
Mit der X-Klasse steigt Mercedes in ein Segment ein, das bislang die Domäne von anderen Herstellern war.
Dass Pick-ups mehr als pure Arbeitstiere sind, haben einige Hersteller längst erkannt und bieten ihre Light Trucks auch in gehobener Ausstattung an. Mit der X-Klasse wagt sich Mercedes als erster Premiumhersteller an diese Gattung.
Stellt man sich die Frage, was wohl nach den SUV als nächster Boom auf dem Automarkt erscheinen wird, landet man - nimmt man Größe, Antrieb und Idee zur Grundlage - zwangsläufig beim Pick-up. In den USA fährt dieser Fahrzeugtyp so häufig wie hierzulande Pkw und auch in Südamerika, Australien und Großbritannien haben sie einen erheblich höheren Stellenwert als in Deutschland. Allerdings sind die Hersteller inzwischen auch davon abgerückt, den Kleinlaster als reines Arbeitstier zu positionieren. Seit Jahren bieten Hersteller wie Toyota, Mitsubishi, Ford, VW oder auch Nissan ihre Pick-ups an.
Den Letztgenannten hat nun auch Mercedes in Boot geholt, um als erster Premiumhersteller ein Fahrzeug in diesem Segment anzubieten: die X-Klasse. Die Designstudie X-CLASS mit dem Federstrich von Gorden Wagener hatten die Stuttgarter bereits vor einiger Zeit in der Nähe von Stockholm vorgestellt. Jetzt präsentiert Mercedes in Südafrika die fast unveränderte Serienvariante. Warum dort? Weil auch in Südafrika ein entsprechend großer Markt für Midsize-Pick-ups geortet wurde.
Die Basis von Nissan
Die Basis für die X-Klasse liefert wie schon erwähnt Nissan. Leiterrahmen, Mehrlenker-Hinterachse mit starrem Achsanteil, Einzelradaufhängung und Schraubenfedern an beiden Achsen stammen aus dem Navara NP300. Allerdings verspricht Mercedes mit Blick auf Fahrdynamik und -komfort eine ganz eigene Abstimmung des Fahrwerks, um das "Fahr- und Handling-Verhalten" des 5,30 Meter langen Laders auf die Mercedes-Kundschaft zuzuschneiden.
Um der im Weiteren gerecht zu werden, haben die Stuttgarter die X-Klasse für unterschiedliche Arbeits- und Lebenswelten in drei Klassen eingeteilt: Pure, Progressive, Power. Während die erste Variante alle Anforderungen an ein echtes Arbeitstier erfüllen soll, richtet sich die zweite an Menschen, die mit ihrem Pick-up sowohl komfortabel als auch repräsentativ unterwegs sein wollen. In der dritten Ausstattungslinie geht es dann um ein echtes Lifestyle-Fahrzeug, das sich gleichsam im urbanen Umfeld als auch bei Sport- und Freizeitaktivitäten abseits befestigter Straßen bewegen lässt. Das Ausstattungsniveau liegt hier deutlich höher als bei der Einstiegsvariante, die Mercedes bereits ab 37.294 Euro anbieten wird.
Sechszylinder-Diesel mit 258 PS
Das ist jetzt kein echter Kampfpreis, denn der Einstiegs-Navara kostet in der untersten Ausstattungsstufe nur 26.910 Euro. Befeuert wird der Japaner wie die X-Klasse in der Einstiegsvariante von einem 2,3-Liter-Common-Rail-Diesel von Renault, der 163 PS leistet. In der nächsthöheren Leistungsstufe stehen aus demselben Aggregat - und auch das ist mit dem Nissan identisch - 190 PS zur Verfügung. Die Kraftverteilung erfolgt entweder über eine manuelle Sechsgangschaltung oder ein 7-Gang-Automatikgetriebe.
Anders als die Japaner biete Mercedes für die X-Klasse ab 2018 einen drehmomentstarken V6-Diesel mit 550 Newtonmeter und 258 PS an. Der dann mit dem Kürzel X 350 d versehene Pick-up bildet dann auch die Spitze des Segments und wird ausschließlich mit permanenten Allradantrieb angeboten. Die beiden Dieselvarianten haben - wie der Navara - im Gelände dank Low-Range-Untersetzung und optionaler Differenzialsperre einen zuschaltbaren Allradantrieb. Die Ladefläche trägt bis zu 1,1 Tonnen und wer will, kann 3,5 Tonnen an den Haken nehmen, was in etwa einer Acht-Meter-Jacht entspricht.
