Leben

Ordensdasein heute "Kloster kann attraktives Lebensmodell sein"

Die Ordensgemeinschaften unterscheiden sich erheblich.

Die Ordensgemeinschaften unterscheiden sich erheblich.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Datenbank der katholischen Ordensgemeinschaften enthält über 300 Einträge, also Klöster und Orden. Seit Jahren sinkt die Zahl derer, die sich für ein Leben in dieser Form entscheiden. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch heute noch Menschen ins Kloster zieht. Stephanie Mende hat Menschen nach ihren Gründen gefragt, das Ordensleben zu wählen. Sie sind häufig überraschend einfach.

ntv.de: Es ist ja doch überraschend, dass sich Menschen überhaupt noch für den Eintritt ins Kloster entscheiden, oder?

Stephanie Mende: Das denken viele, die sich mit diesem Thema nicht beschäftigen. Aber es kann tatsächlich auch für junge Leute heute noch ein attraktives Lebensmodell sein.

Was, denken Sie, ist daran attraktiv?

Es gibt Menschen, die in sich die tiefe Sehnsucht spüren, Gott zu suchen. Sie erfahren manchmal schon in frühen Kindertagen eine Berufung, so war es zumindest bei manchen meiner Gesprächspartner. Manchmal gibt es auch Wendungen im Leben, nach denen der Ruf einen nicht mehr loslässt. Dann ist es sicher einfacher, dem nachzugehen, als ein Leben lang gegen etwas anzukämpfen, was tief in einem steckt. Bei allen meinen Gesprächen konnte ich gut nachvollziehen, warum sich meine Interviewpartner an diesem Punkt ihres Lebens für ein Ordensdasein entscheiden haben.

Dem Ruf Gottes zu folgen, klingt in einer immer atheistischeren Gesellschaft nicht unbedingt für jeden nachvollziehbar. Wie kann man sich das vorstellen?

Was ich in den Gesprächen herausgehört habe, war, dass alle das Empfinden hatten, dass es mehr im Leben geben muss. Dahinter steht die Überzeugung, dass es eine übergeordnete Kraft gibt, die rational nicht zu erfassen ist. Es ist ein tiefer Glaube an eine Schöpferkraft außerhalb des menschlichen Lebens. Für nichtgläubige Menschen ist das vielleicht nicht nachzuvollziehen. Aber es gibt selbst Naturwissenschaftler, die die Gottesbeziehung in ihrem Leben so intensiv spüren, dass sie sich dafür entscheiden, in ein Kloster einzutreten.

Ist es auch eine berufliche Entscheidung?

Das hängt davon ab, für welche Gemeinschaft man sich entscheidet. In manchen sind die Ordensfrauen oder Ordensmänner weiter beruflich tätig, teilweise bleiben sie in den Bereichen, in denen sie auch vor dem Eintritt gearbeitet haben. Es gibt aber auch kontemplative Gemeinschaften, die sehr zurückgezogen und dem Gebet zugewandt leben, in denen findet kein normales Berufsleben statt.

Eine Ihrer Gesprächspartnerinnen ist Schwester Doris, die als Braumeisterin im Kloster der Armen Franziskanerinnen von der Heiligen Familie in Mallersdorf arbeitet. Sie scheint den genau den richtigen Platz für das Leben gefunden zu haben, das sie sowieso gern führen wollte.

Ja, das ist definitiv so. Sie ist ja auch schon als junges Mädchen bei den Schwestern zur Schule gegangen, bei denen sie dann letztlich eingetreten ist. Da war der Lebensweg offenbar vorgezeichnet. Sie hatte schon früh Kontakt zu der damaligen Braumeisterin und konnte den Beruf kennenlernen. Das ist sicher eine besondere Konstellation.

Schwester Doris ist inzwischen über 70 Jahre alt, aber gibt es auch junge Leute, die heute ins Kloster gehen?

Auf jeden Fall. Ich habe mit Bruder Julian gesprochen, einem Kapuziner. Er ist 1995 geboren und hat eine ganz tolle Form gefunden, wie er sein Bedürfnis nach Ordensleben und seine Berufung mit dem modernen Leben kombinieren kann. Er ist aktiv bei Social Media, reist viel, trifft viele Menschen. Es gibt ja dieses Vorurteil, dass es vor allem unselbstständige und unsichere Menschen sind, die sich für diesen Weg entscheiden. Oder dass es Menschen in der Midlifecrisis sind oder noch ältere, die die Einsamkeit und Unversorgtheit im Alter fürchten. Aber ich kann das nicht bestätigen. Die Gemeinschaften haben kein Interesse daran, dass alte Menschen eintreten. Viele haben Altersobergrenzen: Wer älter ist als 40, wird meist nur in besonderen Fällen aufgenommen. Die Idee ist, schon junge Menschen für das Ordensleben zu begeistern, damit die Gemeinschaft dauerhaft tragfähig bleibt.

