Ludwig II. ermordet? Guglmänner haben eigene Theorie zum Tod des Kini


Zu sehen bekommt man die Guglmänner kaum.
(Foto: privat)
Die Kapuzen- oder Guglmänner sind wohl der älteste deutsche Geheimbund. Sie wirken im Verborgenen, niemand kennt ihre Namen. Einst reinigten sie die Städte von Pesttoten, heute haben sie eine ganz andere Mission.
Mittelalter in Deutschland. Zeit der Ritter und Minnesänger. Aber auch die Zeit der wohl furchtbarsten Seuche: der Pest. Etwa ein Drittel der Bevölkerung ganz Europas fällt ihr zum Opfer. Aus Angst vor Ansteckung werden die Toten vor die Städte getragen und dort begraben - von Männern, die ganz in Schwarz gekleidet sind. Lange Gewänder umhüllen ihre Körper, an den Händen tragen sie schwarze Handschuhe, auf dem Kopf Kapuzen, die das Gesicht verdecken, bis auf zwei Sehschlitze für die Augen. "Schwarze Männer" werden sie genannt. In den mittelhochdeutschen Dialekten heißen sie "Butzemänner", wegen ihrer langen Kapuzen. In den südlichen deutschen Gauen und in Österreich nennt man die Kopfbedeckungen "Gugl", so entsteht der Begriff "Guglmänner".
Die Pest wird ausgerottet, die Guglmänner begleiten nun verstorbene Adlige auf ihrem letzten Gang. Auch 1886 beim Tod König Ludwigs II. und sogar beim Tod König Ludwigs III. im Oktober 1921 sind Guglmänner zu sehen - zum letzten Mal. Doch es gibt sie immer noch, die schwarzen Männer, vor allem in Bayern. Heute haben sie sich dem Andenken von Bayerns Märchenkönig Ludwig II. verschrieben, den die Bayern liebevoll Kini nennen. Und sie wollen einer Kriminalgeschichte auf den Grund gehen: dem Tod des Königs.
Blick in eine Geheimgesellschaft
Richard hat angerufen. Er möchte über die Guglmänner sprechen. Wir kennen seinen Nachnamen, dürfen ihn aber nicht nennen. Welche Funktion Richard bei den Guglmännern hat, wissen wir nicht. "Das ist eine interne Angelegenheit", sagt Richard.
Die Guglmänner seiner Majestät König Ludwig II., so heißen sie heute. Selten gehen sie an die Öffentlichkeit. 2007 ist so ein Ausnahmefall. Da fordern sie die Ernennung eines bayerischen Staatspräsidenten. Dafür schlagen sie Edmund Stoiber vor, der gerade sein Amt als Ministerpräsident verloren hat. Wer Mitglied bei den Guglmännern ist, kann schon ein wenig stolz sein. "Man kann bei uns nicht eintreten wie in einen Verein, man wird zum Guglmann ernannt", erzählt Richard. "Unsere Mitglieder stammen aus allen Gesellschaftsschichten", fügt er hinzu.
Die Guglmänner sind streng hierarchisch gegliedert. Ähnlich wie einst bei den Rittern gibt es sieben Hierarchien. "Wir richten uns nach den einstigen Regeln der Ritter. Die Beachtung der ritterlichen Ideale - Zucht, hohe Sinne, ritterliche Treue und christliche Barmherzigkeit - bildet auch die Grundlage der Guglmänner", erklärt Richard. Man braucht viel Zeit, bis man sich vom Schildknappen bis zum Seneschall hochgearbeitet hat, also zum engeren Führungskreis gehört. Steuermann, also quasi der erste Mann des Bundes, werden nur ganz besondere Guglmänner.
Und Guglfrauen? Die gibt es nicht, sagt Richard, denn früher habe es auch keine Ritterinnen oder Minnesängerinnen gegeben. Aber: "Wir sind natürlich nicht frauenfeindlich eingestellt, ganz im Gegenteil. Es gehört zu den edelsten ritterlichen Tugenden, Frauen zu verehren und zu schützen." Und natürlich gibt es Sympathisantinnen und Helferinnen im Umfeld der Guglmänner, erklärt Richard.
Ein Krimi aus dem 19. Jahrhundert
Sehen kann man Guglmänner nur sehr selten. Bei den Feierlichkeiten anlässlich des Todestages des Märchenkönigs tauchen sie auf. Das war schon fast alles. Ihre Mission: "Es geht uns um die Botschaft, wie der König zu Tode gekommen ist. Die wollen wir verbreiten. Da hilft uns die Anonymität und das Geheimnisvolle." Mittlerweile hat sich um den Königstod eine Art Wissenschaft gebildet, die Ludwigologie. Und wissenschaftlich könnte auch der Tod des Märchenkönigs aufgeklärt werden. Denn die Guglmänner sind sich sicher: "Es war Mord."
