In der Kombination unschlagbar McLaren Artura - sportliches Antriebsduo
16.06.2022, 11:58 Uhr
Dass der McLaren Artura mit einer rein elektrischen Reichweite von 31 Kilometern kein Plug-in-Hybrid im klassischen Sinne ist, dürfte klar sein.
(Foto: McLaren)
Der erste Plug-in-Hybrid von McLaren hat zwei ganz klare Ziele: Emissionen runter, Emotionen rauf. Dabei ist jeder Antriebsbaustein des Artura für sich allenfalls gehobener Durchschnitt. Doch im Zusammenspiel machen V6, E-Maschine und Batterie den Briten zu einem echten Supersportwagen.
95 PS, maximal 130 km/h und mit vollem Akku 31 Kilometer Reichweite - statt wie sonst gerne in der Pole Position startet der neue McLaren Artura auf der Electric Avenue ganz weit hinten. Denn wer den ersten Plug-in-Hybrid des britischen Sportwagenherstellers zu Preisen ab 230.500 Euro einzig wegen seiner elektrischen Komponenten kauft, der ist selbst mit einem Mercedes GLA oder einem Renault Captur besser bedient. Und wer stattdessen nur nach dem Verbrenner schielt, der findet in dieser Liga ebenfalls bessere Alternativen als einen 3,0 Liter großen V6-Motor, den zwei Lader auf 585 PS blasen. Doch in der Kombination sind die beiden Motoren unschlagbar.
Drei gute Gründe
Erstens, weil sich die Leistung so auf 680 PS summiert, das vereinte Drehmoment auf 720 Newtonmeter klettert und der Artura auf fabelhafte Fahrleistungen kommt. Nicht umsonst beschleunigt er in 3,0 Sekunden auf Tempo 100, hat nach 8,3 Sekunden 200 Sachen auf dem digitalen Tacho stehen und stellt das Spurten erst bei 330 km/h ein.
Zweitens, weil sich die beiden Motoren perfekt ergänzen und jeweils die Schwächen des anderen ausgleichen: So tritt der Stromer immer dann nach, wenn der Verbrenner beim Schalten ganz, ganz kurz mal aus dem Tritt kommt, und sorgt für einen Schub, der anscheinend niemals nachlässt. Und der V6 dreht gerne ein bisschen höher als nötig, um mit der überschüssigen Leistung so viel Strom zu produzieren, dass dem E-Motor nie der Saft ausgeht.

Der Infotainment-Bildschirm im McLaren Artura wirkt wie eine überdimensionierte Smartwatch.
(Foto: McLaren)
Und drittens, weil McLaren eben keinen Riesenakku für eine Rekordreichweite einbaut, sondern auf jedes Kilogramm statt auf die Kilometer schaut und sich auf gerade mal 7,4 kWh beschränkt. Das Hybridpaket selbst wiegt deshalb nur 150 Kilogramm. Und weil vieles davon mit dem Karbon-Chassis, den Alublechen oder den extradünnen Scheiben kompensiert wird, bringt der Artura mit 1498 Kilo weniger auf die Waage als manch konventioneller Sportwagen in dieser Liga. Ein Umstand, der weit über die Längsdynamik hinaus spürbar wird. Denn zur irrwitzigen Beschleunigung kommt eine Straßenlage und vor allem eine Präzision, die ihresgleichen sucht. Egal, ob auf einer engen Landstraße oder gleich auf der Rennstrecke, der Artura hält eisern seinen Kurs und man muss schon virtuos mit der Elektronik und dem Gaspedal spielen, um das Heck aus der Reserve zu locken.
Emotionen, die durch die Decke gehen
Während die Emotionen in diesem Auto trotz des etwas gedämpften Sounds mit jedem Gasstoß durch die Decke gehen, sinken die Emissionen auf neue Rekordwerte: Mit 4,6 Litern ist der Artura nicht nur der sparsamste McLaren aller Zeiten, sondern auf dem Papier sogar genügsamer als ein VW Golf. Und selbst wenn das natürlich schöngerechnete Poesie vom Prüfstand ist und kaum jemand wirklich 2,5 Stunden Pause am Stecker machen wird, lässt sich das Auto ohne Spaßverzicht mit einstelligen Werten durch den Alltag treiben, was eine echte Leistung ist.
Der Antrieb mag eine Revolution für McLaren sein, der Auftritt ist eher evolutionär. Auch wenn das Karbon-Chassis komplett neu ist und diesmal in Eigenregie gebacken wird, sieht der 4,54 Meter lange, 1,98 Meter breite und 1,19 Meter flache Artura den konventionellen Coupés erschreckend ähnlich.
Nur innen wagen die Briten einen größeren Schritt. Es gibt digitale Instrumente, einen Infotainment-Bildschirm, der wie eine überdimensionale Smartwatch vor dem Mitteltunnel schwebt, und die entscheidenden Knöpfe für das Setup von Handling und Performance sind endlich so platziert, dass man sie auch mit den Händen am Lenkrad erreichen kann.
Allerdings hat McLaren der Pandemie und der Chipkrise sei Dank ein paar Monate verloren. Und irgendwie haben sich die Entwickler an der komplexen, neuen Elektronik-Architektur verhoben, so dass die Briten ihren Vorsprung gegenüber der Konkurrenz eingebüßt haben und sich die Pole Position nun mit dem Ferrari 296 GTB teilen müssen. Doch zumindest der Konkurrenz aus England und Deutschland sind sie noch voraus. Denn weder von Aston Martin noch von Porsche ist ein vergleichbares Konzept in Sicht. McLaren dagegen plant sogar schon weiter: Ab 2026 soll jedes Modell elektrifiziert sein und kurz darauf der erste voll elektrische Stromer kommen.
Quelle: ntv.de, Benjamin Bessinger, sp-x