Essen gegen Sehnsucht Der Geschmack von Neapel kommt im Paket überall hin
05.03.2023, 14:18 Uhr
Romolo Ganzerli (li.) und Flavio Nappi haben während ihres Lebens im Ausland oft die heimischen Produkte vermisst.
(Foto: Mammapack)
Um sich ein wenig zu Hause zu fühlen, brachten die Gastarbeiter einst in Kartons die Lebensmittel aus der Heimat mit. Die Sehnsucht ist geblieben. Zwei neapolitanische Unternehmer stillen sie jetzt digital und zu italienischen Preisen.
Diese persönliche Erinnerung liegt eine Ewigkeit zurück. Die Zugfahrt begann in Neapel, Richtung Mailand. Im Abteil saß eine Frau mittleren Alters. Auf dem Gepäckträger hatte sie eine fest zugeschnürte Pappschachtel abgestellt. Zwar war es Herbst und die Heizung noch abgedreht, trotzdem begann es im Abteil immer intensiver nach Salami und Käse zu riechen. Das war damals nicht ungewöhnlich, störte deswegen niemanden, gab dafür den Anlass ins Gespräch zu kommen. Auf die Frage, ob es sich beim Käse um Provolone handle, antwortete die Frau: "Ja, den bringe ich meinem Sohn, damit er sich ein wenig zu Hause fühlt. Er arbeitet und lebt nämlich in Mailand. Hier im Süden gibt es ja keine Möglichkeit, sich eine Zukunft aufzubauen."
Vierzig Jahre sind verstrichen, vieles hat sich geändert, aber nicht alles. Früher waren es vor allem die Arbeiter, die in den Norden, oft auch über die Grenze, nach Deutschland und Belgien auswanderten, um Arbeit in den Fabriken zu finden. Heute sind es die klugen Köpfe, die das Weite suchen, weil sie in Italien keine Zukunftsperspektive sehen. Hierzulande nennt man die Abwanderung von Fachkräften "Fuga dei cervelli".
Damals reiste man einen ganzen Tag, wenn nicht länger. Heute nimmt man Lowcost-Flüge oder, wenn es nur von Süd- nach Norditalien geht, den Hochgeschwindigkeitszug Freccia Rossa und ist in wenigen Stunden am Ziel. Was im Vergleich zu früher fehlt, sind die Lebensmittelpakete. Zwar gibt es sie für die ins Ausland Ausgewanderten noch immer, sie werden aber jetzt von der Mamma per Post nachgeschickt.
Und das brachte Flavio Nappi und Romolo Ganzerli auf die Idee, etwas zu unternehmen. Kennengelernt haben sich die beiden aus Neapel stammenden Männer beim Studium an der Wirtschaftsfachhochschule ESCP in Paris. Nappi ist inzwischen 38 Jahre alt, Ganzerli 32. Beide haben lange Jahre im Ausland verbracht. Sie kennen die Sehnsucht nach dem morgendlichen Duft eines Espresso, nach Mamas Lasagne und ihrer Tomatenfleischsoße, die auf Deutsch "alla bolognese" heißt und in Italien einfach nur "ragù".
Zu 100 Prozent italienisch ...
Freilich bekommt man viele italienische Markenprodukte mittlerweile auch im Ausland, oft sind sie aber um das Doppelte, wenn nicht sogar das Dreifache teurer als in Italien. "Das brachte uns 2018 dazu, die Plattform Mammapack zu gründen", erklärt Flavio ntv.de. Er lebt seit 2019 wieder in Neapel und widmet sich voll und ganz dem Unternehmen. Sein Partner Romolo arbeitet stattdessen weiter in Genf.
Die Webseite ist ausschließlich auf Italienisch. Warum, versteht man, sobald man den Satz unter dem Logo übersetzt hat. Dort steht: "Der online Einkauf für Italiener im Ausland, zum richtigen Preis. Eine Schatztruhe von Emotionen und Vorteilen." "Wir haben zwar vor, demnächst die Website auch auf Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch zu übersetzen, es war uns aber wichtig, am Anfang in erster Linie unsere Landsleute anzusprechen, ihnen das Gefühl von Zuhause zu vermitteln", erklärt Flavio.
Geht man die angebotenen Produkte durch, findet man neben Teigwaren, Saucen, Öl, Käse, Wurst und Wein auch eine beeindruckende Auswahl an Frühstückskeksen - "ein Frühstück zu Hause ohne Caffè, besser noch Caffelatte und Kekse ist kein Frühstück", fügt Flavio hinzu.
Hinzu kommen weitere Produkte, die man nicht unbedingt vermutet hätte. Man findet zum Beispiel die Sparte Babyprodukte. Angeboten wird nicht nur Babynahrung, sondern auch Pflegeartikel für die Kleinen: Windeln, Cremes, Shampoos und Badezusätze. "Wenn man von Kind auf ein Produkt kennt und diesem vertraut, will man es auch für die eigenen Kinder", hebt Flavio hervor. Das wisse er auch von einer Freundin, die mittlerweile in Wien verheiratet sei und die Produkte für ihre Kinder auf Mammapack einkaufe. Wobei es nicht um einen Qualitätsvergleich gehe, sondern um eine Bindung zu den eigenen Wurzeln. Dasselbe gilt für die Körperpflege und Reinigungsprodukte für die Wohnung, für die es auch zwei Sparten gibt. Und dann noch eine für die vierbeinigen Freunde des Menschen, Hund und Katze.
... auch im Preis
Geliefert wird in drei, maximal vier Arbeitstagen. In Deutschland fallen die Versandkosten bei Aufträgen von über 99 Euro weg. Doch auch wenn diese hinzukommen, seien die Produkte trotzdem preisgünstiger als im Supermarkt in Berlin, Paris, Wien, London oder anderswo, meint Flavio.
Dass die Idee goldrichtig war, beweisen auch die Zahlen. Der Jahresumsatz liegt inzwischen bei zwei Millionen Euro. Mammapack zählt an die 40.000 Kunden in 21 europäischen Ländern und es wurden an die 52.000 Pakete verschickt. Der größte Kundenstamm, 17 Prozent, ist in Deutschland. Dabei handelt es sich um Italiener der ersten und zweiten Generation. "Wobei hinzugefügt werden muss, dass acht Prozent der Lieferungen auch an Deutsche ohne familiäre Italienbindung gehen", fügt Flavio hinzu. Die Liebe zum italienischen Essen scheint die Sprachbarriere zu überwinden oder ein Ansporn zu sein, die Italienischkenntnisse zu vertiefen.
Für Flavio Nappi liegt das Erfolgsrezept der Fresspakete aus der Heimat auf der Hand: "Wir Italiener haben eine ganz besondere Bindung zu den Produkten, mit denen wir aufgewachsen sind" erklärt er. "Ich habe in Frankreich und Spanien gelebt und nirgendwo dasselbe gesehen."
Quelle: ntv.de