Praxistest

Souveräner Langläufer VW Passat - Mehr Bad Boy wäre gut

Der neue Passat ist eine schnittige Erscheinung und macht selbst als Limousine eine gute Figur.

Der neue Passat ist eine schnittige Erscheinung und macht selbst als Limousine eine gute Figur.

(Foto: Holger Preiss)

Der Passat war schon immer ein Auto für Vielfahrer. Daran ändert auch die neueste Ausgabe nichts. Über die Distanz und auch bei der Verarbeitung bleibt der Wolfsburger Maßstab. Aber reicht das? Der n-tv-Praxistest geht der Frage auf den Grund.

Man möchte es kaum glauben, aber mit dem neuen Passat probt Volkswagen den Spagat. Als Limousine ist der beliebte Wolfsburger so scharf gezeichnet, wie kein Passat vor ihm. Böse blickt der Bube in die Welt. Die Augen geklammert von einem Kühlergrill mit breiten, verchromten Querspangen, in dessen Mitte das VW-Logo prangt. Die Dachlinie fällt so steil ab, wie man es sich sonst nur beim CC traute, und gibt dem Neuen neben den scharf ins Blech gebügelten Sicken etwas sportlicher. Zudem wirkt die Limousine ewig lang, obgleich sie doch "nur" 4,77 Meter misst. Beim Blick aufs Heck erfreuen die scharf gezeichneten LED-Heckleuchten. Leider muss der mit dem 2,0 Liter Diesel bestückte Passat, der 150 PS leistet und lediglich 119 Gramm CO2 je Kilometer emittiert, auf die zwei trapezförmigen Endrohrblenden potenterer Modelle verzichten.

Innen etwas mutlos

Leider fehlen den kleineren Motorisierungen die trapezförmigen Endrohrblenden, die hier nur angedeutet zu sehen sind.

Leider fehlen den kleineren Motorisierungen die trapezförmigen Endrohrblenden, die hier nur angedeutet zu sehen sind.

(Foto: Holger Preiss)

Dennoch schwingt man sich dynamisiert auf den Fahrersitz, schaut sich dort aber fragend um. Das, was Außen die Botschaft war, wird im Innenraum einfach widerrufen. Man blickt auf eine zugegeben großartig verarbeitete Armatur, die aber mutloser nicht sein könnte. Klar versucht das Design hier aufzunehmen, was außen so wunderbar funktioniert. Gerade Linien ohne Schnörkel, aufgewertet durch eben jene Chromleisten, die wir schon vom Kühlergrill kennen. Intarsien in Aluoptik sollen das Bild ebenfalls auffrischen, schaffen aber eher eine unterkühlte Klarheit.

Natürlich sind die Instrumente perfekt ablesbar, die Drehregler einfach zu bedienen und an der richtigen Stelle. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, der Musterschüler kommt aus seiner Uniform nicht raus. Er steht an der Tafel, rechnet uns vor, wie eng die Spaltmaße sind, immer darauf bedacht, sich nicht mit der Kreide zu beschmutzen. Doch manchmal tut es einfach gut, der Bad Boy zu sein, die Dinge gegen den Strich zu bürsten. Andernfalls läuft man Gefahr irgendwann das Image der Hausbackenheit zu übernehmen, das andere Hersteller gerade erfolgreich abgestreift haben.

Funktional, aber kein bisschen aufregend gibt sich das Innenleben des Passat.

Funktional, aber kein bisschen aufregend gibt sich das Innenleben des Passat.

(Foto: Holger Preiss)

Unterstützt wird die Anmutung noch, wenn man wie im Testwagen ein braunes Interieur wählt. Braune Armatur, schwarzes Lenkrad, cremefarbener Himmel und braune Bezüge. Natürlich kann man dagegen etwas tun, genau wie gegen die Stoffsitze, für die es etwas Zeit braucht, bevor man sich in ihnen richtig wohl fühlt. Das ist schade, denn eigentlich ist die Oberschenkelauflage super, auch für hoch aufgeschossene Menschen, die Seitenwangen sind perfekt ausgeformt. Nur bei der Sitzfläche muss mit Blick auf die Bequemlichkeit etwas schiefgegangen sein. Abhilfe dürften die belederten Sportsitze schaffen, die aber 2025 Euro extra kosten. Das könnte sich aber als wirklich gute Investition erweisen.

