Die neue Fernfahrerromantik Lkw in Zukunft bis zum Schüttkegel vernetzt
27.09.2016, 10:32 Uhr
Die Vernetzung geht so weit ins Detail, dass bei sensiblen Transporten auch das Ladegut bis ins Detail überwacht wird.
Die Fernfahrerromantik gibt es nicht mal mehr im Film. Zeitdruck und hohes Verkehrsaufkommen machen den Truckern im echten Leben zu schaffen. In der Zukunft wird sich das ändern: digitale Copiloten, Vernetzung und Sensoren entlasten die Fahrer.
Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert – zum Nutzen der Beteiligten: Das "Internet der Dinge" ist auch im Gütertransport angekommen. Anders als im Pkw-Bereich müssen die Vernetzungslösungen in der kostensensiblen Nutzfahrzeug-Branche aber handfeste wirtschaftliche Vorteile bringen, damit sie gekauft werden. Hersteller und Zulieferer haben das erkannt, wie die vielen Ideen auf der IAA Nutzfahrzeuge zeigen.
Schüttgut mit der App platzieren
Von der Parkplatzsuche über die Verkehrsvoraussage und die Wareneingangskontrolle bis zur Anzeige, wohin der Schüttkegel des Kippers fallen wird – die Möglichkeiten sind schier unendlich. "Wir heben derzeit lediglich fünf bis zehn Prozent des Potenzials, das Connectivity hat", sagt Dietrich Müller, Geschäftsführer beim Daimler-Telematikdienst Fleetboard. In Hannover präsentieren die Stuttgarter unter anderem den neuen App-Store von Fleetboard, der im kommenden April an den Start geht.
Die Applikationen können auf Echtzeit-Daten zugreifen – zum Beispiel als Tankstellenfinder, der die günstigste Tankstelle auf der Route anzeigt - und laufen auf dem herausnehmbaren Fahrer-Tablet. Dort zeigt beispielsweise die "Schüttkegel-App" mit Einlegen des Rückwärtsgangs, wohin genau das vorher spezifizierte Schüttgut fällt. So kann der Fahrer seinen Kipper so platzieren, dass Sand oder Kies an der richtigen Stelle abgeladen werden.
VW präsentiert "Rio"
Dabei wird Mehrmarkenfähigkeit immer wichtiger: Die Fleedboard-Apps können nicht nur in Mercedes-Lkw, sondern auch in Fremdmarken genutzt werden. Künftig will auch Zulieferer Bosch im Kontakt mit Endkunden digitale Logistik-Lösungen anbieten. Ebenso die von VW unter Federführung von MAN in Hannover vorgestellte Konnektivitäts-Plattform "Rio" ist unabhängig von Fahrzeugmarke und Telematiksystem. Die Zusammenführung von Informationen über Zugmaschine, Trailer, Aufbauten, Fahrer und Auftrag sowie deren Kombination mit Verkehrs-, Wetter- oder Navigationsdaten sollen Effizienz und Transparenz des gesamten Ökosystems Transport steigern.
So kann die Konnektivität der Lkw untereinander und mit anderen Geräten nach Meinung von Experten nicht nur den drohenden Verkehrskollaps auf den Straßen verhindern oder Kraftstoffverbrauch und Emissionen deutlich reduzieren. Zum Beispiel durch das so genannte "Platooning", der Zukunfts-Vision aller Hersteller: Dabei fahren mehrere Sattelzüge mit Hilfe aktueller Fahrassistenzsysteme und Vernetzung in geringem Abstand im Windschatten und sparen bis zu zehn Prozent Kraftstoff. Weil die Technik viel schneller reagiert als der Mensch, ist das zudem sicherer. Darüber hinaus optimiert der intelligente Truck auch logistische Abläufe und verhindert mit neuen Assistenzsystemen Verkehrsunfälle.
Sensoren überwachen Transportgut
Die Vernetzung geht so weit ins Detail, dass bei sensiblen Transporten kontrolliert werden kann, ob der vorgeschriebene Temperaturbereich eingehalten wurde oder ob Erschütterungen das Transportgut beeinträchtigt haben. Zulieferer Bosch bringt mit "TraQ" diese Sensoren im kommenden Jahr in Serie. Eine zeitintensive Wareneingangskontrolle soll so überflüssig werden.
Auch für den Fahrer ändert sich eine Menge. Nach der Vision von Bosch, in Hannover dargestellt im Showtruck "VisionX", blickt er in zehn Jahren ausschließlich auf Monitore. Sie stellen neben den üblichen Armaturen-Anzeigen auch Kamerabilder der Außenwelt dar – Außenspiegel gibt es zugunsten von besserer Aerodynamik nicht mehr. Nach der Art eines riesigen Head-up-Displays bekommt der Fahrer zudem diverse Informationen in die Windschutzscheibe gespiegelt, wie beispielsweise die Naviroute.
Büroarbeit im Platoon
Neben seinem Arbeitsplatz ändern sich auch die Aufgaben des Fahrers. Hat sich der Lkw in einen Platoon eingeklinkt und fährt autonom, bleibt ihm Zeit, um Büroarbeiten zu erledigen oder etwas zu entspannen. Bei Bosch hält man es zumindest für denkbar, dass so künftig in aktive und passive Lenkzeit unterschieden und der passive Teil anders an die vorgeschriebene Lenkzeit angerechnet wird.
Seine Pause macht der Fahrer dann auf einem überwachten Parkplatz, den er über eine App reserviert. Um dem dauerhaften Problem von zu wenig sicheren Parkmöglichkeiten zu begegnen startet der Zulieferer ein Pilotprojekt: Ein Mitarbeiterparkplatz in Stuttgart wird abends- und nachts sowie an den Wochenenden für Lkws freigegeben. Finden und buchen kann man diesen dann natürlich über eine App.
Quelle: ntv.de, hpr/sp-x