Ein Sommertag, wärmer als gewöhnlich. Es ist Pfingstsonntag, der 13. Juni 1886. König Ludwig II. hat Langeweile. Er ist gefangen, darf sein Schloss direkt am Würmsee, dem heutigen Starnberger See, nur mit Begleitung seines Psychiaters Bernhard von Gudden verlassen. Vier Tage zuvor war der König wegen angeblicher Geisteskrankheit entmündigt worden.
22 Jahre lang ist Ludwig II. bayerischer König. In dieser Zeit fördert er die schönen Künste, lässt sich wahre Märchenschlösser einrichten, lebt in einer eigenen, mittelalterlichen Welt. Das alles finanziert er aus der eigenen Tasche. Inzwischen ist er pleite, für die Banken nicht mehr kreditwürdig. Selbst das bayerische Kabinett verweigert ihm ein halbes Jahr vor seinem Tod die Bürgschaft für einen Kredit über sechs Millionen Gulden, nimmt stattdessen seine Entmündigung wegen Verschwendungssucht in Angriff. Tatsächlich erklären vier Psychiater den König im Juni 1886 für "seelengestört". Eine Regierungskommission setzt ihn am 11. Juni um Mitternacht auf Schloss Neuschwanstein fest. In einer Nacht- und Nebelaktion begleitet sie Ludwig II. in sein Schloss Berg am Würmsee. Dort angekommen, schmiedet der König den Plan für seine Flucht, glauben die Guglmänner. Doch die Flucht wird scheitern, der See wird für Ludwig II. zur tödlichen Falle.
Wie starb Ludwig II.?
Der König ist an diesem Sonntag unzufrieden. Man hatte ihm den Besuch des Pfingstgottesdienstes verboten. Nur einen kurzen Morgenspaziergang hat man ihm gewährt. Nun ist es Abend. Erneut möchte der König frische Luft schnappen - ein Vorwand. In Wahrheit will er fliehen.
Was dann passiert ist, hat der ehemalige leitende Ermittler des Bayerischen LKA, Wilhelm Wöbking, aufzuklären versucht. Schon 1986 geht der Beamte davon aus, der König habe seinem Leben durch Selbstmord ein Ende gesetzt. Doch die Guglmänner haben ihre eigene Theorie.
Der König verlässt sein Schloss, macht sich auf den Weg zu einer Ruhebank, knapp zehn Gehminuten entfernt. Dann rennt er plötzlich los, in Richtung See. Dort wartet ein Fluchthelfer auf ihn: Jakob Lidl, königlich bayerischer Leibfischer. Der soll den König über den See bringen, zum Schloss Possenhofen, wo die österreichische Kaiserin Sisi auf ihn wartet. Sie ist seine Cousine und soll ihn nach Österreich bringen. Sein Arzt versucht, ihn aufzuhalten, doch das gelingt ihm nicht. Ludwig wehrt sich. Er gelangt zum See, springt hinein, schwimmt auf das rettende Boot zu. Da fallen zwei Schüsse.
Als man später den leblos im Wasser treibenden König findet, wird der Amtsarzt von Starnberg benachrichtigt. Dr. Rudolf Magg soll die Todesursache feststellen. Er findet zwei Einschusslöcher im Rücken des Monarchen, wird jedoch gezwungen zu schweigen. Erst nach seinem Tod enthüllt seine Tochter Anna das Geheimnis. Die Guglmänner gehen von einem preußischen Schützen aus, der eine sogenannte Windbüchse benutzte, die Vorläuferin des heutigen Luftgewehrs. Eine solche Waffe zeigte das Deutsche Jagdmuseum in München bis 2011. Laut den Guglmännern kann man mit diesem Präzisionsgewehr nahezu lautlos schießen. Doch das stimmt nicht. Mitarbeiter des Jagdmuseums testeten die Waffe für einen Dokumentarfilm auf einem Schießstand und fanden heraus: Der Knall der Waffe hat eine Lautstärke von mehr als 90 Dezibel. Allerdings könnte man ihn aus der Ferne mit dem Brechen eines Astes verwechseln. Die Männer, die das Schlossgelände bewachen, schwören jedenfalls Stein und Bein, dass sie keinen Schuss gehört hätten. Sind vielleicht auch sie zum Schweigen gezwungen worden?
Wie der bayerische Märchenkönig zu Tode kam, könnte die Wissenschaft heute herausfinden. Denn die sterblichen Überreste des Monarchen wurden nicht verbrannt. Doch die Familie Wittelsbach, seine Nachfahren, will den Sarg nicht öffnen: Die Totenruhe soll nicht gestört werden.
Richard von den Guglmännern wünscht sich ein Treffen zwischen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und dem Oberhaupt des Hauses Wittelsbach, Herzog Franz von Bayern. Der wird im Juli 90 Jahre alt. Außerdem sind in diesem Jahr in Bayern Landtagswahlen. Geht es nach den Guglmännern einigen sich die beiden auf die Öffnung des Königssarges - und klären damit endlich die wahre Todesursache des bayerischen Königs Ludwig II. auf.
Quelle: ntv.de