Praxistest im Pampersbomber von VW Der "Ich bin dann mal weg"-Touran
17.05.2016, 10:25 Uhr
Der VW Touran ist in jeder Hinsicht ein Langläufer.
(Foto: Holger Preiss)
Der kleinste Diesel fährt zum Praxistest im VW Touran bei n-tv.de vor, um seine Vorzüge unter Beweis zu stellen. Doch plötzlich gibt es ihn nicht mehr. Den Test gibt es dennoch und der macht Mut auf das, was ihm folgen wird.
Manchmal ist es schon verzwickt. Da will der Autotester gerade ein Loblied über ein Fahrzeug anstimmen und plötzlich gibt es diesen Wagen gar nicht mehr. Na ja, es gibt ihn schon noch, aber nicht mehr mit dem im Testwagen befindlichen Triebwerk. So geschehen beim VW Touran, 1.6 TDI mit 110 PS.
Wie in einer Guerilla-Aktion wurde die Motorisierung über Nacht aus dem Konfigurator auf der VW-Seite gestrichen. Warum? Weil die NOX-Werte nicht stimmen oder der CO2-Ausstoß zu hoch ist? Nein es handelt sich ganz einfach um Modellpflege. Der Motor, intern als EA288 bezeichnet, hat mit dem in die Kritik geratenen EA189 ohnehin nur so viel gemein, als dass er der Nachfolger ist und bereits seit 2012 in den Fahrzeugen des Konzerns verbaut wird.
Alt wie neu?
Auf Nachfrage in Wolfsburg hieß es, dass das Aggregat tatsächlich nicht mehr angeboten wird, aber wiederkommt. Ab der 22. Kalenderwoche – also Ende Mai - ist der 1,6 Liter TDI zurück. Dann allerdings nicht mehr mit 110 PS, sondern mit 115 PS. Betrachtet man die Fahrleistungen des 1.6 TDI mit 81 kW, also 110 PS, vermisst der Pilot die 5 PS nicht wirklich. Zumal das Drehmoment von 250 Newtonmetern sich auch in der leistungsstärkeren Variante nicht ändern wird. Zwar soll die Endgeschwindigkeit um 3 km/h auf Tempo 190 steigen, aber auch das ist ein zu vernachlässigender Wert.

Bei aller Klarheit hat der VW Touran, betrachtet man das Interieur länger, auch etwas Dynamisches.
(Foto: Holger Preiss)
Der kleinste Diesel im Portfolio zieht in den unteren Gängen gut an und man ist beim Ampelstart überrascht, wie schnell der Wolfsburger Familienlaster sich von der Kreuzung verabschiedet. Auch Überholmanöver auf Landstraßen bereiten dem Touran mit dem Triebwerk keine Probleme, zumal die Beschleunigung bis auf Tempo 100 in 11,9 Sekunden keinen Anlass zur Klage gibt. Ein Tempo, das auf Bundesstraßen ohnehin das Maß der Dinge ist. Auf freien Autobahnstrecken hingegen vermisst der Fahrer den Schub bei höheren Geschwindigkeiten schon. Ab 150 km/h müht sich der Touran – vor allem, wenn er beladen ist – doch etwas. Knapp 180 km/h lief er dann aber immer noch in der Spitze. Allerdings gab der ohnehin nicht tonlos arbeitende Selbstzünder bei derartiger Forderung ordentlich Laut.
