ausgestattet ist, bietet eine weitere Innovation: Sie nutzt bei laufender Routenführung die Navigationsdaten für das Hybridmanagement, "kennt" also das Streckenprofil, bevor der Fahrer es sieht und kann so Hinweise für das Fahrverhalten geben. Folgt zum Beispiel hinter einer Kuppe eine Gefällstrecke, sind Ortseinfahrten, scharfe Kurven oder Abzweigungen voraus, rät der so genannte Prädiktive Effizienzassistent mit einem optischen Hinweis im Display vom Fahrpedal zu gehen, wenn es zum Kraftstoffsparen sinnvoll ist. Zugleich pulst das aktive Fahrpedal einmal gegen die Fußsohle des Fahrers und mahnt so zu effizienter Fahrweise.
Nach und nach will Audi für jede Baureihe einen Plug-In-Hybrid ins Programm nehmen. Die Markteinführung des auf der IAA präsentierten und rein elektrischen e-tron Quattro Concept ist für 2018 vorgesehen. Gleichzeitig treiben die Ingolstädter die Entwicklungen anderer Konzepte voran. Ein A7 mit Brennstoffzellen-Antrieb fährt sich, von kleinen akustischen Ungereimtheiten abgesehen, schon wie ein Serienauto, auch die CO2-basierte Kraftstoff-Herstellung bleibt auf der Prioritätenliste.
Das umfangreiche Technik und Ausstattungspaket hat seinen Preis. In Deutschland werden die Kunden mindestens 80.500 Euro aufbringen müssen. Das sind fast 20.000 Euro mehr, als für den 272 PS starken V6-TDI zu veranschlagen sind. Außer Navi-System und virtuellem Cockpit bringt der e-tron noch LED-Scheinwerfer und 19-Zoll-Alufelgen serienmäßig mit.
Quelle: ntv.de