1000 Kilometer mit einer Tankfüllung

Gut investiert hat jedenfalls der, der in seinen Passat den 2,0 Liter Diesel hat einpflanzen lassen. Mit seinen schon erwähnten 150 PS und 340 Newtonmeter Drehmoment geht die 1,5 Tonnen schwere Limousine ausreichend forsch nach vorn. Beim plötzlichen Kickdown wünschte man sich ein etwas spontaneres Ansprechverhalten, aber ist der Wolfsburger erstmal auf Touren, hängt er gut am Gas. Das siebenstufige Doppelkupplungsgetriebe schaltet sauber, so dass der Passat in 8,7 Sekunden an der 100-km/h-Marke vorbeizieht und problemlos die Spitze von 218 km/h erreicht. In welchem Fahrmodus das geschieht, obliegt dem Piloten. Er hat die Wahl zwischen Comfort, Normal, Sport und Individuell. Die Namen der Programme sind selbsterklärend und je nachdem, werden bei der Steuerung über den 7 Zoll großen Touchscreen die Gaskennlinie und Stoßdämpferrate verändert. Wer allerdings mit der Limousine forsch ums Eck biegen will, der sollte auf den Comfort-Modus verzichten. Hier wird der Wolfsburger so weich, dass man aufpassen muss, dass einem das Heck nicht aus der Spur hüpft. Der Dynamiker unter den Fahrern wählt also besser den Sportmodus. Deutlich härter und mit entsprechender Linientreue geht es dann um die Kurven. Für die adaptive Fahrwerksregelung verlangt VW übrigens zusätzlich 1180 Euro.

Platz ohne Ende im Fond, aber bitte nicht auf braunen Sitzen.

Platz ohne Ende im Fond, aber bitte nicht auf braunen Sitzen.

(Foto: Holger Preiss)

Egal wie das DCC des Passat auch eingestellt ist, die Abstimmung bleibt komfortabel und bügelt jegliche Unebenheiten der Piste souverän weg. Hier macht sich auch einmal mehr die Verarbeitung bezahlt: Kein Knacken, kein Knarzen und auch die Windgeräusche bleiben beim Passat bei hohen Geschwindigkeiten dort, wo sie hingehören: draußen. Voraussetzung ist aber, dass man sich bei der Konfiguration für die geräuschdämmenden Scheiben für 665 Euro entschieden hat. Eine weitere positive Überraschung ist der Verbrauch. Im fließenden Stadtverkehr standen lediglich 5,8 Liter Diesel auf der Uhr, im Drittelmix waren es 6,4 Liter. Der Tankwart dürfte also nicht der beste Freund des Passat-Fahrers werden. Eine Tankfüllung von 66 Liter bringt die Fuhre locker über 900 Kilometer. Wer mit leichtem Fuß fährt, sollte es sogar mehr als 1000 Kilometer schaffen.

Und das ist letztlich auch das, was einen Passat auszeichnet. Die Fähigkeit seine Passagiere mit viel Raum über lange Strecken zu bringen. Vor allem im Fond scheint Platz ohne Ende. Selbst die Baumelbeine der Kinder kommen bei normalgroßen Passagieren in der ersten Reihe nur mit Mühe an die Rückenlehnen. Der Kofferraum der Limousine fasst grandiose 586 Liter, die sich aber, wie bei der Karosserieform üblich, nicht ganz so komfortabel bestücken und entladen lassen wie bei einem Kombi.

Business mit knarzender Ansage

Der 2.0 Liter TDI mit 150 PS ist in jeder Hinsicht ein souveränes Triebwerk.

Der 2.0 Liter TDI mit 150 PS ist in jeder Hinsicht ein souveränes Triebwerk.