Er fährt und fährt
Am friedlichsten bewegte sich die Fuhre im Geschwindigkeitsbereich von 80 bis 140 km/h. Das ist auch der Bereich, in dem die geringste Menge Diesel durch die Schläuche rauscht. Der Testwagen genehmigte sich im Schnitt über 1000 gefahrene Kilometer 5,8 Liter auf 100 Kilometer. Ein mehr als akzeptabler Wert, den hoffentlich auch das Nachfolgetriebwerk erreicht. Wer die Leistungsspitze herauskitzelt, muss natürlich einen entsprechenden Mehrverbrauch hinnehmen. Unter 6,8 Litern geht da nichts. Auch dieser Wert muss einen nicht klagen lassen. Schon gar nicht, wenn mit einer Tankfüllung knapp 1200 Kilometer zurückgelegt werden können. Ja, das Gesagte bezieht sich komplett auf den 110 PS starken Diesel. Aber ohne besonders verwegen zu sein, kann an dieser Stelle konstatiert werden, dass die Parameter mit äußerst geringer Abweichung auch für das Nachfolgetriebwerk mit 115 PS zutreffen dürften.

Die Sitze im VW Touran sind straff und bieten einen guten Langstreckenkomfort.
(Foto: Holger Preiss)
Im Zusammenspiel mit dem Triebwerk erfreut beim Touran auch sein Handling. Trotz seiner Länge von 4,52 Metern und einer Höhe von 1,66 Metern lässt sich der Van geschmeidig wie ein Pkw in die Kurven legen. Die Lenkung arbeitet präzise und gibt ausreichend Rückmeldung. Das Fahrwerk überrascht mit seiner sehr ausgewogenen Abstimmung, die auch schlechte Straßen für die Insassen nicht zur Tortur werden lässt. Erwähnenswert scheint an dieser Stelle ebenfalls, dass der Touran gerade im Alltagsbetrieb das Gefühl vermittelt, auf Langlebigkeit gebaut worden zu sein. Davon zeugen nicht nur das Fahrwerk, sondern auch die im Innenraum verwendeten Materialien. Selbst die Stoffbezüge – im Testwagen in einem hellen Grau – vermittelten nicht das Gefühl, als würden sie sich nach kurzer Zeit in Wohlgefallen auflösen. Insgesamt erfreute die Haptik ebenso wie das Design, das in seiner Gefälligkeit ebenfalls Langlebigkeit und bei längerer Betrachtung sogar eine gewisse Dynamik bietet. In das Gesamtgebilde wurden übrigens ganz clever der CD-Spieler und die dazugehörigen SD-Karten-Slots integriert. Befindet sich die Einheit beispielsweise im VW Golf VII noch im Handschuhfach, ist sie im Touran hinter dem Zierelement der Armatur auf der Beifahrerseite versteckt worden. Auf Knopfdruck klappt es hoch und gibt die Slots frei. Pfiffig und schick.
Platz für alles und jeden
Doch der Touran hat noch mehr zu bieten: Allein die Insassen in der ersten Reihe erfreut der Mini-Van mit 13 Ablagefächern. Kleinere für Parktickets oder Geld befinden sich in und unter der Armatur, an dieser Stelle sogar als Klappfach. Auf dem Dashboard ist ebenfalls ein Klappfach und auch im Dachhimmel kann in zwei Fächern Kleinkram verstaut werden. Damit der nicht unnötig klappert und rasselt, wenn es über Stock und Stein geht, wurden die mit genopptem Gummi ausgelegt. Wichtig auch, dass die Armauflage in der Mittelkonsole, unter der sich selbstredend auch ein Staufach befindet, in Längsrichtung verschieben lässt. Wem das noch nicht genug ist, der kann auch die Schübe unter den Sitzen nutzen. Die Seitentaschen in den Türen sind so gestaltet, dass sich locker auch 1,5-Liter-Flaschen darin versenken lassen. Wer im Touran Unordnung verbreiten will, der muss sich schon ziemlich geschickt anstellen. Anderseits bedarf es einer gewissen Logistik, die vielen kleinen Dinge wiederzufinden, die sich hier verstecken lassen. Insgesamt sollen nach VW-Angaben 45 einzelne Ablageflächen im Touran zu finden sein. Bleibt zu hoffen, dass die Kinder das Ladekabel für das Tablet nicht irgendwo verbuddeln, die Suche danach könnte länger dauern.