Breitere Spur und tiefer
Das X-Klasse Topmodell wird dann auch serienmäßig über den permanenten Allradantrieb und ein 7-Gang-Automatikgetriebe mit Schaltwippen und Stopp-Start-Funktion verfügen. Zusätzlich steht ein Fahrmodischalter zur Verfügung, der die Gangart von Comfort, Eco, Sport bis Individuell regelt. Betroffen sind von den Einstellungen die Gaskennlinie, die Schaltpunkte des Automatikgetriebes und die Stopp-Start-Funktion. Für die Feder- und Dämpferabstimmung verspricht Mercedes ein eigenes Setup und "eine neue Welt von Fahrspaß und Fahrdynamik - ohne Einbußen im Gelände".
Um das zu gewährleisten, hat Mercedes mit 3,15 Metern den gleichen Radstand wie der Navarra, aber die Ingenieure haben die Spur der X-Klasse im Vergleich zum Japaner an der Vorderachse um sechs Zentimeter auf 1,63 Meter verbreitert und an der Hinterachse um fünf Zentimeter auf 1,62 Meter. Damit hat der Schwabe nicht nur einen deutlich breiteren Stand als viele der Mitbewerber, sondern sollte auch entsprechend kurvenstabiler ums Eck gehen.
Ebenfalls einzigartig im Segment sind bei der X-Klasse groß dimensionierte, innenbelüftete Scheibenbremsen an beiden Achsen. An der Vorderachse kommen Scheiben mit 32 Zentimetern und an der Hinterachse mit 30,8 Zentimetern Durchmesser zum Einsatz. Das für die X-Klasse angebotene Komfortfahrwerk, das in allen europäischen Märkten serienmäßig ist, bietet eine Bodenfreiheit von 20,2 Zentimetern. Womit die X-Klasse 0,6 Zentimeter tiefer am Boden liegt als der Navara. Optional kann aber beim Stuttgarter Pick-up ein um zwei Zentimeter höher gelegtes Fahrwerk geordert werden, welches selbstredend die Geländetauglichkeit verbessert und die Sitzposition des Fahrers entsprechend nach oben schraubt.
Spreu trennt sich vom Weizen
Die Spreu trennt sich bei den Sicherheitsfeatures vom Weizen. Mercedes bietet neben einer hochfesten Fahrgastzelle auch Befestigungssysteme für zwei Kindersitze in der zweiten Reihe. Für die aktive Sicherheit stehen mit dem aktiven Brems-, dem Spurhalte- und dem Verkehrszeichen-Assistenten drei Fahrerassistenzsysteme bereit, die auch den Komfort erhöhen. Hinzu kommen Anhänger-Stabilitätsprogramm, Reifendruckkontrollsystem, Notrufsystem, Tempomat und LED-Scheinwerfer, die Dank jeweils sechs LEDs die hellste Leuchtkraft im Segment haben. Auf Wunsch ist neben einer Rückfahr- auch eine 360-Grad-Kamera erhältlich.
Und noch etwas unterscheidet die X-Klasse von der Konkurrenz: Er ist der erste Pick-up überhaupt, der über ein Kommunikationsmodul mit festverbauter SIM-Karte verfügt, die auch den Light-Truck zum rollenden Hotspot macht, der auf Wunsch auch mit dem Smartphone vernetzt ist und entsprechende Infos über Tankfüllung und Reifendruck gibt. Ihre Premiere in einem Pick-up feiern auch das multifunktionale Touchpad und das vollintegrierte Multimediasystem mit Festplatten-Navigation und Sprachsteuerung. Auf Wunsch gibt es auch ein Navi mit Echtzeitnavigation.
Das Publikum dürfte die X-Klasse erstmals auf der IAA im Herbst bewundern dürfen. Die Markteinführung plant Mercedes dann für November. Allerdings gibt es den Pick-up erst ab Mitte 2018 mit permanentem Allradantrieb. Gebaut wird die X-Klasse für den europäischen Markt in einer Produktionsgemeinschaft mit der Renault-Nissan-Allianz im Werk in Barcelona.
Quelle: ntv.de