Werben die Orden denn aktiv um neue Mitglieder?

In vielen Gemeinschaften gibt es populäre Ordensmenschen, sei es Anselm Grün in Münsterschwarzach, Notker Wolf in St. Ottilien oder Schwester Teresa Zukic in Weisendorf, die Bücher schreiben und in den Medien auftreten. Ich glaube schon, dass man das letztlich als Werbung verstehen kann. Natürlich sind in jeder Gemeinschaft auch Leute für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Viele haben Social-Media-Auftritte, das senkt die Hemmschwelle, um Kontakt aufzunehmen.

Je nach Gemeinschaft verpflichten sich die Ordensfrauen und -männer ja zu ganz unterschiedlichen Lebensweisen, beispielsweise zu Besitzlosigkeit oder dem Zölibat.

Alle vereint, dass sie nach den evangelischen Räten leben. Das heißt, sie geloben Besitzlosigkeit, Gehorsam und Keuschheit. So viele Menschen leben heute als Single, also ja auch partnerlos. Und möglicherweise sind die One-Night-Stands gar nicht so weit verbreitet, wie man immer denkt. Im Gegensatz zu vielen Singles war es für die Ordensleute eine bewusste Entscheidung. Sie wussten, worauf sie sich einlassen. Aber ich habe auch mit einer Schwester gesprochen, die sieben Jahre in einem Orden gelebt und ihn dann wieder verlassen hatte, weil der Wunsch nach Kindern zu groß war.

Inwiefern schauen die Ordensleute auch kritisch auf ihre Gemeinschaften?

Es ist schon so, dass sie auch Herausforderungen beschreiben. Zum Beispiel, dass es nicht einfach ist, mit Menschen zusammenzuleben, die man sich nicht selbst ausgesucht hat. Ein Gemeinschaftsleben auf zum Teil engem Raum mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten und Altersgruppen ist durchaus schwierig. Vor allem die jüngeren Ordensleute haben einen sehr differenzierten Blick auf das Ordensleben und auch auf die Kirche als Institution.

Hatten Sie das Gefühl, dass unsere Gesellschaft Klöster und Ordensleben noch braucht?

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Ich empfinde Klöster immer als sehr wohltuend, für mich sind es Kraftorte und Ruhepole. Viele nutzen sie ja auch, um sich dorthin mal ein paar Tage zurückzuziehen, weil man da viel tiefer entspannt und in der Stille auch mehr mit sich in Berührung kommt als beispielsweise in einem Wellnesshotel. Ich gehe davon aus, dass es sogar eine Renaissance des Ordenslebens geben könnte. Das "Schneller, höher, weiter" unserer Gesellschaft ist ja für immer weniger Menschen erstrebenswert. Darum geht es in den Klöstern eben nicht.

Die Ordensleute haben aber durchaus einen eng getakteten Tag.

Ja, alle haben gut zu tun, langweilig ist es tatsächlich keinem. Aber ich denke, der Unterschied ist, dass sehr viel Druck wegfällt, weil Statussymbole keine Rolle spielen. Alle tragen den Habit. Keiner muss sich Sorgen machen, wie er nächsten Monat seine Miete bezahlt. Und in der Regel gibt es zwar wenig persönlichen Besitz, die Gemeinschaften verzichten aber nicht auf die normalen Dinge: Es gibt Smartphones, Laptops und Autos.

Gibt es eine Begegnung, die Sie besonders berührt hat?

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Am allermeisten und nachhaltig tief berührt hat mich Pater Remigius aus St. Ottilien. Er ist inzwischen 93 Jahre alt, schreibt E-Mails und googelt, wenn ihn etwas interessiert. Vor allem, wenn man überlegt, dass er schon seit über 70 Jahren im Kloster lebt, ist diese Teilhabe am modernen Leben extrem faszinierend. Als er eingetreten ist, gab es in den meisten Privathaushalten noch nicht mal Telefon. Er ist stark am Austausch mit jungen Leuten interessiert und hat einen inspirierenden Blick auf das Leben.

Mit Stephanie Mende sprach Solveig Bach

Quelle: ntv.de

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