Leben

Der Denglische Patient Happy New Ear!

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Gelegentlich muss man sich vergewissern: Hat man wirklich richtig gehört?

(Foto: imago images/photothek)

Wenn Sie im neuen Jahr wieder Englisch sprechen, denken Sie daran: das Ohr spricht mit! Manchmal hören wir sogar Dinge, die niemand gesagt hat. Das führt zu Missverständnissen – die einen herrlich komisch, die anderen furchtbar dämlich.

Johnny ist ein Paradebeispiel. Sie wissen schon: der Depp! Wer Deutsch spricht, kann die unvorteilhafte Seite des Namens gar nicht überhören. Da ist es egal, wie begabt und berühmt der Schauspieler Johnny Depp in Wahrheit ist.

Das Gleiche gilt fürs englische "gift". In der Weihnachtszeit hatte das Wort ja gerade erst wieder Hochkonjunktur. Jeder, der unsere Lieblingsfremdsprache Englisch halbwegs beherrscht, weiß, dass "gift" Geschenk bedeutet. Trotzdem können einen die vielen "Gift Shops" und "Gift Cards" verwirren. Es sind die Momente, die deutlich machen, dass Fremdsprachenkenntnisse kein Gift, sorry … kein Geschenk Gottes sind. Die sprachlichen Gewohnheiten der Muttersprache haben vielmehr die Kraft, das Gehör zu vergiften.

Umgekehrt hat es der deutsche Philosoph Immanuel Kant in der englischsprachigen Welt noch nie leicht gehabt. Das Four-letter word "cunt" war schließlich schon lange vor ihm da: als vulgäre Beschreibung der Vagina. Da es sich außerdem zur üblen Beleidigung emanzipiert hat, ist es kaum möglich, den Namen "Kant" unzweideutig auszusprechen. Der Philosophieprofessor Sidney Morgenbesser erzählte einmal, wie ihn ein New Yorker Polizist aufforderte, nicht in der Öffentlichkeit zu rauchen: "Wenn ich es Ihnen erlaube, muss ich es allen erlauben" ("If I let you do it, I'd have to let everyone do it"). Morgenbesser, ein geschulter Besserwisser, der Kants Kategorischen Imperativ im Schlaf referieren konnte, erwiderte: "Who do you think you are? Kant?" Die Frage musste auf dem Polizeirevier geklärt werden.

Frieden oder Freiheit?

Mal sind es gleiche Schreibweisen, mal ist es derselbe Klang - und jedes Mal kann es ein bisschen peinlich werden, wenn bestimmte Ausdrücke ohne weitere Erläuterungen die Sprachgrenze überqueren, wo sie dann in fremden Ohren befremdliche Impulse geben. Wer von uns hat nicht schon "freedom" gehört und dabei versehentlich an Frieden statt Freiheit gedacht?

Viele Denglische Patienten - der Kolumnist eingeschlossen - stolpern immer wieder über sogenannte "Falsche Freunde": Wörter mit ähnlicher Schreibweise und gleichem Klang in beiden Sprachen, allerdings mit unterschiedlichen Bedeutungen. Selbst die Kollegen des seriösen Deutschlandfunks haben schon tief ins Klo gegriffen, als sie einmal den folgenden Satz von Barack Obama übersetzen mussten: "You cannot hide nuclear weapons in a closet." Gemeint war selbstverständlich kein Klosett, sondern ein Schrank. In den Nachrichten war trotzdem davon die Rede, dass man Atomwaffen nicht im Klo verstecken solle.

Bereits ein lässig dahingesagtes "Cheers" birgt Gefahren. Obwohl damit im Englischen "Prost!" oder einfach nur "Hallo!" gemeint ist, begreifen es deutsche Zuhörer manchmal als "Tschüss" - und das mitten im Gespräch. In Zeiten des Brexit, in denen man schon allerlei unglaubliche Dinge hören konnte, ist das nicht unproblematisch. Da hebt man während einer Party oder beim Stehempfang das Glas, um den englischen Anwesenden freundlich ein gutes neues Jahr zu wünschen - und sie verabschieden sich aus heiterem Himmel mit "Cheers" …

Auf den Kontext kommt es an

Wie leicht es zu akustischen Missverständnissen im deutsch-englischen Sprachverkehr kommen kann, erzählte ein gewisser O'Clarus Hiebslac schon im Jahr 1896. In seinem damaligen Bestseller "Englische Sprach-Schnitzer. Gebrauch lächerlicher, anstößiger, oft unanständiger Worte und Redensarten von Seiten englischsprachiger Deutscher" wies er auf ein Problem hin, das im sprachlichen Austausch bis heute besteht: die Verwechslungsgefahr ähnlich oder identisch klingender englischer Wörter. Gerät der eine auf die falsche Fährte, weil er vielleicht den wahren Frieden ("peace") mit irgendeinem Stück ("piece") verwechselt, kann der andere die Gene ("genes") nicht von einem Paar Jeans ("jeans") unterscheiden. Oder das Gesagte ("he/she's said") von der Traurigkeit ("he/she's sad"). Gleichzeitig betreibt eine weitere, gut gelaunte Gruppe von Sprechern nur allzu gerne ein absichtliches Verwirrspiel, indem sie zum Beispiel den Standardsatz "Good bye" nutzt, um einen "Guten Einkauf" wünschen: "Good Buy"!

Hiebslac warnte vor 120 Jahren übrigens vor den Worten "disease" und "decease", also vor Krankheit und Tod. Zutreffend stellte er fest, dass es ein handfestes Problem sei, die eine mit dem anderen zu verwechseln. Und genauso zutreffend erklärte er, dass der Unterschied am hart oder weich gesprochenen s hänge. Anders gesagt: Es gibt wenigstens einen Unterschied!

Von einem deutschen Diplomaten wusste Hiebslac zu berichten, dass jener jahrelang nicht nachvollziehen konnte, warum englische Kollegen bestimmte Nationen und Völkergruppen in Amerika zu Menschenaffen herabwürdigten. War es mal wieder die englische Arroganz? Oder sollten die "Gorilla-Taktiken" jener Menschen am Ende etwas anderes bedeuten? Erst als ihm jemand das Wort "Guerilla" erklärte (im Spanischen ein kleiner Krieg), das im Englischen tatsächlich wie der Gorilla ausgesprochen wird, wusste der deutsche Diplomat, worauf es in der englischen Sprache in ganz besonderer Weise ankommt: auf den Kontext.

Das gilt einmal mehr im neuen Jahr 2020!

Quelle: ntv.de

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