Leben

Statement mit Understatement Egg Chair, Freischwinger oder Ameise?

Auf keinen Fall eine Besetzungscouch, dieser Barcelona Chair von Mies van der Rohe.  Schon gar nicht bei M und Bond.

Auf keinen Fall eine Besetzungscouch, dieser Barcelona Chair von Mies van der Rohe. Schon gar nicht bei M und Bond.

(Foto: imago images/Everett Collection)

Design-Klassiker sind wieder mal im Aufwind. Das liegt nicht nur an ihrer unschlagbaren Qualität, sondern auch daran, dass sie über jeden Trend erhaben sind. Wer einen Barcelona Chair oder ein Set Thonet-Freischwinger hat, wird seine übrigen Möbelstücke mit anderen Augen betrachten.

Ob Egg Chair oder Ameisenstuhl von Arne Jacobsen, eine Vase im Bauhaus-Stil oder Eiermann-Tischgestell: Möbel-Klassiker erleben einen neuen Aufwind. Sind sie das Statussymbol für eine Generation, die nicht mehr mit PS punkten will? Geht es um Stil und Zeitgeist oder darum, dass Wegwerfmöbel überholt sind?

Schön und bequem: Die Le Corbusier-Liege in eher ungewöhnlichem Weiß.

Schön und bequem: Die Le Corbusier-Liege in eher ungewöhnlichem Weiß.

(Foto: imago images / Arcaid Images)

Dritter Stock, Altbau, Gärtnerplatzviertel in München. Eine lichtdurchflutete Wohnung, Stuck an der Decke, das Parkett glänzt. Im Erker steht nur ein einziges Möbelstück: eine Le-Corbusier-Liege. Schwarz und chromfarben hebt sie sich vom Interior des Gründerzeithauses ab. Und passt dennoch hinein, als ob sie nie woanders stand.

Ein Penthouse in Berlin-Schöneberg. Vor der Glasfront wiegt sich der Bambus im Wind. Auf der hell gefliesten Ebene zwischen dem Kamin und der Glasfront steht er, der Lounge-Chair von Charles und Ray Eames in weißem Leder. Daneben locker gestapelte Coffee-Table-Books. Eines aufgeschlagen, als ob gerade noch darin gelesen wurde. Klassiker, die überall hinpassen, ihren Besitzern den Flair des Kenners verleihen und zudem tatsächlich auch noch unglaublich bequem sind.

Viele Möbelstücke aus dem 20. Jahrhundert haben ihren Siegeszug durch die vergangenen Jahrzehnte nie beendet, überdauern die Dekaden. Sie scheinen mit einer gewissen Gelassenheit an den Trends der jeweiligen Zeit vorbeizusteuern, ja diese zu überholen oder noch besser: sie sich einzuverleiben. Und sie bleiben dabei dennoch weiterhin, was sie sind. Der Egg Chair von Designer Arne Jacobsen, gebaut von Fritz Hansen, ist ein Beispiel: Er passt in die bunten 70er, die coolen 90er und heute in eine Welt, in der man es sich zu Hause so gemütlich wie selten zuvor machen will.

Schwedischer Designer oder schwedische Möbelkette?

Lars Triesch hat sich auf Design-Klassiker spezialisiert.

Lars Triesch hat sich auf Design-Klassiker spezialisiert.

(Foto: Edwin Steinitz)

Was ist das Geheimnis dieser Klassiker? Lars Triesch, der "Original in Berlin"-Erfinder, ist ein geschätzter Spezialist für klassisches Design - und eine Anlaufstelle für Sammler und Händler aus der ganzen Welt. Er sagt: "Die Qualität dieser Stücke ist einfach unschlagbar. Daher kaufen bei uns viele die Originale aus der Zeit, selbst wenn sie günstige Nachahmungen im Netz bestellen könnten."

Triesch vermutet, dass die sorgfältige Verarbeitung bei der Herstellung und die Verwendung besserer Materialien nur zwei Gründe dafür sind. Das Schöne an den Klassikern ist, dass man sie wie einen Anker platzieren kann. Alles andere in der Umgebung ordnet sich dann automatisch an, aber nicht unbedingt unter. Diese Klassiker haben ihren Preis. Häufig besitzen die Erben der Designer Lizenzrechte. So kann ein originaler Barcelona Chair von Mies van der Rohe, der von der Firma Knoll hergestellt wird, locker an die 7000 Euro kosten.

