Kaum Durst über 1000 Kilometer Passat setzt mit Hybrid einen drauf
23.07.2015, 10:16 Uhr
Gutes Gewissen: Mit einer zum Beispiel von Windstrom geladenen Batterie sollen 50 Kilometer Reichweite drin sein.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Für eine Mittelklasse-Limousine mit 1,4 Liter-Ottomotor 44.250 Euro zu verlangen, erscheint manchem Kunden gewagt. Wenn dafür aber ein Plug-In-Hybrid mit den Qualitäten eines VW Passat zu bekommen wäre, sähe die Sache womöglich anders aus.
Nach dem Golf GTE präsentiert der Passat mit dem gleichen Kürzel den zweiten Plug-In-Hybrid der Wolfsburger, die ihn gleich in den angestammten Karosserie-Versionen Limousine und Variant anbieten. Hybrid mit Stecker ist die von VW favorisierte Zukunftstechnik, der Konzern rechnet für 2020 mit weltweit drei Millionen Plug-In-Hybriden im öffentlichen Straßenverkehr. Der Fünftürer mit dem legendär großen Laderaum (aktuell maximal 1780 Liter) kostet noch einmal 1000 Euro mehr als der Viertürer. Für den Betrag erhält man eine Kombination aus Verbrennungs- und Elektroantrieb, die sich auch an der heimischen Steckdose wieder mit 50 Kilometern elektrischer Reichweite aufladen lässt. Im Idealfall.
Dass die technisch möglichen Reichweiten selten der Realität entsprechen, kennt der Autofahrer nur zu gut. Da macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen Otto-, einen Diesel- oder einen Elektromotor handelt. Bei den Verbrennern kann man getrost 1,5 bis 2 Liter auf den Prospektwert draufrechnen, bei den Hybriden stellen sich nach und nach die Erfahrungswerte ein. Auch wenn auf den europäischen Märkten noch die Diesel dominieren, hat der Hybrid für den Hersteller seine Berechtigung. Er senkt den Flottenverbrauch der Marke.
50 Liter für 1100 Kilometer
Immerhin, und das ist Volkswagen durchaus als vorbildhaft anzurechnen, wird in der Produktpräsentation nicht mehr nur mit dem Verbrauchswert nach europäischem Fahrzyklus operiert. Der liegt für den Passat GTE nämlich bei 1,6 Litern je 100 km. Das heißt, es werden 37 Gramm Kohlendioxid über die selbe Strecke ausgestoßen. Auf der Langstrecke sei für den Passat GTE etwa mit 4,5 Litern je Normdistanz zu rechnen, so dass der 50 Liter-Tank für etwa 1100 Kilometer reichen dürfte, lässt VW mitteilen.
Und das ist tatsächlich nicht so weit von der Realität entfernt. Auf den rund 200 Testkilometern mit dem neuen Passat errechnete der Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von fünf Litern je 100 Kilometer, der elektrisch zurückgelegte Anteil betrug laut Fahrzeug-Datenspeicher rund 55 Prozent. Ein überwiegend ebenes Streckenprofil und längere Abschnitte mit gleichbleibender Geschwindigkeit waren die Begleitumstände.
Voraussetzung für diese Ergebnisse ist eine Technik, die im Wesentlichen den im Golf GTE verwendeten Komponenten entspricht. Der 1,4-Liter-Ottomotor setzt im Passat noch einen drauf und leistet 156 PS, eine Idee mehr als im kompakten Bruder. Auch die Elektroeinheit ist etwas kräftiger dimensioniert als beim Golf. Die E-Maschine leistet 85 kW, so dass eine rechnerische Systemleistung von 218 PS herauskommt. Sie wird mit einem maximalen Drehmoment von 400 Newtonmetern an die Antriebsräder weitergeleitet. Die Mehrleistung ist auch nötig, denn mit knapp über 1700 Kilogramm wiegt der Passat ein gerüttelt Maß mehr als der GTE-Golf. Falls erforderlich, kann der Passat GTE richtig unvernünftig sein und 225 km/h schnell fahren. Eine vollgeladene Batterie ermöglicht eine elektrische Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. Da ein Lupfen des Fahrpedals bei diesem Tempo unweigerlich das "Segeln" zu Folge hat, hört man in diesem Passat dann ausschließlich Abroll- und Windgeräusche.
Achtung bei der Innenausstattung
Der Fahrkomfort unterscheidet sich nicht von dem des konventionell angetriebenen Passat. Das verwendete 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe kommt mit den verschiedenen Kraftquellen mühelos klar. Je nach Einsatzprofil können der Fahrer oder die Fahrerin zwischen einem reinen Elektro-Modus, einem automatisch gesteuerten Hybrid-Modus und der permanenten Ladefunktion des Verbrenners wählen. Der "GTE"-Modus soll die sportlich ambitionierten Kunden zufrieden stellen, denn dort wird mit veränderten Pedal- und Lenkungskennlinien die maximale Systemleistung für ein agiles Fahrerlebnis aktiviert.
Wer eine Anschaffung in Erwägung zieht, sollte lediglich bei der Wahl der Innenausstattung Sorgfalt walten lassen. Die beliebten metallisch glänzenden Einfassungen und Dekorteile können - so gefällig sie einem auch erscheinen mögen - während der Fahrt und bei bestimmtem Lichteinfall zu lästigen Spieglungen in den Außenspiegeln führen. Bisher sind etwa drei Viertel der in Deutschland neu zugelassenen Passat-Modelle Kombis, beim Plug-In-Hybrid könnte der Anteil der Limousine etwas höher liegen, da für gewerbliche Nutzung immer noch der Diesel das interessantere Auto ist.
Passend zum GTE hat Volkswagen ein eigenes Tank- und Ladesystem entwickelt, das den potentiellen Kunden Appetit machen soll, sich für den im Vergleich zum konventionellen Antrieb immer noch recht kostspieligen Plug-In-Hybriden zu entscheiden. Mit einer speziellen Bezahlkarte sowie einer App fürs Smartphone sollen künftig mehrere Tausend Zapf- und Ladesäulen genutzt werden können. Währen der Einführungsphase lockt Volkswagen sogar für einen begrenzten Zeitraum mit kostenlosem Ladestrom. Wohin die Reise bei der Weiterentwicklung der elektrische Fortbewegung geht, wurde am Rande der GTE-Präsentation bereits sichtbar: Autonom rollende Fahrzeuge steuern im Parkhaus selbstständig die Parkflächen für induktives, das heißt berührungsfreies Laden an. Dort, wo es mit Gleichstrom schneller zur vollen Batterie geht, hilft ein Roboterarm den Stecker zu setzen und wieder abzuziehen. Warum der Automat das tut? Weil "Herrchen" in Eile und schon auf dem Weg zum nächsten Termin ist.
Quelle: ntv.de