Im Vergleich mit Verbrennern So schlagen sich E-Autos im Crashtest bei Mercedes
27.12.2023, 18:32 Uhr Artikel anhören
Mercedes lässt Elektroautos ineinandercrashen.
(Foto: Merecedes-Benz)
Mercedes lässt zwei vollelektrische Autos mit mehr als 50 km/h gegeneinanderprallen. Der Test zeigt, weshalb Elektrofahrzeuge genauso sicher sind wie Verbrenner.
Über sämtliche Crashs im Mercedes Technologiezentrums in Sindelfingen wacht der große Manitou. Allerdings vertrauen die Ingenieure nicht auf die Macht eines Indianergottes. Vielmehr handelt es sich um einen riesigen Gabelstapler der gleichnamigen Marke. Ginge bei einem Crashtest ein Auto in Flammen auf, würde er das Wrack blitzschnell aus der Halle schleppen und in einem extra dafür angelegten Pool im Wasser versenken.
Bisher musste Manitou noch nie eingreifen. Auch nicht bei jenem Crashtest im Oktober, auf den die Sicherheitsingenieure ganz besonders gespannt waren. Als weltweit erster Hersteller ließ Mercedes zwei vollelektrische PKW gegeneinanderkrachen. Mit 56 km/h knallten ein EQA und ein EQS SUV leicht versetzt frontal aufeinander. Trotz der massiv eingedrückten Fronten bleibt die Struktur des Fahrgastraums intakt.
Gleiche Anforderungen an Crashsicherheit wie Verbrenner
Noch stellen E-Autos auf den Straßen die kleine Minderheit. Doch je mehr Stromer unterwegs sind, desto größer die Gefahr, dass zwei davon ineinanderfahren. "Elektroautos müssen natürlich die gleichen Anforderungen an die Crashsicherheit erfüllen wie Verbrenner", sagt Julia Hinners. Die Ingenieurin ist in der Fahrzeugentwicklung für die passive Sicherheit zuständig. "Aber da sie anders aufgebaut sind, müssen wir die Karosserien anpassen."

Schnittmodell eines Mercedes EQS: Die unterschiedlichen Materialien der Rohbaukarosserie sind farbig markiert. Rot sind besonders harte Stähle.
(Foto: Mercedes-Benz)
Hinners zeigt auf den Boden der beiden gecrashten Elektro-SUV. Der Bereich unter den Türen ist nur leicht verformt. Hinter den Schwellern sitzt die Batterie, die besonders geschützt werden muss. Sollte sie in Brand geraten, ließe sich das Feuer nur sehr schwer löschen.
Stellvertretend für alle Elektroautos erklärt Hinners am Schnittmodell eines EQS, wie das Schutzkonzept bei Mercedes aussieht. Rote, blaue oder lilafarbene Stellen markieren die unterschiedlich harten Karosserieteile. Rot steht für hochfesten Stahl, von dem sich ganze Partien im Boden des Luxusliners finden: im Schweller unter den noch härteren B-Säulen beispielweise, unter der hinteren Sitzbank oder auch in den vorderen Radkästen. Fast wie in einem Käfig ist der riesige Akku im Boden des fünf Meter langen E-Autos von massiven Trägern umgeben.
An Eigenheiten von Elektroautos angepasst
Auch im Vorderbau passen die Ingenieure die Karosserien an die Eigenheiten von Elektroautos an. Wo sonst ein zentnerschwerer Verbrennungsmotor einen großen Teil der Aufprallenergie absorbiert, müssen nun zusätzliche Streben die Knautschzone erhalten. Ein armdicker Aluminiumträger etwa, der sich im hinteren Drittel quer durch den Motorraum zieht. Außerdem sollte die Karosserie die gewaltigen Kräfte, die bei einem Frontalaufprall freiwerden, möglichst an Fahrgastzelle und Akku vorbeileiten.
Bei einem Unfall muss in einem Elektroauto sofort der Strom abgeschaltet werden, Nicht nur, um die Passagiere zu schützen, sondern auch die Rettungskräfte. In herkömmlichen Fahrzeugen nutzt das 12-Volt-Bordnetz die Karosserie als Minuspol beziehungsweise Masse. Im Elektroauto mit bis zu 1000 Volt Spannung wäre das fatal. Hier sind alle Hochvolt-Komponenten mit unabhängigen Plus- und Minusleitungen miteinander verbunden. Bei einem Unfall gibt es keinen Kurzschluss, da kein geschlossener Kreislauf entsteht.
Strom aus
"Wir haben für unsere Elektrofahrzeuge ein mehrstufiges Hochvoltkonzept entwickelt", sagt Hinners. "Es umfasst acht wesentliche Elemente für die Batterie und Elektrokomponenten mit mehr als 60 Volt Spannung", erklärt die Ingenieurin. "Sobald die Sensoren eine bestimmte Unfallschwere erkennen, wird das sich selbst überwachende Hochvoltsystem abgeschaltet."
Relais öffnen sich, der Stromfluss wird gestoppt. Außerdem werden die an den Akku angeschlossenen Komponenten in kürzester Zeit so weit entladen, dass die Spannung keine Gefahr darstellt. Nach einem leichten Aufprall kann der Fahrer die Stromleitungen anschließend selbst wieder aktivieren. Löst jedoch ein Airbag aus, ist die Abschaltung irreversibel.
Der Crash der beiden E-Autos lief jedenfalls so ab, wie es sich Hinners und ihre Kollegen gewünscht hatten. Alle Insassen hätten den schweren Unfall nur leicht verletzt überlebt, der Akku blieb intakt und ging nicht in Flammen auf. Und der große Manitou musste nicht eingreifen.
Quelle: ntv.de, Hanno Boblenz, sp-x