Nicht nur für Eierköppe - Arne Jacobsens "Egg Chair"

Nicht nur für Eierköppe - Arne Jacobsens "Egg Chair"

(Foto: imago images/BRIGANI-ART)

Vor allem diejenigen unter ihnen, die seit ihrer Premiere ununterbrochen in Produktion sind, beweisen aber Langlebigkeit: Arne Jacobsens Stuhl Ameise zum Beispiel, seine Stühle der 7er Serie, der oben schon erwähnte Egg Chair und der Sessel Schwan.

Die Gefahr dabei? Wer sich einen Klassiker in sein Zuhause stellt, wird seine anderen Möbelstücke mit einem kritischeren Auge als zuvor betrachten. "Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, desto mehr entfernt man sich von der Massenproduktion", meint Triesch. Und fügt hinzu: "Eine für mich passende Küche kann auch ein talentierter Schreiner für ein ähnliches Budget bauen. Oder zumindest die Fronten designen und bauen - wenn schon der Rest von einer bekannten schwedischen Möbelkette ist."

"Manche unserer Kunden sparen jahrelang für ihren Klassiker. Und wenn sie sich ihn dann leisten können, dann freuen sie sich wie kleine Kinder", sagt Triesch über seine Kunden. "Das sind keine Leute, die damit angeben wollen. Sondern Menschen, die sich wirklich an dem Design und der Machart erfreuen." Außerdem verlieren die Möbelstücke mit den Jahren nicht an Wert. "Im Gegenteil."

Eine Liebe fürs Leben

1931 wurde der Thonet-Freischwinger konzipiert. Ein Klassiker, der bis heute sowohl in unzähligen Privaträumen als auch in Unternehmen steht. Was alle diese langlebigen Stücke vereint, ist die Kunst, Überflüssiges wegzulassen. Und damit unterscheiden sie sich wohltuend von allem Pomp und Kitsch.

Sie allein verstehen es, mit ihrem scheinbaren Understatement ein Statement zu geben. Und stehen dafür auch für die Art und Weise, wie ihr jeweiliger Besitzer dem Leben begegnet. Vergleicht man beispielsweise die Möbelstücke, mit denen sich unterschiedliche Staatslenker umgeben, wird das einmal mehr deutlich, auch wenn Ihnen an dieser Stelle Vergleichsbilder vom Kanzlerbüro Merkel und dem Trump-Penthouse erspart bleiben sollen.

Trotzdem kommen verschiedene Geschmäcker zum Zuge. Es gab in den 1940er bis 1960er Jahren unendlich viele Strömungen, die es dem Liebhaber leicht machen, ein passendes Stück zu finden. "Wie lebt der Mensch?", ist die erste Frage, die sich Lars Triesch stellt, wenn ein neuer Kunde bei ihm beraten werden will. Tendiert der Kunde zu Holz, empfiehlt er eher die Skandinavier. Geht es mehr um den Look, die Italiener. "Tatsächlich spiegelt sich die Mentalität der Designer auch in deren Entwürfen wider", sagt Triesch.

Klassiker werden oft kopiert

Schwing dich frei - die Korbvariante kommt bei Kleinkindern jedoch an ihre Grenzen, also lieber mal für drei bis fünf Jahre einmotten.

Schwing dich frei - die Korbvariante kommt bei Kleinkindern jedoch an ihre Grenzen, also lieber mal für drei bis fünf Jahre einmotten.

(Foto: imago/Rech)

Häufig werden Design-Klassiker nachgemacht. Doch in den meisten Fällen werden weder die Originalentwürfe noch die Materialrichtlinien des Designers beachtet. Lars Triesch kann da nur den Kopf schütteln. "Da wird eine Schale dicker gemacht ohne Rücksicht auf das Design, da werden Materialien verwendet, die fragwürdig oder sogar gesundheitsschädlich sind."

Und selbst diejenigen Unternehmen, die die Lizenzen für die Klassiker haben und nach bestimmten Kriterien produzieren müssen, stehen unter Kostendruck. Daher plädiert Triesch immer für das Original. Denn das landet später in der Erbmasse. Und nicht im Sperrmüll.

Quelle: ntv.de

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