Verstecken muss man sich in der zweiten Reihe nicht. Vielmehr können die Reisenden hier auf drei Einzelsitzen reichlich Platz genießen. Und das gilt nicht nur für Kinder. Auch Erwachsene haben hier nicht den Ansatz eines Knie- oder Kopfproblems. Wer sieben statt nur fünf Insassen chauffieren möchte, der kann sich für 640 Euro eine dritte Reihe in den Kofferraum pflanzen lassen. Dort geht es dann natürlich nicht mehr so komfortabel zu. Bleibt die dritte Reihe im Unterboden, bietet der Kofferraum 1040 Liter Stauraum. Werden die drei Sitze umgelegt – was über den Zug an einer Schlaufe neben den Sitzfläche erfolgt – entsteht eine plane Fläche mit 1980 Litern. Allerdings bleibt zu bemerken, dass der kleine Diesel, wenn die Kiste pickepacke voll ist, spätestens bei Beschleunigungen ab 80 km/h an seine Grenzen stößt. Hier empfiehlt sich dann eine verhaltene Fahrweise oder für Menschen, die öfter zuladen, eine entsprechend potentere Motorisierung.
Nicht unerwähhnt soll auch die Armada an möglichen Assistenzsystemen bleiben, die spätestens dann vorliegt, wenn die Ausstattungslinie Comfortline gewählt wird. Für zusätzlich 270 Euro gibt es den Abstandsregelassistent. Wer das gesamte Paket, wie im Testwagen, zusätzlich mit Spurhalte- und Bremsassistent, LED, Fernlichtassistent mit Leuchtweitenregulierung, Abstandsradar bis 160 km/h, Regensensor und Umfeldbeobachtung bestellt, zahlt mindestens 1085 Euro, je nach vorgewählter Ausstattungslinie. Das Navigationssystem ist in der Ausstattungslinie Comfortline übrigens schon enthalten, samt 16,5 Zentimeter großem Touchscreen mit Annäherungssensor.
Fazit: Der VW Touran ist in seiner neuesten Ausführung so etwas wie der automobilgewordene Friedensvertrag. Er sieht schnittiger aus als sein Vorgänger, bietet mehr Platz als viele Konkurrenten, kann vernunft- oder sportgetrieben motorisiert werden und bietet eine Armada an Assistenten, die ihre Arbeit zur vollsten Zufriedenheit verrichten. Für Familien kann es eigentlich nichts Besseres geben. Zumal der Preis mit knapp 35.000 Euro durchaus in Ordnung geht. Wer alles will, was die Ausstattungsliste hergibt, zahlt am Ende für den Familienbomber so viel, dass er sich fragen muss, ob er sich die Familie noch leisten kann. Wichtig ist also, mit Bedacht zu wählen. Wer das tut, sollte lange Freude an seinem Pampersbomber aus Wolfsburg haben.
DATENBLATT | VW Touran 1,6 TDI Comfortline |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,52/ 1,83/ 1,67 m |
Radstand | 2,79 m |
Leergewicht (DIN) | 1539 kg |
Sitzplätze | 5 / 7 |
Ladevolumen | 1040 / 1980 Liter |
Motor | Vierzylinder mit 1598 ccm Hubraum |
Getriebe | 6-Gang Handschaltung |
Leistung | 81 kW/110 PS (ab Ende Mai 85 kW/115 PS) |
Kraftstoffart | Diesel |
Antrieb | Frontantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 187 km/h (190 km/h) |
Tankvolumen | 58 Liter |
max. Drehmoment | 250 Nm bei 1500 - 3250 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 11,9 Sekunden (11,4 s) |
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert) | 4,1 / 5,4 / 4,6 l |
Testverbrauch | 5,8 l |
Effizienzklasse | A / EU6 |
Grundpreis | 29.075,00 Euro |
Preis des Testwagens | 34.915,00 Euro |
Quelle: ntv.de