  Unabhängig von der Form des Wagens wartet VW im Passat aber entsprechend seiner Ansage zur Weltpremiere "The New Businessclass" mit einer Reihe an Assistenzsystemen auf, wie man sie sich bei der Premiumkonkurrenz an manchen Stellen wünschen würde. Da wäre zum Beispiel der Umstand, dass der Wolfsburger Parklücken, egal ob parallel oder quer zur Fahrbahn, vermisst und den Passat reinkurbelt. Ein lohnenswertes Feature, das neben der Verkehrszeichenerkennung, dem Spurhalteassistenten und dem Abstandstempomaten das Reisen sehr angenehm machen kann. Teilautonom chauffiert einen der Passat für zusätzlich 585 Euro mit automatischer Distanzregelung und City-Notbremsfunktion durch den Stau, entspannt über die Autobahn und die Stadt. Wer diese Option koppeln will, zahlt 2000 Euro und bekommt dafür zusätzlich ein Multimediasystem mit Bluetooth und 16,5 Zentimeter großem Touchscreen, eine drei Zonen Klimaautomatik und ein Navigationssystem.

Das hat allerdings so seine Eigenarten. Im Testwagen gab es mit männlicher Stimme die Richtung an. Das ist prinzipiell nicht schlimm, aber es war partout keine Option zu finden, die Stimme auf weiblich umzupolen. Verständlich ist hingegen, dass ein extra Lautsprecher in der Nähe des Fahrers für die Sprachausgabe genutzt wird. Warum der aber klingen muss wie ein Kurzwellenradio aus den 1930er-Jahren wird ein Geheimnis des Herstellers bleiben. Wer üppig in die Optionsliste greift, der wird nicht umhinkommen, den recht passablen Einstiegspreis des Passat deutlich nach oben zu korrigieren. Beim Testwagen schlugen die Zutaten insgesamt mit 12.385 Euro zu Buche. Darin nicht enthalten: elektrisch anklappbare Außenspiegel. Dafür hätte Volkwagen noch einmal 175 Euro verlangt.

Fazit: Der Passat setzt nach wie vor Maßstäbe in seiner Klasse, muss sich aber auch kleine Schwächen nachsagen lassen. Allerdings kann er auch mit Zusatzfeatures ausgestattet werden, die bei der Premiumkonkurrenz bis dato nicht für Geld und gute Worte zu bekommen sind. Und stellt man den Preis dann einmal der Oberklasse entgegen, bleibt selbst ein Fahrzeug, üppig ausgestattet wie der Testwagen, mit 47.535 Euro so etwas wie ein Schnäppchen. Und in puncto Qualität ist der Wolfsburger noch immer Maßstab. Und natürlich sprechen auch die Restwerte für den Passat. Die Experten von Bähr & Forecasts haben ermittelt, dass der Wolfsburger nach vier Jahren immer noch 50 Prozent seines Neuwertes erlöst. Einziger Konkurrent ist hier der Konzernbruder von Skoda, der Superb. Ihm werden bei einem geringeren Einstiegspreis noch 48 Prozent nach der selben Zeit attestiert.

DATENBLATTVW Passat 2,0 TDI
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,77 1,83/ 1,46 m
Radstand2,79 m
Leergewicht (DIN)1501 kg
Sitzplätze5
Ladevolumen586 / 1152 Liter
MotorReihenvierzylinder mit zwei Turboladern und 1968 ccm Hubraum
Getriebe6-Gang Automatik (DSG)
Leistung110 kW/150 PS
KraftstoffartDiesel
AntriebFrontantrieb
Höchstgeschwindigkeit218 km/h
Tankvolumen66 Liter
max. Drehmoment340 Nm bei 1750 - 3000 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h8,7 Sekunden
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert)4,1 / 5,3 / 4,5 l
Testverbrauch6,4 l
EffizienzklasseA / EU6
Grundpreis35.150 Euro
Preis des Testwagens47.535 Euros

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen